Casella 2
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Die leere Krippe
Es war die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Wie immer rannten wir hektisch umeinander, suchten zusammen, was dazugehörte, besorgten bergeweise, was uns fehlte und hatten kaum einmal Zeit für ein ruhiges Gespräch. Als alles geschmückt war, fiel uns auf, dass wir die alte Krippe nicht vom Dachboden geholt hatten. Tatsächlich: Wir hatten das Wichtigste vergessen. Erstaunt blickten wir uns an und erkannten, was dahintersteckte: In unserem Leben spielte die Krippe keine so große Rolle, wie wir dachten. Dabei hatten wir immer geglaubt, Gott sei längst bei uns angekommen. Er sei einer der Eckpfeiler unseres Lebens. Traurig sahen wir nun, dass diese Zeit lange vorbei war. Konnten wir das Ruder noch einmal herumreißen? Wir wussten es nicht, aber wir wollten es versuchen. Gemeinsam gingen wir an den Ort, an dem wir alles einlagerten, was unser Leben bestimmt hatte, als es die rechte Zeit dafür war. Und wir suchten lange unter den alten Fotos, dem Nippes, den Kleinigkeiten, die wir verwahrt hatten. Wir hielten all diese Dinge in den Händen und sprachen von den Zeiten, die an uns vorbeigerauscht waren. Redeten ohne Unterlass über das, was bis hierher unser gemeinsames Leben bestimmt hatte. Ganz tief unten fanden wir endlich den Stall, den wir im Augenblick dringender brauchten, als irgendetwas anderes. Wir bliesen den Staub fort und nahmen ihn mit in unser Leben hinein. Wir stellten ihn auf: Das Paar, das so weit gereist war, ins Zentrum. Daneben die Tiere, ohne die es im zugigen Stall hätte frieren müssen. Dann die Hirten, bis heute das Zeichen für die Zurückgelassenen dieser Welt und uns so ähnlich, und ihre Herde. Und hoch oben die Engel, die für das nötige Halleluja sorgen sollten, wenn unsere Stimmen versagten. Die winzige, mit altem Stroh gefüllte Krippe aber, die stellten wir vor die Tür des Stalls. Sie blieb noch leer. Schließlich waren wir in Erwartung dessen, der da zu uns kommen sollte. Damit er den Weg sicher fände, stellten wir eine Kerze daneben, die wir an den Abenden entzündeten, wenn wir uns vor den leeren Stall stellten und sehnsüchtig in den alten Futtertrog hineinblickten. Wir wussten: In diesem Jahr würde er kommen, denn wir hatten ihn zum ersten Mal schmerzlich vermisst. Und wir würden ihn willkommen heißen!
2018 Fenster bei Fam. Werheit-Kolter -
2017 Text am Pfarrzentrum St. Joseph
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