Advientos Home | My account | Logout | Showroom | About Advientos - DE | EN | ES | FR | IT
Build your Advent Calendar
29 April 2024, the calendar is ended.
(Last window on 25 December 2014)
Sweetvalentine 2014
Window nº 11
Sky - Sweetvalentines One & Only

Kapitel 11

Hannes war todmüde. Er lag auf dem Sofa und beobachtete die Schneeflocken vor dem Fenster. Seit über einer Woche fuhr nun jeden Tag zwischen der Früh- und Abendsprechstunde auf den Eppesberg, um den Wolf, wie er ihn mittlerweile liebevoll nannte, mit Futter und trockenem Stroh zu versorgen. Der Neuschnee der letzten Tage hatte weder die Fahrt auf den Eppesberg noch den Fußweg über das Feld einfacher gemacht, und mit jedem Tag, der verging, verlor Hannes ein Stückchen mehr von seiner Überzeugung, sich dem Hund auf diese Weise vertraut machen zu können. „ Warum betäubst du ihn denn nicht einfach?“, hatte Jens gefragt, als sie gemeinsam den unterstand aufgebaut hatten. „ Du könntest doch ein Schlafmittel ins Futter mischen und ihn dann ganz einfach mitnehmen.“ Aber das Risiko war Hannes bisher zu groß gewesen. „ Was ist, wenn das Mittel nicht sofort wirkt und er davon läuft?“, hatte er Jens geantwortet. „ Ein Schreck würde reichen und er wäre im Dickicht verschwunden. Und wenn er dann irgendwo versteckt einschläft und wir ihn nicht finden, wäre er verloren. Bei diesem Wetter hätte er keine Chance. Er würde definitiv erfrieren.“ 
Jochen hatte daraufhin vorgeschlagen, einen Käfig mit Falltür direkt neben der Eiche aufzustellen. An die tägliche Futterration war der Hund mittlerweile gewöhnt. Auch die Zeit, zu der er täglich erschien, war immer die gleiche. Manchmal kam es Hannes richtig gespenstisch vor, wenn er pünktliche um 14 Uhr wie aus dem Nichts auftauchte und ihn aus immer gleichbleibender Entfernung dabei beobachtete, wie er das Futter auslegte. Ein Käfig mit Falltür wäre eine realistische Chance, hatte Hannes sich gedacht. Der Hund würde die Box betreten, um an das gewohnte Futter zu gelangen, die Falltür würde den Käfig hinter ihm schließen, und sie könnten ihn mitsamt der Gitterbox mitnehmen. Hannes hatte dem Vorschlag zugestimmt. „ Auf einen Versuch muss ich es ankommen lassen!“, hatte er gesagt. „ Auf Dauer fehlt mir einfach die Zeit, den Wolf täglich auf dem Eppersberg zu versorgen.“ Gemeinsam mit Jochen hatte er also am zweiten Adventssonntag gegen Mittag einen Falltürkäfig neben der Eiche aufgebaut und mit Futter bestückt. Bis zum Nachmittag hatten sie dann bei minus acht Grad auf den nahegelegenen Hochsitz gewartet.   Hannes hatte den Käfig auf keinen Fall unbeaufsichtigt lassen wollen, um den Hund nicht unnötig lange in dieser engen Gefangenschaft der unerträglichen Kälte auszusetzten. Sobald sich die Falltür hinter ihm geschlossen hätte, wollte er ihn umgehend zum Rosenhof bringen. Als Wolf eine Stunde später als sonst aufgetaucht war, hatte er den Käfig sofort entdeckt. Unruhig war er am Waldrand auf und ab gelaufen und hatte sich immer wieder irritiert hingesetzt, um sich nervös in alle Richtungen umzusehen. Er hatte eine endlose Geduld bewiesen. Über eine Stunde war er in einem weiten Kreis um die Box herumgeschlichen, hatte sich genähert und wieder entfernt. Dann war er plötzlich nicht mehr zu sehen gewesen. Genauso schnell, wie er jeden Tag wie aus dem Nichts auftauchte, war er an diesem Tag auch wieder verschwunden. Nach zwei weiteren ähnlich verlaufenden Tagen hatten sie frustriert die Gitterbox wieder abtransportiert, um den Hund die Bindung an diesen Ort nicht zu nehmen.  
Hannes zog sich die Wolldecke von der Sofalehne, schloss die Augen und dachte an Lea. Ob sie gewusst hätte, was er tun sollte? Gemeinsam hatten sie einmal einen verwilderten Hund eingefangen. Eine ganze Nacht lang hatten sie auf einer Wiese unter freiem Himmel verbracht, bis der kleine Kerl endlich am Morgen aufgetaucht war. Es waren viele Jahre seit dem vergangen. Seit dieser sternenklaren Nacht, mitten im Hochsommer. Lea wohnte damals noch im Dorf. Er hatte sie in dieser Nacht ganz fest in seinen Armen gehalten und ihr gesagt, dass er Angst habe, sie irgendwann zu verlieren. Sie hatte gelacht und gesagt, dass man darüber nicht nachdenkt, wenn man sich gerade erst ineinander verliebt hat. Wenige Monate später hatte er einen Brief auf seinen Schreibtisch gefunden: 
„ Hannes, wenn du einem anderen Herzen so nah kommst, dass du das Gefühl hast, eure Seelen würden einander berühren, dann darfst du dir sicher sein, dass ein Engel seine Finger im Spiel hat und du für immer mit diesem Menschen verbunden sein wirst.“ 
Hannes lächelte traurig und schickte seine Gedanken auf eine weite Reise.
 
                     *******
Fortsetzung folgt!
Window nº 15
Dusty - Sweetvalentines Promise in Gold 

Kapitel 15

Lea hatte sich für den Rest des Jahres Urlaub genommen. Sie stand vor ihrer Haustür, hielt ihren Autoschlüssel und zwei gepackte Reisetaschen in der Hand und wollte sich gerade auf den Weg in ihre knapp 500 km entfernte Heimatstadt begeben, als das Klingeln ihres Handys dumpf aus einer der beiden Taschen zu hören war. Sie sah auf die Uhr und schüttelte entschlossen den Kopf. Sie hätte längst auf der Autobahn sein sollen. Das Gespräch konnte sie auf keinen Fall noch annehmen. Es vergingen ungefähr 10 Sekunden, bis sie ihre Entscheidung über Bord warf und ihr Handy eilig aus einer der Reisetaschen zog. „Ja? Hallo!“, schaffte sie es gerade noch rechtzeitig, den Anruf entgegen zu nehmen. „Hallo, Lea, ich bin‘s, Rosalie.“ „Rosalie! Du wolltest dich doch erst heute Abend melden!“ „Ja, das stimmt schon. Aber…!“ „Rosalie, was ist passiert? Ist was mit Hannes? Sag schon, was ist los mit ihm?“ „Nein, nein, Lea. Mit Hannes ist alles in Ordnung! Ich rufe dich schon so früh an, weil… also… damit du… naja, wie soll ich sagen, es geht um den Hund vom Eppesberg. Er ist vermutlich angeschossen worden. Genaueres weiß Jochen nicht. Nur so viel, dass er gestern stark blutete, und dass er so schnell als möglich Hilfe braucht.“ Lea stellte auch die zweite Reisetasche ab und sortierte noch einmal kurz, was da wirr ihre längst auf Abreise programmierten Gedanken durcheinander brachte. „Der Hund ist angeschossen worden?“, fragte sie noch einmal entsetzt nach. „Aber Jens hatte ihn doch unter Schutz gestellt.“ „Ja, das stimmt. Aber er war zwei Tage nicht zur Futterstelle gekommen. Vielleicht hatte er Jens‘ Revier verlassen. Und ganz sicher ist es auch nicht, ob es eine Schussverletzung ist. Jedenfalls hat er eine Wunde, durch die er viel Blut verloren hat, und die versorgt werden muss.“ Lea nickte für sich. „Was wollt ihr jetzt machen? Was sagt Hannes? Was hat er vor?“ Sie hatte die letzte Frage noch nicht ausgesprochen, da war die Verbindung plötzlich unterbrochen. Lea schloss die Haustür wieder auf, schob die Reisetaschen in den Flur und ging zurück ins Wohnzimmer, um Rosalie vom Festnetz auf zurückzurufen, aber gerade in dem Moment, als sie die Nummer wählen wollte, klingelte das Handy erneut. „Hallo, Rosalie, ich wollte gerade zurückrufen. -  Also erzählt mal! Was will Hannes jetzt tun?“ 
Rosalie fiel es schwer auf den Punkt zu kommen. Sie redete um den eigentlichen Grund ihres Anrufes herum. Sie erzählte von den Bemühungen des Vortages und von den Ereignissen der vergangenen Tage. Lea wollte nicht drängeln und hörte zu. Sie hangelte einen Arm nach dem anderen aus ihrer dicken Jacke, während sie das Handy abwechselnd mit der rechten und der linken Hand ans Ohr hielt. „ Rosalie entschuldige bitte!“, unterbrach sie ihre Freundin nach einiger Zeit geduldigen Zuhörens,  „aber ich war sozusagen bereits auf dem Weg zur Autobahn. Ich bin gegen 13 Uhr in Nordrhein-Westfalen verabredet und ich …!“ „ Soll das heißen du stehst neben einem gepackten Koffer und bist quasi abreise fertig?“, fiel Rosalie ihr ins Wort. Lea atmete tief durch. Sie wusste zwar das die Uhren auf dem Rosenhof langsamer ticken als in Berlin, und sie schätzte Rosalies endlose Geduld in der Regel auch sehr, aber in diesem Moment machte sich eine gewisse Ungeduld bemerkbar. „Ja sozusagen, Rosalie, eher neben zwei Reisetaschen. Aber wäre es möglich wenn ich dich heute Abend zurückrufe?“ Dann hätte ich mehr Zeit und mehr Ruhe!“, schlug Lea vorsichtig vor, um Rosalie nicht zu verletzen. „ Nein, Lea, das ist nicht möglich!“Rosalies Stimme klang plötzlich entschlossen und energisch. Es wäre nämlich zu spät. Bitte, Lea nimm deine Taschen und komm her. Du kennst dich mit Angsthunden aus. Du hast gelernt, mit ihnen umzugehen. Wenn einer es schafft, diesen Hund da oben auf dem Eppesberg endlich einzufangen, dann du!“ Lea setzte sich entgeistert in den Sessel und versuchte zu verstehen, was Rosalie da gerade von ihr verlangte. „ Ich soll was? Ich soll auf den Rosenhof kommen? Rosalie, dir geht es wohl nicht mehr gut!“ Sie schüttelte entschieden den Kopf und stand schlagartig wieder auf. Unruhig wanderte sie durchs Wohnzimmer. „ Rosalie, bist du noch ganz bei Trost?“, fragte sie nach einer Weile des Nachdenkens. Rosalie gab ihr keine Antwort. „ Bist du noch da“, fragte Lea nach, da sie befürchtete, dass die Verbindung wieder einmal unterbrochen worden war. „ Ja ist sie“, antwortete Jochen, der das Gespräch überraschend übernommen hatte und Lea damit vollends aus dem Konzept brachte. „ Jochen, was soll das? Ihr beide wisst doch genau, was Hannes und ich für eine Zeit durchmachen. Ich kann nicht auf den Rosenhof kommen. Es würde alles wieder von vorne beginnen.“ „ Lea, ich habe Rosalie gebeten, dich anzurufen weil ich Hannes nicht hintergehen wollte, und weil ich keine Lust auf seine Vorträge hatte. Aber während sie mit dir sprach, wurde mir auf einmal bewusst, dass ich damit unseren Weg verlassen hatte.“ 

            ********
Fortsetzung folgt!
Window nº 2
Zwei Brüder, Sky & Easy ( Sweetvalentines Prince of Love und Sweetvalentines Take it Easy) 

Kapitel 2

Der Jeep hatte es trotz der massiven Schneefälle hinauf zum Menke Hof geschafft. „ Wenn wir zurück sind werde ich die Schneeketten anlegen!“  sagte Hannes während er den Wagen unter das Scheunendach fuhr. Jochen nickte beiläufig. Er staunte über die Dunkelheit, die sowohl im Haus, als auch im Stall herrschte. „ Lass uns direkt zum Stall gehen“, meinte Hannes und nahm eilig seinen Koffer von der Rückbank. Auf dem gesamten Hof herrschte nächtliche Stille. Nur das aufgeregte bellen des Hundes war aus dem Wohnhaus zu hören. „ Merkwürdig! „ fiel es jetzt auch Hannes auf. „ Im Stall scheint alles ganz ruhig zu sein. Ob sich die Lage doch wieder entspannt hat? „ Jochen seufzte. Aber bevor er noch was sagen konnte, war plötzlich das gesamte Wohnhaus hell erleuchtet und der Hund kam aufgeregt bellend über den Hof gerannt. „ Arco ganz ruhig, wir sind es!“, rief Hannes ihm irritiert entgegen, aber Arco schien in seiner Rage niemanden erkennen zu wollen. Im ersten Stock öffnete Frau Menke beunruhigt das Fenster.  Zeitgleich ertönte der Befehl „ Arco steh!“ über den Hof. Und während Arco blitzartig kurz vor dem Stall stehen blieb und sich damit zufrieden gab, die nächtlichen Besucher zu  fixieren, rief Frau Menke aus dem Fenster: „ Karl, ist alles in Ordnung? Was ist denn nur los da unten?“  Karl Menke schaltete die Hoflaternen ein und kam im offenen Frotteemantel aus dem Haus. „ Doktor Petersen!“ rief er überrascht über den Hof. „ Was machen Sie denn hier oben, mitten in der Nacht bei diesem Wetter?“ Er wickelte sich fröstelnd in seinen Morgenmantel ein, verknotete den Gürtel und winkte Hannes und Jochen herüber zum Haus. „ Ist was mit ihrem Wagen? Brauchen Sie Hilfe?“, rief er ihnen quer über den Hof zu, da sowohl Hannes wie auch Jochen wie angewurzelt stehen geblieben waren. „ Ach was frage ich?“, hörten sie ihn sagen. „ Aus lauter Freude am Schneesturm sind Sie bestimmt nicht hier oben. Kommen Sie erst mal rein und wärmen Sie sich auf!“ Er winkte ihnen einladen zu und nachdem er Arco signalisiert hatte, dass er seinen Wachdienst beenden konnte, ging er voraus ins Haus. „ Sag mal Hannes, kannst du mir das jetzt bitte mal erklären?“ fragte Jochen und sah Hannes erwartungsvoll dabei an. Aber der stand nur ratlos da und schüttelte den Kopf. „ Kommen Sie“, rief der Menke Bauer noch einmal,               „ trinken Sie erst mal einen heißen Kaffee. Ich rufe dann gleich den Joe an. Der schleppt den Jeep runter in die Werkstatt und nimmt sie beide auf dem Weg dorthin wieder mit zurück auf den Rosenhof.“ Hannes kräuselte die Stirn und sah entgeistert hinüber zum Haus. „ Lass uns erst mal hinein gehen“, sagte er hilflos. „ ich versteh das hier genauso wenig wie du!“  Als sie das Haus betraten kam auch Frau Menke, ebenfalls im Morgenmantel, die Treppe herunter.  „ Moin Doktor Petersen!“ sagte sie betont, weil sie genau wie Hannes aus dem hohen Norden hierher ins hessische Bergland gezogen war. „ Was ist denn nur passiert?“, wollte auch sie sofort voller Sorge wissen und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, voraus in die Küche, wo ihr Mann bereits den Kessel mit Kaffeewasser aufgesetzt hatte.  „ Entschuldigen Sie bitte“, erklärte Hannes die ihm unangenehme Situation, „ aber ich befürchte, hier liegt ein ziemliches Missverständnis vor!“ „ Was meinen Sie damit Herr Doktor?“, fragte Karl Menke verwundert und zog die Holzstühle unter dem Tisch hervor. Mit einer Handbewegung bot er ihnen an, Platz zu nehmen. Hannes rieb sich nachdenklich die Stirn und setzte sich an den Küchentisch. „ Herr Menke“ unterstützte Jochen seinen Freund, „wir haben kein Problem mit unserem Wagen!“ Verdutzt sah der Bauer ihn an. „ Was ist dann passiert?“, wollte er erstaunt wissen. Jochen atmete tief durch. „ Her Menke, haben Sie nicht gegen drei Uhr bei uns angerufen mit der Bitte, so schnell wie möglich zu kommen, weil die Suse unsere Hilfe braucht?“ Der Bauer sah Jochen mit offenem Mund an und schüttelte energisch den Kopf. „ nein, das habe ich nicht. Der Suse geht es bestens.“ Er sah seine Frau hilfesuchend an. Dann wandte er sich wieder an Jochen. „ Herr Matthiesen, Sie haben doch gestern selbst nach ihr gesehen.“ Jochen nickte. „ Ja, das habe ich und darum wunderte uns der Anruf auch sehr, aber…“ „ Also wenn Sie mich fragen“ unterbrach Herr Menke aufgeregt „ da hat sich jemand einen ziemlich schlechten Scherz mit Ihnen erlaubt. Das ist ja ungeheuerlich. Mitten in der Nacht, bei diesem Wetter!“ Frau Menke goss den Kaffee in große Pötte und schüttelte entsetzt den Kopf. „ Kommen Sie Herr Matthiesen“, sagte sie zu Jochen, der noch immer in der Küchentür stand. „ trinken Sie erst einmal einen heißen Schluck Kaffee.“ Jochen setzte sich und Frau Menke schob ihm einen dampfenden Pott zu. Hannes verfolgte die Diskussion nur noch am Rande. Er versuchte, sich noch einmal an das Telefongespräch zu erinnern. Aber so sehr er sich auch bemühte, er blieb benebelt und unklar. Da war immer wieder der eine Satz: „ Die Suse will nicht mehr länger warten und braucht dringend Ihre Hilfe“. Was ging hier vor? Er hatte doch mit ihm telefoniert. Zweifelsfrei hatte ihn das Klingeln des Telefons geweckt. Aber er war nicht aufgestanden, um das Gespräch entgegen zu nehmen. Wieso lag das Telefon griffbereit im Sessel? Er legte es abends doch immer auf das Schränkchen neben dem Kaminofen. Hannes dachte angestrengt nach. Er hatte stundenlang vor dem Kaminfeuer gesessen und an sie gedacht. Er wollte sie anrufen. Zum hundertsten Mal wollte er Lea anrufen.  Aber er hatte es wieder nicht getan. Er hatte das Telefon neben sich in den Sessel gelegt und das Buch gelesen. Dabei musste er eingeschlafen sein und das Klingeln hatte ihn dann geweckt. Ja, er war sich sicher. So konfus er auch war, aber das wusste er genau. Er war von dem Klingeln des Telefons aufgewacht. Hannes hörte noch einen Augenblick dem Gespräch am Küchentisch zu. Die Menkes waren davon überzeugt, dass sich jemand einen üblen Streich erlaubt hatte. Er ließ es dabei bewenden und stand schließlich höflich auf, um sich zu verabschieden. „ Es tut mir sehr leid, dass wir Ihre Nachtruhe unterbrochen haben“, sagte er auf dem Weg zur Haustür. „ Ach was, Herr Dr. Petersen“, antwortete Frau Menke freundlich. „ Wir Nordfriesen müssen schließlich zusammenhalten, so fern ab der Heimat nicht wahr? Und außerdem müssen mein Mann und ich doch ohnehin gleich in den Stall.“ Auf dem Hof dreht Hannes sich noch einmal um und sagte: „ Und zögern Sie nicht uns anzurufen, wenn Suse uns wirklich braucht!“ 

        *************
Fortsetzung folgt!Window nº 10
Lotte - Sweetvalentines Twinkling Star

Kapitel 10

Hannes sah nachdenklich über die Balustrade des Hochsitzes. „ Ja, möglich wäre es schon!“, sagte er zögerlich. „ Aber wenn er irgendwann einmal auf den Menschen sozialisiert worden war, wovon ich mal ausgehe, dann müsste er wirklich schreckliches erlebt haben, um sich tatsächlich ganz von den Menschen abzuwenden.“ Jochen schob den Kragen hoch und kroch noch tiefer in seine Jacke. „ Mal angenommen, es wäre so“, überlegte er, „ und mal angenommen, er hat irgendwo sein festes Revier, wovon ernährt er sich dann aber? Er sah nicht mager aus.“ „ Nein, ganz im Gegenteil“ antwortete Hannes und ließ nebenbei seinen Blick wieder über die Felder wandern. „ Er sah recht gut aus. Ich könnte mir vorstellen, dass er entweder ein guter Jäger ist oder sich seine Nahrung auf irgendeinem Hof sucht. Das würde zwar bedeuten, dass er täglich eine weite Strecke von hier aus zurücklegen müsste, aber naturgemäß wäre das ja…“ Schlagartig brach er seinen Satz ab und stand hektisch auf. „ Dahinten ist er, Jochen!“ Aufgeregt deutete Hannes in die Ferne. Das Erstaunen auf seinem Gesicht zeigte Jochen, dass auch er nicht wirklich an ein Wiedersehen geglaubt hatte. 
„Schnell, wir müssen hier runter. Er läuft direkt in unsere Richtung.“ Hannes kletterte so schnell er konnte die eisglatte Stufenleiter hinunter. „ Kannst du ihn sehen?“, rief er Jochen zu, der noch immer oben stand und das Fernglas auf den herankommenden Hund richtete. „ Ja, da läuft er! Dahinten, Hannes, am Waldrand, er läuft direkt auf dich zu! – Pass auf, dass er sich nicht erschreckt!“ Der Hund lief geradewegs auf die alte Eiche zu, hinter deren Stamm Hannes regungslos verharrte. Als er Hannes erblickte, blieb er schlagartig stehen und bewegte sich keinen Zentimeter mehr weiter. Er begutachtete ihn aus der Ferne. Er hielt seine Nase in den kalten Wind und nahm seine Witterung auf. „ Wir kennen uns schon!“ rief Hannes ihm mit sanfter Stimme entgegen. „ Es gibt also keinen Grund zur Aufregung.“ Hannes bewegte sich langsam auf ihn zu. Die Augen des Hundes verfolgten ihn Schritt für Schritt. Hannes spürte wie sie ihn musterten und kontrollierten. Er griff nach dem Futterbeutel, den Jochen neben dem Stamm abgelegt hatte und holte ein Stück Fleisch heraus. „ Na mein Freund? Wie ist es? Hast du Hunger?“, fragte er über die Entfernung und hielt ihm das Fleisch entgegen. Der Hund legte seine Ohren an, zog den Schwanz tief unter den gekrümmten Rücken und ging ein paar Schritte rückwärts. Hin und wieder krauste er die Nase, um Hannes unmissverständlich klarzumachen, dass er sich notfalls zu wehren wüsste. Hannes  wunderte sich über das Verhalten des Hundes. Ein so drohendes Angstverhalten hatte er letzte Nacht nicht gezeigt. „ Ist ja gut, mein Wolf. Warum bist du denn nur so misstrauisch? – Was haben dir die Menschen angetan?“ Hannes warf ihm das Fleisch hin. Aber der Hund würdigte es keines Blickes. Er leckte sich mit der Zunge immer wieder über die Nase, aber seine Augen fixierten ausschließlich Hannes. Er registrierte jede seiner Bewegungen. „ Du hast Hunger, stimmt’s ?“ Aber du hast auch Angst, in meiner Gegenwart zu fressen. Weil du dann unkonzentriert wärst, -Ja da hast du Recht.“  Hannes sah den Hund mitleidig an. Er nahm das restliche Fleisch aus dem beutel und legte es neben dem Stamm der Eiche. „ Ich werde gehen und du lässt es dir schmecken. Was meinst du? Ist das ein Angebot?“ Hannes drehte sich langsam um und ging zum Hochsitz.“ Denkst du wirklich, dass du das richtige machst?“ rief Jochen, der noch auf dem zugigen Hochsitz stand und bereits vor Kälte bibberte. „ Warum bleibst du nicht in seiner Nähe?“ Hannes stieg die Leiter empor und sah Jochen entschlossen an. „ Weil er Hunger und Angst hat! Schau ihn dir doch mal an, Jochen. Er misstraut allem und jedem. Es gibt niemanden, der für ihn sorgt und niemanden der ihn liebt. Er hat auf dieser Welt keinen einzigen kleinen Platz, der ihm gehört. Er hat nichts, gar nichts. Noch nicht einmal ein warmes Lager, auf dem er sich einmal aufwärmen könnte.“ Jochen nickte und sah Hannes irritiert an. Wieso ließ er sich zu so einem Gefühlsausbruch hinreißen? Ausgerechnet jetzt, in einer so entscheidenden Situation. Wo war sein Sachverstand geblieben? Wieso traf er eine so spontane Entscheidung? Hannes beobachtete den Hund, wie er langsam und immer wieder nervös in alle Richtungen umschauend an das Fleisch heranschlich, um es sich zu holen. „ Er muss langsam Vertrauen fassen“, sagte er. „ Er wird gleich wieder seines Weges ziehen und wir werden ihn gehen lassen müssen. Diesem Hund ein Halsband anzulegen, um ihn an einer Leine hier wegzuführen, ist undenkbar.“ Jochen sah Hannes fragend an und schüttelte insgeheim den Kopf. „Und was heißt das jetzt im Klartext? Willst du ihn etwa allein hier draußen in der Kälte lassen?“ Hannes nickte. „ Vorerst werden wir keine andere Wahl haben. Ich werde Jens fragen müssen, ob er mir erlaubt, einen wettergeschützten Holzunterstand hier aufzustellen. Wenn ja, werde ich täglich Stroh und Futter herbringen. So erreichen wir zumindest erst einmal, dass er hier bleibt und nicht in ein Nachbarrevier umzieht.“ 

                   ***********
Fortsetzung folgt!
Window nº 23
Sam - Sweetvalentines Braveheart

Kapitel 23

Lea war in den großen Ohrenbackensessel, der vor dem Kamin stand, eingeschlafen. Hannes hatte ihn vor vielen Jahren von seinem Freund, dem alten Förster, Erich Bergen, geschenkt bekommen. Er sollte ihn in Ehren halten, so hatte der alte Mann ihn kurz vor seinem Tod gebeten. „ Aber wenn Lea bei dir ist, mein Junge“, hatte er seinerzeit gesagt, „ dann gehört er ihr.“Er hatte sie damals ganz fest an sich gedrückt und ihr liebevoll zugezwinkert. Und Lea hatte gelacht. Hannes legte noch ein Stück Holz nach und zündete die ersten drei Kerzen des Adventskranzes an. In ein paar Tagen war der vierte Advent, dachte er und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie bleiben würde. Wieso nur hatte er sie vor diese Entscheidung gestellt? Wieso hatte er gesagt, dass er nicht mehr auf morgen, aufs Wochenende, auf den Urlaub warten wolle, um zu leben. Lea würde niemals vor einer Verantwortung davonlaufen. Sie konnte ihr Leben in Berlin nicht zurücklassen. Warum war ihm das erst so spät klar geworden? 
Er schenkte sich ein Glas Wein ein und sah sie an. Eingekuschelt in ihre Decke saß sie da. Und Yukon lag zu ihren Füßen. Wahrlich ein Bild des Friedens. Ein Bild der Liebe und Geborgenheit. Ja, das war es, was er empfand bei ihren Anblick. Nichts hatte er sich in den vergangenen Monaten sehnlicher gewünscht. Sie war wieder hier – bei ihm. Alles war gut, endlich wieder gut und so sollte es auch bleiben. Er würde sie nicht mehr gehen lassen, um keinen Preis der Welt. Die leuchtenden Augen des Hundes blinzelten in diesem Augenblick zu ihm, gerade so als ob sie ihm zustimmten. „ Wenn du wüsstest, Yukon, wie vertraut mir dieses Bild ist!“, dachte er und setzte sich leise auf die breite Lehne des alten Ohrenbackensessels. Yukon schien es nicht zu stören. Er hatte den Kopf müde auf seine Pfote gelegt, nachdem er lange erfolglos versucht hatte, dass Halsband, das Lea ihm umgelegt hatte, wieder loszuwerden. „ Nur für den Fall, dass du wieder davon läufst!“, hatte sie gesagt, nachdem sie ihn am Nachmittag in der Praxis versorgt hatte. Hannes stellte sein Glas auf den kleinen Tisch neben dem Sessel ab, auf dem auch das Buch noch immer aufgeschlagen lag, das er in der Nacht, in der er zum Menke-Hof gefahren war, gelesen hatte. 

                     *******
Fortsetzung folgt! 
Window nº 16
Jessy - Sweetvalentines Indigo Girl

Kapitel 16

Leas Blick streifte ungewollt auf das Foto auf der Kommode am Fenster, das sie und Jochen, Arm in Arm, mit zwei befreiten Hunden zeigte. „ Lea, erinnerst du dich daran, dass wir uns einmal versprochen haben, immer auf unseren Weg zu bleiben, egal, was kommt?“ Lea schloss die Augen und nickte wortlos. „ Es geht um ein leben Lea. Um ein Geschöpf Gottes, das du retten kannst.“ Lea atmete tief durch. „ Jochen, wieso meinst du, dass ich eine größere Chance hätte an den Hund heran zu kommen? Mehr als ihr getan habt, kann ich auch nicht tun. Was glaubst du denn?“ „ Lea, niemand von uns kennt sich mit den Verhaltensweisen ängstlicher Hunde besser aus als du. Du hast mit ihnen gearbeitet, jahrelang. Denk mal an Mütze, der damals wochenlang durch die Felder gestreift ist und sich von niemand einfangen ließ. Zu dir ist er gekommen. Bitte, Lea, du musst es wenigstens versuchen.“ Lea rieb sich mit der linken Hand langsam die Schläfen und seufzte. „ Ach Jochen, Mütze war ein Zwergschnauzer. Und es war Sommer. Ich habe damals nächtelang auf dieser Wiese geschlafen, bis ich ihn hatte, und das ist mir auch nur gelungen, weil er nur eine halbe Portion war. Das kannst du doch gar nicht vergleichen.“ 
Gib ihm eine Chance, Lea, bevor Hannes heute Nachmittag Jens darum bittet, mit dem Betäubungsgewehr auszurücken.“ „ Hat er das etwa vor?“, fragte Lea bestürzt. „ Gesagt hat er es nicht, und er hat es an sich auch abgelehnt. Aber da war der Hund auch nicht verletzt. Hannes ist Tierarzt. Irgendwas muss er tun. Und was bleibt ihm noch übrig?“ „ Halt ihn davon zurück, Jochen. Das Risiko wäre…“ „ Heißt das, du kommst?“, fragte Jochen so hastig und mit so viel Hoffnung in der Stimme, dass Lea ihren Satz nicht zu Ende sprach. „ Weißt du eigentlich, Jochen, in was für eine Situation du mich gerade bringst?“, fragte sie. „ Ich war sozusagen schon auf dem Weg zu meiner Familie. In ein paar Tagen ist Weihnachten.“ „ Lea, manchmal passen die Dinge einfach zusammen. Besser kann es gar nicht laufen. Du hast Urlaub und deine Abreise ohnehin vorbereitet, und deine Taschen sind bereits gepackt. Du brauchst sich also nur noch ins Auto zu setzen und herkommen.“
Lea schüttelte verzweifelt den Kopf. Unzählige, unsortierte Überlegungen kreisten sekundenschnell durch ihre Gedanken. Ihr Blick streife wieder die Fotos auf der Kommode. Sie sah Juli, die kleine Beaglehündin, die sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion quer durch die Republik zum Rosenhof gefahren hatte. Daneben das Foto von Rosalie. Sie stand vor dem Schuppen, auf der Suche nach Maya, der Ziege, die immerzu verschwand. Und ganz vorn Hannes mit Flora, seiner geliebten, wunderschönen Stute. Lea spürte, wie sehr sie den Rosenhof vermisste. Aber ein Wiedersehen würde die noch immer nicht vernarbten Wunden nur wieder aufreißen. Alles würde von vorne anfangen. Nein! Sie würde nicht zurückfahren. Auf keinen Fall. Hannes würde es nicht noch einmal durchstehen und sie auch nicht. Sie würde zu ihrer Familie fahren und versuchen, wederüber das Gespräch mit Jochen noch über den Hund, den sie schließlich überhaupt nicht kannte, nachzudenken. – Aber würde sie das tatsächlich können? Würde sie ein Leben vergessen können, das ihre Hilfe gebraucht hätte? – Ach was, sie könnte doch ohnehin nichts tun. Der Gedanke, dass sie an den Hund herankäme, war doch irrwitzig. Sie schüttelte wieder entschlossen den Kopf. Und ihre Augen klebten plötzlich unbeabsichtigt auf einer der Zeitschriften, die sie bereits auf den Stapel zum entsorgen gelegt hatte: „ Wer zu handeln versäumt, ist noch keineswegs frei von Schuld“. Siegfried Lenz mit seinen Sprüchen, hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt. Natürlich ist man nicht frei von Schuld nur weil man wegsieht, rechtfertigte sie sich. Aber es gibt im Leben eben immer wieder Situationen, in denen man das Eine gegen das Andere abwägen muss. Sie starrte auf die Zeilen und konnte sich nicht gegen die frage wehren, die sich ihr unweigerlich aufdrängte. Gibt es denn wirklich etwas, was wichtiger wäre, als ein Leben, das Hilfe brauchte? Selbst wenn die Chance, diesem Leben tatsächlich helfen zu können, nur winzig klein ist. Die Antwort war eindeutig. Nein, es gibt nichts, was wichtiger wäre. Nichts, was bedeutsamer sein könnte. Lea nickte für sich. Sie musste es versuchen. Sie musste sich treu bleiben. Sie durfte den Weg nicht verlassen und die Aufgabe, die auf sie wartete, nicht ablehnen. „ Lea? Was ist? Wirst du kommen?“, fragte Jochen noch einmal voller Hoffnung. „ Entschuldige, Jochen, aber ich brauche einen Augenblick zum Nachdenken. Ja, - ja, ich werde kommen. Kannst du mich im Dorf abholen? Ich werde dich anrufen, wenn ich beim alten Krug angekommen bin. Es wird so ungefähr 13 Uhr werden. Ich werde mir da ein Zimmer nehmen und mein Auto auf dem Parkplatz hinter dem Haus abstellen.“ „ Du willst  nicht zu uns auf den Rosenhof kommen?“, rief Rosalie enttäuscht in den Hörer. Aber Jochen wollte Lea keine Gelegenheit lassen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. „ Geht in Ordnung!“, sagte er umgehend. „ Ich warte ab 13 Uhr auf deinen Anruf.“ 
                ******* 
Fortsetzung folgt!
Window nº 6
Taro - Sweetvalentines Earth, Wind & Fire

Kapitel 6

Hannes nickte. „ Ja, mit dem Hund stimmt irgendetwas nicht. Komm wir gehen zu ihm. Vielleicht ist er verletzt. Möglicherweise steht er unter Schock.“ Entschlossen marschierte er in seine Richtung. Jochen folgte ihm eher zögerlichen Schrittes. „ Hannes!“ rief er ihm hinterher, und seine Stimme kam nur schwer gegen den ohrenbetäubenden Sturm an. „ Er könnte Angst vor dir haben. Wer weiß warum er alleine hier draußen ist. „ Hannes nickte und zeigte mit einer Handbewegung, dass er ihn verstanden hatte. Ein seltsames Gefühl begleitete Hannes auf dem Weg zur Eiche. Er hätte es nicht beschreiben können, aber er konnte es auch nicht leugnen. Je näher er dem Hund kam, desto deutlicher spürte es und desto weniger hätte er es in Worte fassen können. Der Hund beobachtete ihn. Er saß mit aufgestellten Ohren ganz ruhig im Schutz des mächtigen Baumstammes. Er registrierte aufmerksam jede seiner Bewegungen. Aber er zeigte keinerlei Reaktion. Weder in seiner Haltung, noch in seiner Mimik. Hannes ging langsam auf ihn zu. Wenige Meter vor ihm hockte er sich in den Schnee. „ Du siehst ja aus wie ein Wolf“, sagte er leise und bewunderte die imposante Erscheinung. „ Also, um ehrlich zu sein, du machst nicht gerade den Eindruck, als hättest du Angst vor mir. Ich befürchte eher, dass ich Angst vor dir haben könnte.“ Er zog die Schultern andeutungsweise an und nickte dem Hund lächelnd zu. „ Habe ich aber nicht, bilde es dir also erst gar nicht ein.“
Hannes kniete im Schnee und schob sich noch langsam ein paar Zentimeter voran. Der Hund schien auf den ersten Blick keine äußerlichen Verletzungen zu haben. Auch einen Schockzustand schloss Hannes ziemlich sicher aus. Er zeigte weder ein unruhiges hecheln, noch ein Zittern der Gliedmaßen. Ganz im Gegenteil - Er verblüffte eher durch demonstrative Ruhe.
„Ist ja schon ein Ding, dass wir uns hier draußen treffen, nicht wahr? Zu dieser Zeit, an diesem Ort!“, sagte Hannes und spürte etwas merkwürdig Beunruhigendes in sich. Er konnte das ungewöhnliche Verhalten des Hundes überhaupt nicht einschätzen. Wieso saß er da, majestätisch aufgerichtet wie eine Statue? Warum bewegte er sich nicht? Hannes hielt ihm seine Hand entgegen, um ihn neugierig zu machen. Er sprach mit ihm, lockte ihn, wartete und forderte ihn heraus. Aber der Hund verharrte unbeeindruckt in seiner Position. Lediglich seine Augen funkelten Bernsteinfarbig durch die graue Schneeluft und registrierten jede seiner Bewegungen. Hannes schätzte die Entfernung, die noch zwischen ihm und dem Hund lag, auf ungefähr fünf bis sechs Meter. Er musste sich ihm nähern, eine andere Möglichkeit hatte er nicht. „ Was hältst du davon, wenn du mit mir kommst?“ fragte er mit leicht zittriger Stimme und bewegte sich langsam noch einen halben Meter vorwärts. Jetzt wurde der Hund unruhig. Mit einem dumpfen Brummen gab er Hannes zu verstehen, dass er die von ihm geduldete Distanz überschritten hatte. Hannes kniete im Schnee und rührte sich nicht von der Stelle. „ Ist okay, ich bleib wo ich bin!“, redete er beruhigend auf ihn ein. „ Du brauchst keine Angst zu haben.“ Der Hund fixierte ihn, unnachgiebig und starr. Hannes wartete. Diese Nacht war so unwirklich, dass ihn nichts mehr überraschen konnte: In einem der schlimmsten Schneetreiben aller Zeiten, macht er sich auf den Weg zu einem der höchst gelegen Höfe Nordhessens, um letztendlich erfahren zu müssen, dass niemand ihn gerufen hat und kein Mensch ihn erwartet. Auf dem Rückweg bleibt der Jeep stecken, natürlich im Funkloch des Berges, so dass er nicht einmal einen Abschleppdienst rufen kann. Und jetzt hockt er mitten in der Nacht bei sibirischen Wetterverhältnissen in Einsamkeit des Winters vor einem Hund, der eher einer Erscheinung gleicht, als einem real existierenden Lebewesen. 
Hannes schüttelte sich vor Kälte. „ Na was ist?“, fragte er nach einer Weile liebevoll. „ Hast du dich mittlerweile ein bisschen an mich gewöhnt?“ Der Hund starrte Hannes unaufhörlich an. „ Okay, mein schöner Wolf,!“, sagte er und versuchte sich von dem durchdringenden Blick des Tieres nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „ Zufälle gibt es nicht, hab ich Recht?“ Es wird seinen Grund haben warum wir uns getroffen haben.“ Er wickelte behutsam seinen Schal ab, ohne  den Hund dabei aus den Augen zu lassen. „ Wenn du mich nah genug an dich heran lassen würdest, müsste es funktionieren.“ Er robbte sich auf den Knien langsam voran. „ du bist ein außergewöhnlich schöner Hund!“, redete er mit sanfter Stimme auf ihn ein und schob sich Stück für Stück langsam weiter in seine Richtung. „ Aus der Ferne sahst du aus wie ein Wolf.- Gut, dass wir hier keine Wölfe haben, was? Sonst wären wir vielleicht einfach an dir vorbeigelaufen.“ Der Hund wurde nervös. Mit angelegten Ohren und krauser Nase signalisierte er Hannes, dass er den Bogen nicht überspannen sollte. 
„ Keine Angst, mein Guter, ich will dir helfen. Du kannst doch nicht allein hier draußen leben. Was denkst du wohl, warum der liebe Gott hierher geschickt hat? Bestimmt nicht, weil ich eine Schneewanderung machen sollte.“  Er nahm den Schal und versuchte mit seinen blaugefrorenen Händen so gut er konnte eine Schlaufe zu knoten, die er den Hund um den Hals legen wollte, und schob sich noch einmal wenige Zentimeter in seine Richtung. Dabei hatte Hannes den Bogen eindeutig überspannt. Wie vom Blitz getroffen sprang der Hund auf, drehte sich um und verschwand wie ein Pfeil im Dickicht des Fichtenwaldes. Hannes hockte im Schnee, ließ die Hände sinken und sah ihm resigniert nach. „ Komm Hannes, es nutzt nichts!“ rief Jochen,      „ bevor die Sonne nicht aufgegangen ist, finden wir ihn ohnehin nicht wieder. „ Er stand in der Nähe eines abgerissenen Hochsitzes und zeigte auf einen Stapel eingeschneiter, alter Bretter. „ Die müssten reichen, um den Jeep wieder auf die Straße zu befördern. „ Hannes nickte und machte sich gemeinsam mit Jochen auf den Rückweg.   

                   ********
Fortsetzung folgt!
Window nº 8
Sweetvalentines Firewalker- Johnny und Sweetvalentines Enjoy your life - Joy 

Kapitel 8

„ Und aufgewacht bin ich durch das Klingeln des Telefons. Das heißt also, wenn der Menke Bauer behauptet, er habe nicht angerufen, muss jemand anderes angerufen haben! Und die Nummer des nächtlichen Anrufers müsste gespeichert sein.“ Hannes stand auf und ging zum Telefon, das er noch in der Nacht auf das Schränkchen neben dem Ofen gelegt hatte. „ Aber vermutlich wird niemand, der sich einen derart miesen Scherz erlaubt, so dumm sein, seine Nummer freizugeben,“ dachte er und konnte nicht glauben, dass  es in der Gegend überhaupt jemanden geben könnte, der auf so eine hinterhältige Idee kommen würde. Jochen hatte in gewisser Weise Recht. Die Bauern waren froh, dass es ihn gab. Und sie waren sich sehr wohl bewusst, dass sie so schnell keinen Nachfolger für ihn bekämen, wenn er die Gegend verlassen würde. Dementsprechend schätzten und respektierten sie ihn, auch wenn er oft anderer Meinung war wie sie. Sein Ansehen in dieser Region, die Achtung, die man ihm entgegen brachte, hatte er sich mühsam verdient. Und doch hatte er schon oft darüber nachgedacht zu gehen, weg von hier, irgendwohin. Unzählige Male hatte er sich überlegt, hier alles aufzugeben, um gemeinsam mit Lea in Berlin ein neues Leben anzufangen. Eine Kleintierpraxis in der Stadt hätte sein Leben um ein Vielfaches vereinfachen können. Aber es wäre niemals sein Leben geworden! Er gehörte hier her. Dies alles war seine Welt. Seine Pferde und seine Ziegen, seine Wiesen und seine Wälder. Und die vielen Ställe, in denen seine Patienten tagein, tagaus auf ihn warteten. Hannes nahm das Telefon und setzte sich wieder auf das kleine Sofa. Er rief noch einmal die zuletzt eingegangen Anrufe auf. „Das gibt’s doch nicht!“, sagte er überrascht und starrte verwundert auf das Display. Er schüttelte den Kopf, tippte die Taste „Rückgängig“ und begann noch einmal, die Tastenkombination einzugeben. „Das kann doch nicht wahr sein!“, dachte er. „Ich kann doch nicht… um Gottes Willen… das wäre nicht auszudenken.“ Er stand auf und setzte sich an den Tisch. „Wir fahren bei diesem Wetter mitten in der Nacht über den Eppesberg… und ich… oh nein, ich fasse es nicht!“ Er schüttelte den Kopf und stützte sich mit beiden Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Jochen reißt mir den Kopf ab, wenn ich ihm das erzähle.“ Genau in diesem Augenblick schob Jochen mit einem beiläufigen Klopfen die Stubentür auf. „Wann reiße ich dir den Kopf ab?“ fragte er, während er einen Korb mit frisch gebackenem Brot und selbst gemachten Käse auf den Tisch stellte. „Wie es aussieht, hatte Rosalie mal wieder recht. Du hast tatsächlich nichts gefrühstückt!“ Er holte Geschirr und Besteck aus dem Schrank und stellte es vor Hannes auf den Tisch. „Erzähl! Wann reiß ich dir den Kopf ab! Und iss nebenbei was. Die Sprechstunde fängt gleich an.“ Hannes sah Jochen nachdenklich an. Er konnte vor Müdigkeit kaum noch einen klaren Gedanken fassen. „Was ist denn passiert? Nun sag schon!“, wollte Jochen ungeduldig wissen. Hannes schob ihm das Telefon hin, stand auf und ging zum Fenster. „Ich habe die eingegangenen Anrufe der letzten Nacht überprüft.“ Jochen sah ihn erwartungsvoll an. „Sag bloß, du hast die Nummer. Hat sich also doch jemand einen miesen Scherz mit uns erlaubt? Hätt ich nicht gedacht.“ Er drückte gespannt die Tastenkombination und sah auf das Display. „Keine Anrufe? --- Nicht ein einziger Anruf? Das versteh ich jetzt nicht.“ Er sah Hannes aus schmalen Augen an. „Kannst du mir das erklären? Bei mir scheint gerade einer auf der Leitung zu stehen!“ Hannes stand schweigend am Fenster und sah hinaus. 
Und Jochen fing an zu verstehen. Er legte das Telefon aus der Hand und ging energischen Schrittes zum Ofen. Wütend stopfte er altes Zeitungspapier hinein und legte ein paar Scheite Anmachholz nach. „Es ist kalt hier!“, Raunte er durch den Raum und schüttelte unwillig den Kopf. „Das kann ja wohl echt nicht wahr sein!“ Er zündete das Streichholz an und warf es aufgebracht in den Ofen. Sofort flammte das Feuer auf. „Oh Mann, Hannes! Du hast es geträumt, stimmt’s?“ Er atme tief durch, um sich wieder zu beruhigen. „Du hast es wirklich nur geträumt!“ Ich kann es nicht glauben. „Hannes zog die Schulter hoch und sagte mit fast stoischer Ruhe: „Ich weiß es nicht, Jochen. Ich kann mich einfach nicht erinnern. Ich bin gestern Abend in dem Sessel eingeschlafen, und als ich wach wurde, hatte ich das Telefon in der Hand und ich hätte schwören können, dass der Menke Bauer angerufen und mir gesagt hat, dass er dringend Hilfe braucht.“ Jochen legte noch einmal Holz nach und schloss die Ofenklappe. „Also wirklich Hannes, das ist echt filmreif. Wenn du das einem erzählst, das glaubt dir keiner.“ Jochen ging in der Stube auf und ab. „Ganz ehrlich Hannes, so geht das mit dir nicht weiter! Du drehst doch so langsam aber sicher durch. Du musst endlich wieder zur Ruhe kommen. Fahr irgendwo hin, mach Urlaub oder sonst irgendwas. Aber bring dein Leben wieder ins Lot!“ Hannes stand noch immer gelassen und ruhig am Fenster und sah hinaus. Er hatte Jochens Reaktion erwartet. Ihm war völlig klar, wie impulsiv er reagieren würde. Er verschränkte die Arme und beobachtete Juli, die aufgeregt wedelnd einer Fuchsspur durch den tiefen Schnee folgte. „Jochen!“, sagte er friedlich, „erinnerst du dich noch daran, was Lea damals gesagt hat, nachdem Juli dich im Schuppen gefunden hatte?“ Jochen nickte. Aber er verstand beim besten Willen nicht, was das damit zu tun haben könnte. „Ja, natürlich“, antwortete er und schien sich noch immer nicht sonderlich beruhigt zu haben. „Sie war der Meinung, dass unsere Geschichte nicht vom Zufall geschrieben worden war, sondern der liebe Gott seine Finger im Spiel hatte.“ Hannes nickte. „Jochen, ich kann dir nicht erklären, was heute Nacht passiert ist, ich verstehe es ja selbst nicht. Aber es gibt zwischen Himmel und Erde nun einmal mehr, als wir in der Lage sind zu verstehen. „Er sah Jochen einen Moment lang nachdenklich an. Dann sagte er leise: „Was wäre aus dem Hund auf dem Eppesberg geworden, wenn wir gar nichts von ihm gewusst hätten? Und wir hätten nichts von ihm gewusst, wenn wir nicht zum Menke - Hof gefahren wären.“ Jochen stellte sich neben Hannes ans Fenster. Schweigen sahen sie gemeinsam über die weißen Felder des Rosenhofes.

                     ********
Fortsetzung folgt!Window nº 20
Sky - Sweetvalentines Milk & Honey

Kapitel 20

„Lea! Da bist du ja endlich!“, rief Jochen aufgeregt, als er aus dem Haus kam und den Kombi neben dem Holzschuppen entdeckte. Er lief ihr erleichtert entgegen und umarmte sie. „Wo warst du denn nur so lange? Wir waren so in Sorge um dich.“ „Entschuldige, Jochen“, sagte sie und zeigte hinüber zu ihrem Wage. „Aber du wirst nicht glauben, was ich für eine Überraschung mitgebracht habe.“ „Meine Güte, Lea!“, sagte Jochen aufgeregt, ohne ihr zugehört zu haben. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen?“ Er strahlte über sein ganzes Gesicht. „Rosalie ist noch im Stall bei den Ziegen. Sei nicht böse. Aber ich musste ihr versprechen, dass ich ihr sofort Bescheid sage, wenn du da bist. Warte eine Sekunde, ja, Lea? Ich bin sofort zurück!“, rief er ruhelos, während er bereits davoneilte und hinter dem Haus verschwand. Lea ging zum Auto zurück und sah durch die Heckscheibe. Yukon war auf der Fahrt tatsächlich eingeschlafen. Und er schlief noch immer tief und fest. Sie öffnete die Ladeklappe und legte ihm eine Decke über. Er ließ es sich gern gefallen. „Schlaf dich aus, mein Schöner!“, flüsterte sie und ließ die Heckklappe leise ins Schloss fallen. Sie lief ein paar Schritte über den Hof. Ungewollt erinnerte sie sich an den Tag, an dem sie den Rosenhof verlassen hatte. Es war im Frühjahr. Die Rapsfelder hatten bereits geblüht und die ganze Umgebung in einen unverwechselbaren Duft getaucht. Rosalie hatte damals weinend am Tor gestanden. „Du kommst doch wieder, nicht wahr?“, hatte sie Lea zum Abschied gefragt, und sie hatte genickt um es Rosalie nicht noch schwerer zu machen. Lea drehte sich um und sah hinüber zu dem idyllischen kleinen Fachwerkhäuschen am Rande des Rosenhofes. Es war viele Jahre lang ihr Zuhause gewesen. Sie spürte, wie die Wehmut schwer auf ihr lastete. Was würde Hannes wohl sagen, wenn sie plötzlich vor ihm stünde? Sie müsste ihm umgehend erklären, dass sie gar nicht vorgehabt hatte, hier her zu kommen, dass sie im alten Krug hatte übernachten wollen, dass der aber gerade umgebaut würde. Sie würde ihm sagen, dass sie… „Lea?“ unterbrach plötzlich seine vertraute Stimme ihre Überlegungen. „Lea! Bist du wirklich hier, oder träume ich schon wieder?“, fragte er leise. Lea hielt den Atem an. Ihre Hände fingen an zu zittern, und der Boden schien sich unter ihren Füßen aufzulösen. Sie drehte sich langsam zu ihm um. Und sie hatte das Gefühl, die Zeit würde für einen Moment lang still stehen. Alle Gedanken waren wie ausgelöscht. Nichts von dem, was sie hatte sagen wollen, war noch gegenwärtig. Alle Erklärungen lösten sich auf in einem Wirbel aus Schwindel und Herzklopfen. Zögerlich ging sie auf ihn zu. Nach Monaten der Sehnsucht standen sie sich wieder gegenüber. Sie sahen sich an und reichten sich die Hände. Wortlos und auffallend lange. Genau wie damals, als sie sich zum ersten Mal hier auf dem Rosenhof begegnet waren. „Wie heißen sie?“, fragte Hannes, genau, wie der es damals gefragt hatte, und wie damals sah Lea ihn an und lächelte. „Lea, - Lea Bennrig!“, Antwortete sie und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. „Jetzt müsste eigentlich Rosalie mit dem Kräutertee kommen oder?“, Fragte er und wischte ihr liebevoll die Tränen von der Wange. Lea nickte. Auch sie konnte sich noch gut an jede Einzelheit ihrer allerersten Begegnung erinnern. „Wieso bist du hier?“, fragte er sie, nachdem sie sich einen Moment lang schweigend gegenüber gestanden hatten. „Ich dachte, du könntest vielleicht Hilfe brauchen!“, Schaffte sie es endlich, den ersten Satz heraus zu bringen. Hannes sah sie fragend an. „Jochen hat mich angerufen!“, erklärte sie. „Er hat mir von dem Hund auf dem Eppesberg erzählt, und dass er verschwunden ist und…!“ „Du bist also seinetwegen gekommen?“, unterbrach er sie und konnte die Enttäuschung in seiner Stimme nicht verbergen. „Du wirst ihn nicht kriegen. Er ist anders. Ich kann es nicht beschreiben. Aber er hat kein normales Angstverhalten. Er hat überhaupt kein normales Verhalten. Er ist absolut nicht einschätzbar.“ Hannes stand vor ihr und sah sie mit seinen himmelblauen Augen an. Seine blonden Haare waren zerzaust, und unter dem weißen Kittel lugte wie immer eine seiner abgetragenen Jeans hervor. Lea hätte ihn in diesem Moment am liebsten ganz fest umarmt und ihn nie wieder losgelassen. Stattdessen bemühte sie sich, beim Thema zu bleiben. „Hannes, ich würde dir gerne etwas zeigen!“, sagte sie nervös, da ihr das Herz bis zum Hals schlug, und deutete auf ihren alten Kombi, der hinter dem Holzschuppen stand. „Ich bin über den Eppesberg gekommen und… Naja, wie soll ich dir das jetzt in einem Satz erklären? Er saß da, als hätte er auf mich gewartet.“ Hannes zog die Stirn in Falten. „Wer saß da, als hätte er auf dich gewartet?“, fragte er. Genau in diesem Moment kamen Jochen und Rosalie über den Hof gelaufen. „Lea, wie hab ich dich vermisst!“, rief Rosalie mit Freudentränen in den Augen und drückte sie so fest, dass ihr fast die Luft ausblieb. „Lea! Wer saß da, als hätte er auf dich gewartet?“, fragte Hannes noch einmal, unbeeindruckt von Rosalies Begrüßungszeremonie. „Du willst mir doch jetzt nicht sagen… Nein. Das willst du nicht!“ Er zögerte einen Augenblick und musterte ihr Gesicht. „Du willst es doch sagen! Ja? --- Nein! Das ist ja ganz unmöglich.“
Jochen und Rosalie sahen sich schweigend an. Lea zog die Schultern hoch und zeigte hinüber zu ihrem Wagen. „Er liegt auf meiner Ladefläche und schläft!“ Hannes fuhr sich mit den Händen durch die ohnehin schon zerzausten Haare und schüttelte verwirrt den Kopf. „Das ist unmöglich, Lea. Das ist völlig unmöglich. Das kann nicht sein.“ „Doch Hannes! Es ist so. Yukon liegt auf meiner Ladefläche, und er hat eine ziemlich schlimme Verletzung an seinem Hinterlauf. Wenn du willst, bring ich ihn in die Praxis, damit du sie dir ansehen kannst.“ Hannes sah Lea ungläubig an. „Sag mal, Lea, reden wir hier überhaupt von dem selben Hund? Der Hund, den ich meine, den kann man sich nicht mal eben in der Praxis ansehen, und der heißt auch nicht Yukon. Der heißt einfach nur Wolf, weil er nämlich aussieht wie einer, und weil er niemanden in seine Nähe lässt.“ Lea musste lachen. „Er heißt einfach nur Wolf, ja?“ „Ja, er heißt einfach nur Wolf!“, wiederholte er und fügte in einem Atemzug schmunzelnd hinzu. „Und ich habe dich wahnsinnig vermisst.“ Er nahm sie in den Arm und hielt sie einen Moment lang ganz fest. Dann drehte er sich um und ging zur Praxis. „Jochen!“, rief er entschlossen, „komm! Lea bringt Yukon hinein.“ Auf dem Weg zur Praxis drehte er sich noch einmal zu Lea um. „Wie lange bleibst du?“, fragte er. Und sie antwortete: „Nur bis morgen früh.“
                    *** 
Fortsetzung folgt!
Window nº 25
Der Weihnachtshund

 <iframe width="560" height="315" src="//www.youtube.com/embed/E4yr7cTCaf0" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>Window nº 13
Basti-Sweetvalentines Ebony & Ivory 

Kapitel 13

Jochen stand ein kleines Stückchen abseits und musste trotz der Anspannung ein wenig schmunzeln. Hannes hatte das Talent, sich stundenlang mit einem Hund oder einem Pferd oder einer Ziege unterhalten zu können, um sich auf diese Weise dem jeweiligen Tier vertraut zu machen. Es klappte auch immer hervorragend. Nur der Wolf wollte sich offensichtlich nicht auf ein > Gespräch< einlassen. Hannes griff in die Tasche und holte ein weiteres Stück Fleisch hervor. Er hielt es dem Hund mit seiner linken Hand entgegen. „ Schau mal, das habe ich dir heute mitgebracht. Willst du es nicht doch mal von mir nehmen? Immerhin haben wir uns zwei lange Tage nicht gesehen.“ Es lagen nur noch etwa vier Meter zwischen ihnen. Hannes hatte es geschafft, den gewohnten Radius zu überschreiten, ohne dass der Wolf ihm auswich. Er brachte sich vorsichtig in eine Position, aus der er dem Hund weiterhin mit der einen Hand das Futter entgegen halten konnte und ihm mit der anderen sicher die Schlaufe über den Kopf hätte ziehen können. Wolf hob die Nase, so als würde er sich von dem gutriechenden Fleisch überzeugen lassen wollen. Hannes saß hochkonzentriert und bis zum Äußersten angespannt im Schnee. Er hielt die Schlaufe fest in der rechten Hand. „ Immerhin bist du hierher zurückgekehrt. Also findest du uns doch gar nicht so über!“, redete er weiter auf den Hund ein, um dessen Aufmerksamkeit auf seine Stimme zu lenken. Er musste noch ein Stück näher an ihn heran. Aus dieser Entfernung wäre er treffsicher genug gewesen. Aber Wolf wurde bereits unruhig. Wie weit würde er ihn heranlassen? Nie zuvor hatte er diese Nähe akzeptiert. Hannes wusste, dass er die Toleranzgrenze des Hundes längst überschritten hatte.
„ Alles ist gut, Wolf. Wir können dich hier draußen nicht länger lassen. Vertrau mir! Es wird alles gut werden.“ Hannes nahm zum ersten Mal Blickkontakt zu ihm auf. Zum allerersten Mal erwiderte er den unablässigen und durchdringenden Blick des Hundes. Seine Augen schienen ihn zu durchbohren, aber er konzentrierte sich entschlossen auf das Fangtau, das fest in seiner rechten Hand lag und auf seinen Einsatz wartete. Er musste die noch zwischen ihm und dem Hund liegende Entfernung mit einem überraschenden, absolut sicheren Sprung überbrücken und gleichzeitig zielgenau die Schlaufe über den Kopf des Tieres werfen. Wenn er falsch ansetzte, hatte er seine Chance vertan. Ein zweites Mal würde er ihn nicht so nah an sich heranlassen. Es musste also klappen. Es durfte nicht schiefgehen. 
Jochen hockte mucksmäuschenstill in einiger Entfernung im Schnee und beobachtete die Situation. Die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, obwohl der kalte Wind immer noch messerscharf über das Feld wehte. Jetzt kam es darauf an. Hannes durfte keinen Fehler machen. Der Hund schob sich sitzend wenige Zentimeter zurück. Hannes wartete. Ihre Augen ließen keine Sekunde  voneinander ab. Wie zwei Gegner, die sich im Kampf gegenüberstehen und nur auf einen Fehler des anderen warten, saßen sie da. Aber Hammes wusste, dass er dieses Spiel nur verlieren konnte, wenn es sich zu sehr in die Länge zog. Er konzentrierte sich, spannte seine Muskeln an und warf sich mit einem einzigen, gezielten Satz dem Hund entgegen. Die Fangschlaufe fiel gekonnt über den Kopf des Hundes. Aber er wehrte sich mit einer unerwarteten Kraft. Er zog seinen Kopf mit einem kraftvollen Ruck zurück und stützte sich mit seinem gesamten Gewicht gegen Hannes. Der verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Der Hund sprang zur Seite und riss Hannes das Tauende aus der Hand. Er drehte sich um und verschwand mitsamt dem Fangtau um seinen Hals  im dichten Unterholz des Waldes. 
Hannes lag erschöpft im Schnee. Damit hatte er seine wahrscheinlich erste und letzte Chance vertan. Wieso nur hatte er das Tau losgelassen? Er hatte ihn doch schon fest in der Schlinge. Vorsichtig stand er auf. Sein Rücken schmerzte. Er war mit der Wucht von mindestens vierzig Kilo unsanft umgehauen worden und er hatte Mühe, sich wieder aufzurichten. „ Hannes, ist alles in Ordnung mit dir?“, rief Jochen und kam aufgeregt angelaufen. „ Was ist los?“, fragte er noch einmal besorgt, weil Hannes ihm nicht antwortete, sondern erschrocken auf den Boden starrte. „ Schau dir das mal an Jochen!“, sagte er leise. „ Darum saß er heute die ganze Zeit so bewegungslos da.“ Jochen entdeckte einen erschreckend großen Blutfleck im Schnee, genau an der Stelle, an der Wolf die ganze Zeit über gesessen hatte. Er folgte der Spur bis zum Wald. „ Er hat überall Blut verloren!“, rief er Hannes zu. „ Die Verletzung muss am Lauf oder an der Pfote sein. Das Blut ist nicht an der Schneeoberfläche. Es ist immer eingetreten in den Laufspuren.“ Hannes starrte noch immer geschockt auf den mit Blut durchtränkten Schnee. „ Darum war er vermutlich auch zwei Tage nicht hier“, grübelte er und schüttelte den Kopf. „ Darf alles nicht wahr sein.- und ich lass mir auch noch das Tauende aus der Hand reißen.“ Jochen sammelte den Jutesack und den Futterbeutel ein, holte Hannes‘ Handschuhe aus dem Unterstand, reichte sie Ihm wortlos und musterte noch einmal die Blutspur. „Hannes, wir brauchen jetzt eine Lösung. Er ist verletzt und wir haben noch nicht einmal die leiseste Ahnung, um was für eine Verletzung es sich handelt. Wir haben keine Zeit mehr, auf irgendwas zu warten“, sagte Jochen eindringlich. „Wenn es eine Schusswunde ist, muss es behandelt werden.“ Hannes zog resigniert die Schultern hoch. Und nachdem er sich vergewissert hatte, dass er der Spur des Hundes durch das unüberwindbare Dickicht des Waldes nicht folgen konnte, machten sie sich schweigend auf den Weg zur Straße. Erst als sie beim Jeep angekommen waren, hielt Jochen seinen Freund am Arm fest und sah inständig an. „Du musst sie jetzt anrufen. Wenn überhaupt irgendwer zu diesem Hund Zugang bekommt, dann nur sie.“ Hannes sah Jochen erschöpft an. Er stieg in den Wagen, steckte den Zündschlüssel ins Schloss und starrte auf das Lenkrad. „Hannes!“, versuchte Jochen noch einmal an dessen Vernunft zu appellieren, Während er noch immer an der geöffneten Fahrertüre stand. „Lea hat jahrelang mit ängstlichen Hunden gearbeitet und du weißt genauso gut wie ich, dass sie in einer ähnlichen Situation schon einmal einen Hund vor dem Abschuss bewahrte. Sie könnte es schaffen. Hannes! Der Hund ist verletzt. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren!“ Hannes startete den Motor und bat Jochen einzusteigen. Ohne ein einziges Wort fuhren sie zurück zum Rosenhof. 

                   *******
Fortsetzung folgt!
Window nº 4
Emma- Sweetvalentines born to be alive 

Kapitel 4

„Versuch es jetzt mal! „ rief Hannes, der seit einer halben Stunde kniehoch im Schnee stand und sich nach Kräften bemühte, mit einem Klappspaten die Räder des Jeeps freizuschaufeln. Mühsam kämpfte er gegen den eisigen Wind an, der unaufhaltsam über das freie Feld peitschte und immer wieder neue Schneeschübe heran trug. Seine Hände waren trotz der dicken Handschuhe steif gefroren und Bart und Augenbrauen waren mit einer dicken Schicht Raureif überzogen. 
„ Was ist, soll ich dich nicht mal ablösen? „ hatte Jochen ihn zwischendurch immer wieder gefragt. Aber Hannes hatte jedes Mal entschlossen den Kopf geschüttelt. Er hatte das Bild nie vergessen, dass sich ihm im letzten Jahr kurz vor Weihnachten geboten hatte: wie Juli, Jochens kleine Hündin, die wie von Sinnen an der Schuppentüre gekratzt hatte und wie Jochen dort bewusstlos gelegen hatte, das Gesicht grau und fahl, mit angstvoll aufgerissenen Augen. „ Nein, Jochen denk an dein Herz“, hatte er ihn immer wieder erinnern müssen. „ Das ist zu anstrengend für dich. „
Hannes klopfte an die Scheibe. „ Wir müssen ihn wenigstens mit dem Heck auf den befestigten Boden kriegen. Das müsste reichen!“ Jochen startete den Motor und gab ganz langsam Gas. „ Los komm alter Junge, streng dich mal ein bisschen an!“ redete er dem Jeep gut zu. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Hannes atmete erleichtert durch. Aber nur einen halben Meter vor dem befestigten Untergrund rutschte er seitlich aus der mühselig gegrabenen Spur und sofort hatten sich alle vier Räder wieder tief in den Schnee gearbeitet. 
Jochen stieg aus. „ Das hat keinen Sinn“, sagte er bestimmend.“ Wir müssen uns Stöcke und Äste besorgen und unter die Räder schieben, damit sie greifen können.“  Hannes sah sich entmutigt um. „ Und wo willst du die finden, wenn ich mal fragen darf?“ Jochen zeigte zu einem kleinen Waldstück hinüber. „ Das sind mindestens hundert Meter querfeldein durch den hohen Schnee. Und ob wir da unter der dicken Schneedecke irgendwelche Äste ausmachen werden, ist noch eine andere Frage“, gab Hannes erschöpft zu bedenken. "Hast du eine bessere Idee?“, fragte Jochen und marschierte mit dem Mut der Verzweiflung zielstrebig voraus. Der Weg über das freie Feld war mühsam. Schneeverwehungen hatten sich überall auf dem Feld meterhoch wie Bergketten aneinander gereiht. Und der heftige Sturm drückte mit seiner ganzen Kraft gegen ihre Körper. Schweigend stapften sie hintereinander her. 

                      *******
Fortsetzung folgt!
Window nº 7
Sally - Sweetvalentines Black Sensation

Kapitel 7

Rosalie hatte frisches Brot gebacken und den Frühstückstisch bereits gedeckt, als Hannes und Jochen durchgefroren ins Haus kamen. „ Meine Güte, wie seht ihr den aus?“, fragte sie besorgt und begrüßte Jochen mit einer herzlichen Umarmung. „ Wir haben vergeblich versucht, einen Hund einzufangen!“, sagte er niedergeschlagen und ging zum Ofen um sich aufzuwärmen. Rosalie sah Hannes fragend an. „ Ist eine lange Geschichte, Rosalie! Lass sie dir von Jochen erzählen. Ich bin nur kurz mitgekommen um kurz nach Juli zu sehen. Soll ich ihr die letzte Injektion noch geben, oder ist sie wieder in Ordnung?“ Rosalie nickte. „ Ja, ich denke sie ist wieder in Ordnung. Sie hat die ganze Nacht durchgeschlafen. Du hattest recht. Sie hat sich lediglich den Magen verdorben, diese kleine Fressnase.“ „ Gut dann lass sie schlafen! Und wenn noch was ist, weißt du ja, wo du mich findest.“ Er drehte sich um und verließ die Diele. „ Aber willst du nicht erst mal frühstücken, bevor du….?“, rief Rosalie noch hinter ihm her, aber er hatte die Tür bereits von außen zugezogen.
Müde und erschöpft ging Hannes über den Hof und sah über die tief verschneiten, weiten Wiesen. „ was für eine Nacht!!!“, dachte er für sich und dankte Gott, dass er seine schützende Hand über sie gehalten hatte. Er schloss seine Haustüre auf, ging in die Stube und ließ sich erschöpft auf das kleine Sofa fallen. Er fühlte eine bleierne Müdigkeit und hoffte inständig, dass seine Patienten an diesem Montag ein Nachsehen mit ihm haben würden. Durch die kleinen Fenster fielen die ersten, morgendlichen Sonnenstrahlen. „ Na wenigstens schneit es nicht mehr“, dachte erleichtert. „ Aber die Schneeketten werde ich trotzdem anlegen, bevor ich wieder hochfahre. Ich muss ihn finden. Da geht kein Weg dran vorbei.“ Er legte seinen Kopf zurück auf die Lehne und ließ seinen Blick müde durch die vorweihnachtlich geschmückte Stube wandern. Rosalie hatte alles genauso hergerichtet, wie Lea es immer gemacht hatte. Auf dem alten Holztisch stand wie jedes Jahr zu Weihnachtszeit ein großer, selbst gebundener Adventskranz, auf den Fensterbrettern lagen Nüsse, Äpfel und Tannenzweige und vor den kleinen Fensterscheiben hingen wieder die selbstgebastelten Strohsterne. Alles sah genauso aus wie in den vergangenen Jahren. Aber nichts von all dem hatte noch wirklich Bedeutung für ihn.
Hannes dachte noch einmal an den Abend zuvor: Er hatte sich in den alten Ohrensesel gesetzt. Daran erinnerte er sich klar und deutlich. Er hatte stundenlang an Lea gedacht und sich ganz bewusst auf seine Sehnsucht eingelassen. Und er hatte die Widmung in dem Buch gelesen, das sie ihm im letzten Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. „(…) Nun soll das Christkind über dich wachen, Hannes und dir immer einen Engel an deine Seite stellen, wenn du seine Hilfe und aufrichtige Kraft am meisten brauchst(…) „
Er hatte diesen Satz unzählige Male gelesen. Immer wieder hatte er diese Worte in sich aufgenommen. „ Und dann muss ich eingeschlafen sein!“ stellte er für sich fest. 

                 ***********
Fortsetzung folgt!Window nº 3
Lilly (Sweetvalentines Country Lady )

Kapitel 3

Im Schritttempo kroch der Jeep durch die frostige Nacht den Eppesberg wieder hinunter. Der Schneefall hatte nachgelassen. Aber der starke Wind jagte noch immer mit eisiger Kraft über die freien Felder und peitschte den Neuschnee wie Puderzucker kreuz und quer durch die Luft.
Hannes hielt das Lenkrad fest in seinen Händen. Die Scheibenwischer arbeiteten auf höchster Stufe. Die Windschutzscheibe fror von innen genauso schnell wieder zu, wie Jochen sie frei kratzen konnte. 
Angespannt saßen sie nebeneinander und sprachen kein einziges Wort. Sie hatten die Bergkuppe längst hinter sich gelassen, als Jochen ganz unerwartet das bedrückende Schweigen brach. 
„ Hannes, die Leute hier in dieser Gegend mögen ihre eigene Art haben und du weißt, dass ich nur selten ihrer Meinung bin. Aber das macht hier niemand. Sie sind alle froh, dass sie dich haben! Und sie schätzen dich. Keiner schickt dich zum Spaß durch dieses Wetter.“
Hannes dachte darüber nach und war eine einzige Sekunde abgelenkt. Genau in diesem Augenblick erfasste eine Böe den Jeep. Er geriet aus der Spur und Hannes versuchte instinktiv, gegenzusteuern. Aber er verlor die Gewalt über den Wagen. Das Heck brach aus und der Jeep drehte sich um seine eigene Achse. Unkontrolliert rutschte er mit der rechten hinteren Seite in eine Schneeverwehung.   Hannes und Jochen saßen einen Moment lang ganz still da. Der Schreck  war ihnen spürbar in die Glieder gefahren. Jochen atmete tief durch, um die innerliche Anspannung zu lösen. Dann wischte er sich mit der Hand über die Stirn. „ Prima, dass musste jetzt auch noch passieren!“, stammelte er leise vor sich hin. Er nahm das Handy  aus der Tasche und prüfte den Empfang. „ Nichts!- das können wir vergessen.- Und was machen wir jetzt? Hier ist weit und breit kein Hof in der Nähe. Der nächste liegt mindestens acht Kilometer weit querfeldein.“ 
Hannes antwortete nicht. Er legte den Rückwärtsgang ein und versuchte, den Wagen wieder auf die Straße zu bringen. Aber die Räder drehten trotz Allradantrieb durch. Der Jeep bewegte sich keinen Zentimeter. Lediglich das aufheulende Geräusch der durchdrehenden Reifen war zu hören. Jochen sah Hannes verzweifelt an „ Wir müssen versuchen uns frei zu graben!“ sagte er. „ Wir haben keine Alternative.“Hannes ließ das Lenkrad los und drehte den Zündschlüssel herum. Der Motor verstummte. Er lehnte sich zurück und starrte gegen das Eis an der Windschutzscheibe. 


                   *******

Fortsetzung folgt!Window nº 18
Sunny - Sweetvalentines Indian Spirit

Kapitel 18

Die einzige Verbindung zwischen dem Dorf und dem Rosenhof war eine schmale Straße, die vom Dorf zunächst wieder hinunter ins Tal führte, um sich dann in zahlreichen Kurven über die Bergkuppe des Eppesberges zu schlängeln. Lea hatte alle Hände voll zu tun, um den alten Kombi auf der eingefahrenen, spiegelglatten Schneedecke in der Spur zu halten. Sie versuchte, sich auf das Fahren zu konzentrieren, ertappte sich aber immer wieder dabei, nicht wirklich bei der Sache zu sein, da sie das Foto des Hundes noch immer vor sich sah. „Er sieht wieder aus wie ein Wolf!“, dachte sie und blickte dem Ausgang ihrer Aufgabe eher skeptisch entgegen. „Was soll das bringen?“, hatte ihre Mutter sie am Morgen gefragt, als sie ihr erklärt hatte, warum sie erst ein oder zwei Tage später kommen würde. „Glaubst du wirklich, so ein verwilderter Hund kommt auf dich zugelaufen, als hätte er ausgerechnet auf dich gewartet?“ Lea nickte für sich. „Wahrscheinlich hat sie recht“, dachte sie und hielt das Lenkrad fest in ihren Händen. 
Die ohnehin nur einspurige Straße schien ihr mit jedem Meter, den der Kombi sich vorwärts schleppte, durch die vom Räumdienst seitlich aufgetürmten Schneemassen noch schmaler zu werden, und sie hoffte inständig, hier oben keinen Gegenverkehr zu haben. Angespannt saß sie hinter dem Lenkrad und versuchte, jedes Rutschen durch ein Gegenlenken aufzufangen. Ihr standen die Schweißperlen auf der Stirn, und sie spürte plötzlich ein entsetzliches Pochen in ihrem Kopf. „Kopfschmerzen! Die haben mir jetzt gerade noch gefehlt!“, Sagte sie leise und hatte im gleichen Augenblick das Gefühl, dass sich neben dem Auto auf dem eingeschneiten Feld etwas bewegt hatte. „Bitte jetzt nicht auch noch ein Reh, das mir gleich vor den Wagen läuft!“, dachte sie, traute sich aber nicht, ihren Blick von der Straße zu lassen. Sie schaltete einen Gang herunter und versuchte zu bremsen. Der Wagen reagierte nur schwerfällig. Er glitt wie ein Schlitten noch mehrere Meter langsam seitwärts weiter, bis er mit dem vorderen rechten Kotflügel von den aufgeschütteten Schneemassen am Rand der schmalen Straße mit einem leichten Ruck gestoppt wurde. Lea wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und sah sich um. Sie seufzte erschöpft. Weit und breit war nichts zu sehen, was sich neben dem Wagen hätte bewegt haben können. Sie fühlte sich müde von der langen Fahrt und führte ihre Sinnestäuschung auf das massive Pochen in ihrem Kopf zurück. „Ich muss wirklich absolut verrückt sein!“, dachte sie und schüttelte den Kopf. „Was mach ich hier nur? Das Ganze ist doch eine völlig irrsinnige Aktion.“ Sie stieg aus und ging um den Wagen herum. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass dieser keinen erwähnenswerten Schaden abbekommen hatte, öffnete sie die Heckklappe der Ladefläche, um die Thermoskanne mit dem Kaffee aus einer der Taschen zu nehmen. Aber noch ehe sie die Ladeklappe wieder losgelassen hatte, hörte sie hinter sich leise Schritte im verharschten Schnee. Sie blieb ganz ruhig stehen, die Hand noch immer an der geöffneten Ladeklappe. Sie spürte, dass sich etwas auf sie zu bewegte. Zögernd ließ sie die Klappe los und drehte sich langsam um. „Das gibt’s doch nicht!“, flüsterte sie fassungslos.
 
                 ********
Fortsetzung folgt!
Window nº 22
Merle - Sweetvalentines Midnight blue und Amy- Sweetvalentines with Amy in love

Kapitel 22

Aber wenn er mich nicht näher an sich heran lässt, werde ich das wohl kaum genauer feststellen können. „Lea spürte, wie eine bleierne Müdigkeit über sie hereinbrach. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. In ihrem Kopf fing es wieder an, entsetzlich zu pochen, und vor ihren Augen bewegten sich in regelmäßigen Abständen weiße und schwarze Schatten hin und her. Yukon stand neben ihr und leckte ihre Hand, beinahe so, als hätte er gespürt, dass sie am Ende ihrer Kraft war. Sie sah zu ihm herunter und lächelte. „Darf ich mir deine Wunde denn mal ansehen?“, fragte sie und hockte sich zu ihm. Langsam strich sich mit ihrer Hand über seine Hüfte bis hinunter zum Lauf und hob das buschige, dichte Fell über der Wunde vorsichtig an, so dass die gesamte Wundfläche sichtbar war. „Die Wunde sieht eigentlich ziemlich sauber aus!“, sagte Lea. „Die Haare sind zwar rund herum blutverklebt, aber Schmutz ist kaum zu sehen.“ „Wie groß ist die Wundfläche insgesamt?“, fragte Hannes. Und Lea schätzte sie auf ca. 3 Quadratzentimeter. Hannes nickte, während er mit verschränkten Armen noch immer nachdenklich auf der Schreibtischkante saß. „Der Schnee hat die Wunde wahrscheinlich sauber gehalten. Aber die blutverklebten Haare sind auch ein ziemlich guter Nährboden für Bakterien. Gereinigt werden sollte sie auf jeden Fall. Mehr kann man ohnehin nichtmehr machen. Die Wunde ist zu alt. Sie muss von allein heilen. Außerdem sehe ich da auch keine Hautfetzen mehr, die ich noch zusammennähen könnte, oder?“ Lea schüttelte den Kopf. „Nein, die Wundränder sind rund herum glatt, fast wie abgeschnitten!“ Hannes nickte. „Lea, sieh mal, ob er sich von dir die hintere Pfote anheben lässt. Mich würde interessieren, ob er an den Zehen noch eine Verletzung hat.“ 
Yukon sah Lea vertrauensvoll an und ließ es geschehen. Sie entdeckte tatsächlich eine tiefe Schnittwunde, die sich durch den Ballen der rechten Pfote zog und zwei der Zehen durchschnitt. „ Es sieht sogar so aus, als hätte er sich die Spitzen von den beiden Zehenballen abgeschnitten.“ Jochen zog die Stirn in Falten und sah Hannes fragend an. „ Das Blut!“, erklärte Hannes seine Vorahnung. „ Da war zu viel Blut im Schnee. Es konnte nicht allein von der Verletzung am Bein sein. Die sit zu alt, als dass sie gestern noch so stark hätte bluten können.“ Jochen zog die Augenbrauen hoch und seufzte. „ Prima, dann haben wir jetzt wenigstens eine >Fast-Diagnose<. Ich frage mich nur, wie er sich das alles zugezogen hat. Und vor allem, wer es jetzt behandeln soll?“ Hannes zog eine Schublade auf und nahm einen schwarzen Nylonmaulkorb heraus. „ Lea, ich befürchte, du wirst die Wundreinigung und den Pfotenverband machen müssen“, sagte er.Lea nickte und streichelte Yukon liebevoll über den Kopf. „ Den Maulkorb brauchen wir nicht. Er wird mir nichts tun, da bin ich sicher.“ Hannes schüttelte entschieden den Kopf und wollte gerade vehement Einspruch erheben, als sich die Eingangstür einen Spalt breit leise öffnete. „ Ich muss ihn mir einfach ansehen“, sagte Rosalie und steckte ihren Kopf in das Behandlungszimmer. „ Schließlich gibt es seit Zwei Wochen auf dem Rosenhof kein anderes Thema mehr. „ Sie schob die Tür auf und betrat den Raum. Yukon stand angespannt da und starrte sie an.  Und Rosalie freute sich, ihn endlich kennen zu lernen. Sie bewunderte sein Aussehen und war fasziniert von seiner imposanten Erscheinung. Dass er ihretwegen nervös und unruhig geworden war, spürte sie in aller Begeisterung nicht. „ Rosalie!“,sagte Hannes. „ Würdest du bitte mal ganz vorsichtig versuchen, dich Yukon zu nähern?“ Rosalie sah Hannes fragend an. „ Ja, gern, wenn es möglich ist“, sagte sie überrascht. Sie hockte sich hin und bewegte sich dem Hund langsam und freundlich entgegen. Yukon sprang drohend zurück. Er drängte sich in die hinterste Ecke des Behandlungszimmers und zog seine Nase in tiefe Falten. Das Fangtau hatte er Lea mit einem Ruck aus der Hand gerissen. Rosalie wich erschrocken zurück. Und Hannes sah Lea nachdrücklich an und nickte ihr wortlos zu. Yukon schien offensichtlich nicht nur ein Problem mit Männern zu haben. Das hatte er ihr soeben anschaulich bewiesen. Lea drehte sich um und versuchte Yukon zu beruhigen. Wieso nur verhielt er sich ihr gegenüber nicht genauso abweisend? Warum vertraute er gerade ihr? 
Sie dachte an ihre Mutter.“ Glaubst du wirklich, so ein verwilderter Hund kommt auf dich zugelaufen, als hätte er ausgerechnet auf dich gewartet?“, hatte sie noch am Morgen gefragt. Lea nickte für sich und nahm sich fest vor, ihr diese Frage in den nächsten Tagen mit einem eindeutigen >Ja< zu beantworten. 
                        ******   
Fortsetzung folgt!Window nº 5
Candy - Sweetvalentines Candy Girl

Kapitel 5

Hannes hing müde und erschöpft seinen Gedanken nach. Es war viel Zeit vergangen, seitdem er Lea gesagt hatte, dass er nicht mehr in einer Warteschleife leben möchte. Er hatte ihr erklärt, dass er nicht mehr warten wollte, auf morgen, aufs Wochenende, auf den Urlaub. Dass er das gemeinsame Leben nicht mehr durch auf wenige Wochen im Jahr beschränken möchte. Er hatte ihr gesagt, dass er sein Leben nicht länger im warten sein möchte, dass er nach all den Jahren endlich zusammen mit ihr im heute leben wolle, im Hier und Jetzt. Traurig ließ er den Blick zum Himmel wandern und betrachtete den zunehmenden Mond, dessen Licht im Schnee glitzernd reflektierte und der Nacht einen geheimnisvollen Schimmer gab. Und er wünschte sich, selbst hier draußen in dieser eisigen Nacht, in dieser verfahrenen Situation, nichts sehnlicher, als sie wieder zu sehen.
Jochens anfängliches Tempo hatte nachgelassen. Er lief mittlerweile ein paar Schritte hinter Hannes. „ Vielleicht sollte ich sie anrufen“, dachte er für sich, weil er Hannes gesenkten Blick sehr wohl deuten konnte und ihm der Kummer seines besten Freundes äußerst nahe ging. „ Vielleicht sollte ich ihr erzählen. Wie sehr er leidet, und wie sehr der Schmerz der Trennung ihn verändert hat.“ Jochen überlegte, wie viele Jahre die beiden eigentlich zusammen gewesen waren. Es mussten weit über zehn Jahre sein. „ Die müssen beide verrückt sein“, stellte er für sich fest. „ Nur weil der eine nicht hier und der andere nicht dort leben kann, lösen sie so eine Lebensliebe in ihre Bestandteile auf. Sie hätten alles so lassen sollen wie es war.“ Jochen hatte sich tief in seinen Gedanken verloren. Als Hannes auf einmal aufgeregt die Stille brach und erschrocken stehen blieb. „ Jochen halt mal einen Augenblick inne und schau mal da vorn! Siehst du die alte alleinstehende Eiche? Ganz rechts, knapp vor der Fichtenschonung? Wir laufen direkt darauf zu.“ 
Jochen hielt an und suchte den nahen Horizont nach einem alleinstehenden Baum ab. „Ja seh ich, was ist mit der…? „ Er brach seine Frage ab, da ihm augenblicklich die Worte im Hals stecken blieben. „ Ach, du lieber Himmel, Hannes!“ sagte er erschrocken und rieb sich den vom Sturm herangetragenen feinen Schnee aus seinen Augen. „ Das gibt’s doch nicht!“ Hannes schauderte es vor Kälte. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in die Ferne. „ Wie kommt der mitten in der Nacht bei diesem Wetter hierher?“ fragte er nachdenklich. „ Hier ist doch weit und breit kein Hof in der Nähe.“ Jochen zog die Schultern hoch. „ Findest du nicht, dass er sich eigenartig verhält?,“ fragte er und hielt sich die Hände schützend über die Augen. „ Er sitzt da wie eine Statue, mitten im Schneesturm.“

                  *********

Fortsetzung folgt!Window nº 12
Jule - Sweetvalentines little Darling

Kapitel 12

Mit einem unguten Gefühl machten sich Hannes und Jochen auch am dritten Adventssonntag wieder auf den Weg zum Eppesberg. Zwei Tage lang war der Wolf nicht erschienen. Es gab nirgendwo auch nur die geringsten Anzeichen dafür, dass er sich noch in der Nähe aufhielt. Nirgendwo ließen sich Spuren im Neuschnee ausmachen, auch das Futter lag unangetastet da. „Ich habe einen Fehler gemacht!“, sagte Hannes, während er schweren Herzens gemeinsam mit Jochen über das Feld stapfte. „ Ich hätte ihm vielleicht doch ein Betäubungsmittel unter das Futter mischen sollen.“ Jochen schüttelte den Kopf. „ Nein Hannes. Auf keinen Fall. Das wäre viel zu riskant gewesen. Du kennst weder sein Gewicht noch seine Konstitution. Du hättest die Dosis schätzen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er trotz des Betäubungsmittels noch hätte flüchten können, wäre zu groß gewesen.“ Hannes wusste, dass Jochen recht hatte. Trotzdem machte er sich Vorwürfe, zu lange abgewartet und überhaupt die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Jens hatte ihm schon vor über einer Woche angeboten, das Betäubungsgewehr einzusetzen. Rigoros hatte er es abgelehnt.     „Worauf willst du eigentlich noch warten?“, hatte Jens ihn gefragt. Er hatte ihm darauf keine Antwort gegeben. So lief er seit zwei Wochen bei sibirischer Kälte jeden Nachmittag über dieses eingeschneite Feld, mit dem Erfolg,  dass der Hund seit zwei Tagen verschwunden war, und ihm dessen weiteres Schicksal vermutlich den Rest seines eigenen Lebens unbekannt bleiben würde. „ Weißt du, Jochen“, sagte Hannes bedrückt, als die alte Eiche bereits hinter dem Wäldchen sichtbar wurde. „ Ich hatte gehofft, dass wir ihn spätestens Weihnachten bei uns haben würden. Ich will gar nicht darüber nachdenken, dass er in der heiligen Nacht noch immer irgendwo einsam und allein durch die Kälte streift.“ Jochen nickte. „ Noch geben wir nicht auf!“, sagte er, um ihn zu trösten, glaubte aber insgeheim selbst nicht mehr dran den Hund jemals wiederzusehen.
„Nein du hast Recht!“, meinte Hannes ganz plötzlich voller Freude. „ Noch geben wir nicht auf!“ Jochen drehte sich verwundert zu ihm um. Der plötzliche Stimmungswandel seines Freundes überraschte ihn. Er strahlte über das ganze Gesicht. „ Schau mal Jochen, wer da ist!“, sagte er und zeigte in die Nähe der alten Eiche. „ Wolf ist wieder zuhause!“ Jochen traute seinen Augen nicht. Da saß dieser imposante Hund entgegen aller Erwartung nach zwei langen Tagen der Ungewissheit wieder unter der alten Eiche, genau an der Stelle, an der er in der Nacht saß, als sie ihn das erste Mal gesehen hatten. 
„ Und sieh dir das an“, sagte Jochen erleichtert und lachte, „ Er beobachte dich schon wieder mit seinen Argusaugen.“ Sie nahmen das Futteraus dem Rucksack und liefen der alten Eiche entschlossen entgegen. „ Sieh mal, was wir dir mitgebracht haben!“, rief Jochen schon aus der Entfernung und warf ein Stück des Fleisches in seine Nähe. Aber wie gehabt beachtete er das Fleisch in ihrer Gegenwart nicht. Hannes zog das in einem Sack mitgebrachte Stroh in einem weiten Radius an dem Hund vorbei in den Unterstand. „ Sag mal, wo warst du denn nur zwei Tage lang?“, fragte er, so als würde er tatsächlich mit einer Antwort rechnen können. Und während er sich in dem Unterstand zu schaffen machte, spürte er wieder diese hellen bernsteinfarbenen Augen, die nicht von ihm abließen. „ Was hast du bloß erlebt, dass du so gar nichts mit uns zu tun haben willst“, fragte er leise und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, um möglichst unbemerkt den Strick mit der vorbereiteten Fangschlaufe aus dem Rucksack ziehen zu können. „ Jochen ich muss es noch einmal versuchen. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich habe schon viel zu lange gewartet. Er wird sein Verhalten nicht ändern! Nicht in absehbarer Zeit.“ Jochen nickte nervös. Endlich kam Hannes zur Besinnung. Es konnte nicht ewig so weiter gehen. Das Verhalten des Hundes war einfach nicht einzuordnen. Man konnte nicht sagen, ob er nun Angst hatte, oder ob er nie auf Menschen worden sozialisiert war, oder was auch immer sein merkwürdiges Verhalten ausmachte. Sicher war nur, dass er sich ihnen nicht freiwillig anschließen würde. „ Bist du davon gelaufen, weil sie dich bestraft haben für etwas, wofür du nichts konntest?“, fing Hannes an, mit dem Wolf zu reden. „ Oder bist du auf und davon, weil du kein Kettenleben führen wolltest? Wie auch immer sie hatten keinen Respekt vor deinen Gefühlen nicht wahr?“ Hannes robbte vorsichtig Zentimeter für Zentimeter in seine Richtung. „ Aber sag mal, fühlst du dich hier draußen nicht furchtbar einsam? Du hast hier doch keine Freunde. Und ehrlich gesagt, stelle ich mir ein Leben bei diesen Temperaturen auch nicht sehr gemütlich vor.“ 

                      *****   
Fortsetzung folgt!
Window nº 9
Marla - Sweetvalentines Night & Day 

Kapitel 9

Es war ein heller und sonniger, aber extrem kalter Wintertag. Die Forstwege auf dem Eppesberg waren wegen der starken Schneefälle der letzten Woche für Fahrzeuge aller Art gesperrt worden, sodass das Wäldchen, in das sich der Hund in der Nacht zurückgezogen hatte, auch am Tage nur zu Fuß erreichbar war. Hannes und Jochen fanden bereits nach kurzer Suche ihre nachts im Schnee hinterlassene Fußspur und folgten ihr. „ Auf die Idee, ein Fernglas mitzunehmen, wäre ich wohl gar nicht gekommen“, sagte Jochen, während er es vorsichtig aus dem Rucksack nahm und noch einmal prüfte, ob er den Futterbeutel mit gekochtem Fleisch eingesteckt hatte. „ Ich bin mir auch nicht sicher, ob es uns wirklich weiterhelfen wird“, antwortete Hannes.“ Jens schlug vor, es mitzunehmen, als ich vorhin im Forsthaus anrief und ihm von dem Hund erzählte. Er meinte, es könne uns nützlich werden, wenn wir von den umliegenden Hochsitzen aus nach ihm suchen müssten.“ 
Da Hannes mit dem für die Region zuständigen Förster, Jens Thorwald, befreundet war, konnte er sich seiner Unterstützung sicher sein. „ Du kannst dir nur wünschen, dass der Hund ein festes Revier bezogen hat und nicht weiter umher gewandert ist“, hatte Jens gesagt. „ Die Jagdpächter in meiner Region werde ich umgehend darüber informieren, dass der Hund unter meinem Schutz steht und nicht abgeschossen werden darf. Sie werden sich an meine Anweisung halten.“  „ und was ist wenn er weiter gewandert ist? Was ist, wenn er durch die angrenzenden Reviere läuft?“, hatte Hannes erschrocken nachgefragt, da er die Jägerschaft dieser Gegend kannte und sich durchaus vorstellen konnte, dass sich jeder einzelne von ihnen mit dem Abschuss eines wildernden Hundes rühmen würde. Jens hatte ihm eindeutig zu verstehen gegeben, dass er da nicht viel machen könne. Aber Hannes wollte sich damit nicht zufrieden geben und hatte ihn eindringlich gebeten, es doch wenigstens zu versuchen. „ Ich werde die Forstverwaltungen in der Nachbarschaft per Fax benachrichtigen und darum bitten, dass sie ebenfalls entsprechende Mitteilungen an die Jagdpächter ausgeben“, hatte er schließlich zugestanden. „ Ob sie es aber machen, kann ich dir nicht versprechen. Du weißt selbst, wie die meisten meiner Kollegen hier sind.“ 
Hannes und Jochen waren ungefähr fünf Minuten ihrer nächtlichen Spur gefolgt, als sie die alte Eiche, die sich hinter den hohen Fichten versteckte, sehen konnten. Von dem Hund aber war bis zum Horizont nirgendwo ein Lebenszeichen zu erkennen. „ Er ist hier oben bisher noch niemandem aufgefallen, weder Jens, Waldarbeiter noch den Jagdpächtern“, sagte Hannes nachdenklich. Jochen nickte. „ Das muss nicht unweigerlich heißen, dass er..!“ „ Jochen! Sieh mal!“, unterbrach Hannes ihn aufgeregt und zeigte in die entgegengesetzte Richtung. „ Da hinten bewegt sich irgendwas!“
Jochen nahm das Fernglas und suchte eilig das Feld ab. „ Ja, zwei Rehe!“, antwortete er enttäuscht. „ In diese Richtung brauchen wir schon mal nicht mehr marschieren!“, schlussfolgerte er, da die beiden Tiere seelenruhig umher wanderten und sich keineswegs durch den Geruch des Hundes beunruhigt zeigten.“ Wir sollten uns sowieso erst mal auf das Wäldchen konzentrieren“, schlug Hannes vor und zog sich den dicken Wollschal weit ins Gesicht, da der eisige Ostwind seit der Nacht kaum nachgelassen hatte und noch immer über das freie Feld fegte. „ Wenn er wirklich noch hier oben ist, wird er sich vermutlich in den Schutz des Waldes zurückgezogen haben.“ 
Der Weg erwies sich noch mühsamer als in der Nacht. Der Schnee war mittlerweile durch die eisigen Temperaturen extrem verharscht, sodass das Laufen noch beschwerlicher geworden war. Jochen nahm immer wieder das Fernglas in die Hand und suchte die weiten Felder nach dem silbergrauen Hund ab. Aber nichts deutete auf dessen Anwesenheit hin.
„Mal ehrlich, Hannes, was denkst du wirklich? Wird er sich überhaupt noch hier oben aufhalten? Oder ist er längst über alle Berge?“, fragte Jochen, als sie die alte Eiche erreicht hatten. Hannes zog die Schultern hoch. „ Ich weiß es nicht. Aber ich habe so ein Gefühl, als würden wir ihn finden. Lass uns doch tatsächlich mal von da oben Ausschau halten!“, schlug er vor und zeigte auf einen nahe gelegenen Hochsitz. Jochen nickte und nahm den schweren Futterbeutel aus dem Rucksack.“ Das Gewicht muss ja nicht unbedingt mit da hoch!“, sagte er für sich und legte die Stofftasche neben der Eiche ab. „ Hörst du das?“. Fragte Hannes und meinte die dumpfen Schüsse, die aus der Ferne zu ihnen herüber schallten. „ Die Jäger frönen wieder ihrer Leidenschaft. Ich will gar nicht daran denken, dass unser Wolf durch fremde Reviere streifen könnte.“ Jochen blickte sorgenvoll in die Ferne. „ Wie kann ein Mensch nur Lust am töten haben?“ und sah noch einmal zu den Rehen hinüber, für die das weitentfernte Schussgeräusch offenbar noch keine Gefahr bedeutete. Hannes drehte sich zu Jochen um und sah ihn an. Er zog sich die Mütze tief ins Gesicht und sagte traurig: „ Lea hätte dir jetzt wohl geantwortet: Weil der Mensch keinen Respekt vor andrem Leben hat.“ Jochen nickte wortlos und klopfte ihm tröstend auf die Schulter. Dann stiegen sie gemeinsam auf den vereisten Hochsitz.“ Ich hätte nicht gedacht, dass man von hier oben so eine tolle Übersicht hat“, stellte Jochen fest, während er ohne Unterlass die Felder und den angrenzenden Waldrand mit dem Fernglas absuchte. „  Denkst du, dass es möglich ist, dass ein Hund hier draußen bei diesen Witterungsverhältnissen allein überleben kann?“, fragte er und legte den Feldstecher für einen Moment zur Seite. „ Ich meine, könnte es nicht sein, dass er sich vielleicht sogar von den Menschen zurückgezogen hat?“

                   **********
Fortsetzung folgt!
Window nº 21
Timmy- Sweetvalentines black baron 

Kapitel 21

Yukons Rute klopfte zaghaft auf die Ladefläche, als Lea die Heckklappe öffnete. Seine Ohre waren wieder leicht zurückgelegt, und er signalisierte ihr nichts als Freundlichkeit. „Na, mein Freund, kommst du mit hinein?“, fragte Lea und hielt ihm ihre Hand entgegen. Er leckte schüchtern ihre Finger. „Was bist denn du für ein zärtlicher Riese?“, sagte sie und streichelte ihm liebevoll über den Kopf. Er genoss die Streicheleinheit sichtlich und drückte sich sanft in Leas Hand. „Du bist mir wirklich ein Rätsel!“, meinte sie und klopft sich auffordernd ans Bein. „Komm, ich helfe dir. Springen wirst du wohl mit dem Bein nicht so gut können.“ Sie hatte es noch nicht ausgesprochen, da stand Yukon schon neben dem Wagen. „Du kannst es also doch!“, sagte sie betont. „Na, dann kann die Verletzung auch nicht ganz so schlimm sein. „Sie lächelte und klopfte ihm zärtlich die Schulter. Dann nahm sie das herunterhängende Ende des Fangtaus und führte ihn hinüber zur Praxis. Yukon lief neben Lea her, als wären sie schon vom ersten Tag seines Lebens an ein eingespieltes Team. Er sah zu ihr hoch, orientierte sich an ihr und an ihrem Tempo und machte genau das, was Lea von ihm erwartete. Es war, als würde er ihre Gedanken lesen können. Lea durchzog ein merkwürdiges Gefühl. Sie hätte es niemanden erklären könne. Nicht einmal sich selbst. Aber dieser Hund war wirklich anders. Auch seine Augen hatten eine andere, eine besondere Ausstrahlung, so intensiv, so durchdringend und leuchtend. Und sein silbergraues Fell fühlte sich auffallend dicht und weich an, und obwohl es doch von niemandem gepflegt worden war, war es sauber und glänzend. Lea öffnete die Eingangstür zur Praxis. „Darf ich vorstellen? Yukon – Wolf vom Eppesberg.“ Hannes stand da wie festgewachsen. „ Er ist es wirklich!“, sagte er und starrte Lea fassungslos an. Jochen verhielt sich ganz still und beobachtete eine Situation, von der er nicht glauben konnte, dass sie sich wirklich ereignete. Seit über zwei Wochen waren sie nun tagein, tagaus auf den Eppesberg gefahren, um genau diesen Hund einzufangen. Und was immer sie auch versucht hatten, er hatte sich nicht darauf eingelassen. Er hatte sie noch nicht einmal in seine unmittelbare Nähe gelassen. Und jetzt stand er seelenruhig neben Lea und schau vertrauensvoll zu ihr auf. Hannes atmete tief durch und konzentrierte seinen Blick auf den Hinterlauf des Hundes. „Denkst du, er wird mich da ran lassen?“, fragte er Lea unsicher. „Warum denn nicht?“, antwortete sie und klopfte Yukon liebevoll die Schulter. „Er ist doch ein ganz lieber Kerl!“ Hannes nickte skeptisch und ging langsam um den Tisch herum. „Gut, dann werde ich es versuchen,“ sagte er und bat Lea das Fangtau sicherheitshalber fest in der Hand zu behalten. Aber noch ehe er den ersten Blick auf die Wunde werfen konnte, zog Yukon bereits die Nase in Falten und drohte ihm unmissverständlich, nicht einen Schritt näher zu kommen. Hannes blieb sofort stehen. „Soll das heißen, die Geschichte geht weiter?“, seufzte er. Lea sah Yukon für einen Augenblick erschrocken an. Aber sie verteidigte sein Verhalten umgehend mit einer plausiblen Erklärung. „Das gibt es doch oft!“, sagte sie. „Das ist überhaupt nichts Außergewöhnliches! Er hat wahrscheinlich mit Männern schlechte Erfahrungen gemacht, so dass er mit ihnen einfach nichts mehr zu tun haben möchte. Ihr hättet vielleicht Rosalie mal mit auf den Eppesberg nehmen sollen. Sein Verhältnis zu Frauen scheint ja offensichtlich besser zu sein.“ Hannes sah sie schweigend an. Er hatte Yukon auf dem Eppesberg erlebt. Er war sich 100% sicher, dass dieser Hund bisher kein gewöhnliches Verhalten gezeigt hatte. Er war kein ängstlicher Hund. Und er war auch kein ängstlich-aggressiver Hund. Viel zu Stolz und erhaben hatte er in der ersten Nacht neben dem Stamm der alten Eiche gesessen. Hoch erhobenen Kopfes hatte er darauf gewartet, dass er sich ihm näherte. Nicht ein einziges Mal hatte er in dieser Nacht seinen Blick abgewendet. Hannes beobachtete Yukon, wie der seinen Kopf an Leas Bein drückte. Und er erinnerte sich an das zweite Zusammentreffen auf dem Eppesberg. An diesem Tag hatte Yukon ein Angstverhalten wie aus dem Lehrbuch gezeigt. Geduckte Haltung, die Ohren angelegt, den Schwanz bis tief unter den Rücken gezogen. „Und gestern?“, dachte er für sich und sah ihn aus schmalen Augen an, „Gestern hast du mich dann wieder stolz und erhobenen Hauptes empfangen.“ In seinem Kopf reihten sich viele verschiedene unerklärliche Gedankengänge aneinander. Es kam ihm plötzlich vor, als hätte dieser Hund ihn die ganze Zeit über zu einem Spiel herausgefordert. Und er hatte sich auf dieses Spiel eingelassen. Gegen jede Vernunft hatte er sich auf Yukons Spielregeln eingelassen. Hannes warf noch einmal einen Blick auf seine Verletzung. Im Schnee war ein großer tiefroter Blutfleck zu sehen gewesen, und Yukon hatte eine Blutspur bis zum Dickicht des Waldes hinterlassen. Die Wunde an seinem Bein konnte nicht so stark geblutet haben. „Hannes!“, riss Jochen ihn aus seinen Gedanken. „Was machen wir denn jetzt? Du musst ihn doch behandeln. Wir wissen ja nicht einmal, was er für eine Verletzung hat.“ Hannes setzte sich grübelnd auf die Schreibtischkante. „Eine Schussverletzung ist es definitiv nicht. Das kann ich auch von hier sicher ausschließen. Es sieht eher nach einem massiven Abriss der Haut aus. Vielleicht war er in eine Falle geraten. 

                 ********   
Fortsetzung folgt!      
 Window nº 19
Majlo - Sweetvalentines Nightshadow

Kapitel 19

„Das ist er! Das ist der Hund von dem Foto!“ Lea hielt den Atem an und traute ihren Augen nicht, als der Hund jetzt langsam aber unbeirrbar direkt auf sie zu kam. Er hinkte, seinen rechten Hinterlauf setzte er nicht auf. Dem Blick der bernsteinfarbenen Augen fest auf ihr Gesicht geheftet, näherte er sich ihr – Schritt für Schritt, Zentimeter für Zentimeter. Wie hypnotisiert sah Lea dem Hund entgegen, der auf geheimnisvolle Weise ihren Blick eingefangen und festgehalten hatte. Sie stand da und wartete. Er sah genauso aus wie auf dem Foto. Stolz und groß, mit funkelnden Augen und silbergrauem, dichten Fell. Wenige Meter hinter ihrem Wagen blieb er stehn. „Du siehst ja wirklich aus wie ein Wolf!“, stammelte sie leise mit bebender Stimme und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Sie musste sich fangen, Ihre Fassung wieder gewinnen. Unsicherheit war jetzt genau das, was sie nicht brauchen konnte. Aber die Situation hatte sie überrannt. Sie musste nachdenken. Sie wusste überhaupt nicht was sie tun sollte. Sie drehte sich wieder zur Ladefläche ihres alten Kombis und kramte hektisch in der Tasche nach ihrem Handy. „Ich muss Jochen anrufen. OP hin oder her. Er muss sofort kommen.“ Sie sah auf das Display und stellte fest, dass sie ausgerechnet im Funkloch des Eppesberges angehalten hatte.  Lea spürte, wie die Augen des Hundes jede ihrer Bewegungen registrierten. Unzählige Überlegungen fegten durch ihren Kopf: Wieso kam er ihr so nah? Und wieso lief er überhaupt hier her zur Straße? Er hatte sich doch bis jetzt nur im Dickicht des Waldes aufgehalten. Seine Verletzung schien nicht mehr zu bluten. Im Schnee jedenfalls war keine Spur zu sehen. Oder hatte sie nur nicht darauf geachtet? Aber eine Verletzung musste er offensichtlich haben. Er humpelte stark. Lea schob die vielen Fragen in ihrem Kopf beiseite. Sie musste sich konzentrieren. Nervös suchte sie in einer ihrer Taschen nach einem mit Käse belegtem Brot, „Oh man, Lea“, ermahnte sie sich selbst, „Was ist nur mit dir los? Mach endlich was!“ Sie drehte sich zu ihm um und hockte sich ohne seine Anwesenheit zu beachten, in den Schnee. Aufmerksam und völlig gelassen saß er da und musterte sie. „Weißt du eigentlich, dass ich nur deinetwegen aus Berlin hier her gekommen bin?“, fragte sie und bemühte sich, entspannt zu wirklich, was ihr allerdings nicht wirklich gelang. „Du sollst ein ziemlich verrückter Hund sein, einer, der selbst nicht so genau weiß, ob er nun Angst hat oder nicht.“ Sie sah ihn an und bemerkte, wie er ihr aufmerksam zuhörte. Seine Ohren bewegten sich vor und zurück, und nichts deutete auf ein nur annähernd ängstliches oder gar aggressives Verhalten hin. „Naja, jedenfalls sagt man, du würdest niemand in deine Nähe lassen!“ Sie schätzte die Entfernung, die zwischen ihnen lag, auf nicht mehr als 3 Meter und meinte lächelnd: „Stimmt wohl auch nicht so ganz, was?“ Sie packte das Brot aus und hielt es ihm hin.“ Na komm, hol dir ein Stück!“, sagte sie sanft und spürte, dass ihre Stimme noch immer ein wenig flatterte. Der Hund hob seine Nase, zeigte aber kein wirkliches Interesse. „Na gut, wenn du nicht möchtest, wirst du satt sein.“ Lea stand langsam auf. Sie legte das Brot auf die Kante der Ladefläche und setzte sich daneben. Der Hund verfolgte genau, was sie tat. Wenn sie ihn ansah, legte er die Ohren leicht zurück, und seine buschige Rute bewegte sich freundlich im Schnee hin und her. Lea begutachtete das Fangtau, das er um seinen Hals trug. Wie nah würde er sie an sich heran lassen? Wie würde er reagieren, wenn sie einfach auf ihn zugehen würde? Würde er fliehen oder in die Offensive gehen? Sie schob die Reisetaschen hinter sich vorsorglich zur Seite. Wieso stellte sie sich diese Fragen überhaupt? Bisher hatte er sich doch zugänglich und freundlich gezeigt. Sie dachte an Rosalies Erzählungen und an Jochen, der verzweifelt um ihre Hilfe gebeten hatte. Sie durfte sich jetzt nicht von dieser Geschichte beeinflussen lassen. Nur der eigene Eindruck zählte. Und dieser Hund zeigte ihr gegenüber bisher ein völlig normal sozialisiertes und freundliches Verhalten. Ob sie das nun verstehen konnte oder nicht. Sie stand auf und ging langsam auf den Hund zu. „Komm her, mein schöner Wolf!“, sagte sie, als sie unmittelbar neben ihm stand. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht allein hier bleiben willst, oder?“ Sie hockte sich zu ihm hinunter und griff ganz ruhig nach dem Ende des um seinen Hals hängenden Taus. Der Hund mit den bernsteinfarbenen Augen leistete keinerlei Widerstand. Er stand auf und ließ sich bereitwillig zum Auto führen. Sie half ihm auf die Ladefläche und begutachtete die Verletzung an seinem Hinterlauf. Ein Teil des Felles und der Haut fehlte. „Das sieht ja schlimm aus!“, meinte sie leise für sich, und die Vorstellung, welchen Schmerz er ausgehalten haben musste, ließ sie erschaudern. Lea sah ihn an und lächelte. „Jetzt brauchst du nur noch einen Namen, mein schöner Wolf. Wie wär‘s mit Yukon? Würde ausgezeichnet zu dir passen“, sagte sie und strich ihm liebevoll eine ganze Weile mit der Hand über den Rücken. Dann schloss sie vorsichtig die Heckklappe und starrte vor sich in den Schnee. „Was haben die mir denn nur für eine Geschichte erzählt?“, fragte sie sich und schüttelte verwirrt den Kopf. Sie warf noch einmal einen Blick durch die Heckscheibe auf die Ladefläche. Yukon saß seelenruhig da. Sein Blick wanderte über die weiten Felder, an deren Horizont sich eine alte Eiche hinter einem kleinen Fichtenwäldchen versteckte.
 
              *****
Fortsetzung foglt!  
Window nº 24
 Luna & Shadow die Eltern der Sweeties

Kapitel 24

Die Zeilen ihrer handgeschriebenen Widmung darin, waren deutlich in seinem Kopf.
„(…) Nun soll das Christkind über dich wachen, Hannes und dir immer einen Engel an deine Seite stellen, wenn du seine Hilfe und seine aufrichtige Kraft am meisten brauchst. (…)“ 
Mit einem sehnsüchtigen Lächeln auf dem Gesicht sah er Lea an. Dieser Tag hatte viel von ihr verlangt. Er zog die Decke bis nah an ihren Hals und streichelte mit seinen Fingern zärtlich über ihre Wange. „ Weißt du, Lea?“, flüsterte er, „ ich glaube, das Schwierige im Leben ist, dass man die Wunden mit sich herumträgt, dass man versucht, neue Gefühle darüber zu legen, ein neues Konzept darüber zu stülpen. Und dass sich der Schmerz aufeinanderschichtet – und dass man eine wirkliche Liebe nie ganz los wird.“ Yukon hob den Kopf und sah Hannes an. Seine bernsteinfarbenen Augen glänzten im Licht der Kerzen. Sie hatten auf einmal einen ganz anderen Ausdruck. Sie strahlten so etwas wie Hoffnung und Zuversicht aus. Wieder waren sie sich auf eine ganz eigene Art, ganz nah und eng miteinander verbunden. Hannes spürte wieder dieses seltsame Gefühl, dieses merkwürdige, nicht greifbare Empfinden, das er nicht beschreiben, nicht in Worte hätte fassen können. Genau wie in  jener Nacht auf dem Eppesberg, als er ihn das erste Mal gesehen hatte. Ein Frösteln durchzog seinen Körper. Und dieses nicht Definierbare in ihm wurde stärker und intensiver. Er erlebte es wie in den Blick in eine andere Welt. Wie ein Geschenk des Himmels, das das Greifbare seines Alltages sprengte und sein Herz öffnete, um eine andere, unsichtbare Wirklichkeit wahrzunehmen. Eine unüberschaubare Zahl an Bildern aus längst vergangen Zeiten zog an ihm vorbei. Da war Lea mit der kleinen Melodie. Er hielt sie beide im Arm. An Leas Wangen liefen Tränen. Er tröstete sie. Sie war noch so jung gewesen und er hatte sich unsterblich in sie verliebt. Dann am Tag ihres Abschieds, lag da ihr Brief auf seinen Schreibtisch, den er schon tausend Mal gelesen hatte und immer noch aufbewahrte. Wie dumm er doch war sie gehen zu lassen. 
„ Hannes, wenn du einem anderen Herzen so nah kommst, dass du das Gefühl hast, eure Seelen würden einander berühren, dann darfst du dir sicher sein, dass ein Engel seine Finger im Spiel hat, und du für immer mit dieser Seele verbunden sein wirst.“
Hannes sah Yukon gedankenverloren an. „ Woher kommst du, mein Freund?“, fragte er ihn und mochte nicht glauben, was er sich da einredete. Yukon legte die Ohren an, und seine Rute klopfte auf den Holzfußboden. Lea öffnete die Augen und schob die Decke ein wenig zur Seite. „ Ich wollte dich nicht aufwecken. Entschuldige!“ Er sah sie einen Augenblick lang nachdenklich an. Dann fragte er leise: „ Lea, wie sehen eigentlich Engel aus?“ Verwundert und mit einem leichten schmunzeln auf den Lippen, entgegnete sie ihm: „ Du, willst wissen wie Engel aussehen?“ Hannes nickte wortlos. Lea kroch wieder tief unter ihre Decke „ Ach Hannes, das kann man nicht pauschal sagen. Engel sind Boten Gottes. Sie sind für uns Menschen normalerweise überhaupt nicht sichtbar, deshalb weiß niemand genau wie sie aussehen. Ich glaube aber, dass Engel gerade in der Form, in unserem Leben erscheinen, in der wir sie am wenigsten als Engel wahrnehmen würden.“ Sie hielt inne. Hannes beugte sich über sie und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht, beendete sie ihre Gedanken. „ Vielleicht sehen Engel auch aus, wie große Hunde, mit silbergrauem Fell und wunderschönen bernsteinfarbenen Augen?“ Ihre Hände tasteten sich zueinander. Sie hielten sich fest. Sehnsüchtig, glücklich und schweigend. Bis Yukon, die Stille für einen kurzen Augenblick durchbrach, indem er sich, von seinem Schlafplatz an ihren Füssen erhob und  sich sitzend, zärtlich an Lea drückte. Freundlich, schwanzwedelnd, mit einem durchdringend leuchtenden Blick,  legte er sanft und zustimmend, seinen Kopf auf Hannes und Leas verschlungen Hände. Yukon, der himmlische Bote, der wie aus dem Nichts in ihr Leben trat und sie wieder vereinte. Eine lautlose Zärtlichkeit umgab sie jetzt. Sie erlebten einen jener kostbaren Momente, in denen sie still werden konnten, und sie etwas Leises erfüllte, etwas Behutsames, etwas, das nie zerbrechen und ihnen nie wieder verloren gehen würde.
*E*N*D*E*


Frohe Weihnachten wünschen die Sweetvalentine AussiesWindow nº 17
Sina - Sweetvalentines dark chocolate 

Kapitel 17

Der Winter hatte den hochgelegen, kleinen Ort fest im Griff. Nur die Dorfstraße, die durch den unteren Teil des Ortes verlief und hinter dem Ortsausgangschild über den Eppesberg zur Tierklink auf den Rosenhof führte, war geräumt worden. Die bergauf verlaufenden, kleineren Nebenstraßen waren wegen der starken Schneefälle nicht mehr befahrbar. Lea fuhr langsam durchs Dorf. Niemand war unterwegs. Selbst der Platz vor dem kleinen Supermarkt, auf dem sonst täglich die Neuigkeiten aus der Nachbarschaft ausgetauscht wurden, war menschenleer. Lea parkte ihren Wagen auf dem Grundstück der ortsansässigen Pension. Erschöpft von der Fahrt, aber auch erleichtert, bei diesen Wetterverhältnissen hier oben angekommen zu sein, stieg sie aus und sah sich um. Ihr Blick wanderte an den Fassaden der kleinen Fachwerkhäuser entlang, die sich schief und krumm wie ein Kunstwerk um den Kirchplatz herum aneinanderreihten. „ Dieses Dörfchen kann so idyllisch sein“, dachte sie und bewunderte die große, geschmückte Tanne, die inmitten der kleinen Häuschen in den Himmel ragte.  Lea sah hinüber zur Kirche. Rosalie hatte ihr erzählt, dass Hannes ein Foto des Hundes in den Aushängekasten der Kirche gehängt hatte. Die Leute kamen am Sonntag aus den umliegenden kleinen Dörfern hierher, da es weit und breit das einzige Gotteshaus dieser Gegend war. „ Es könnte doch sein, dass er, traumatisiert  von irgendeinem Erlebnis, entlaufen ist“, hatte Hannes anfangs gesagt.“ Vielleicht erkennt ihn ja jemand, und wir finden auf diese Weise den Besitzer.“ Lea zweifelte daran, dass überhaupt jemand das Foto beachtete und diesen Hund eines Blickes würdigte. Hunde waren in dieser Gegend dazu da, die Höfe zu bewachen, und wenn sie dieser Aufgabe nicht nachkamen und auch noch davon liefen, taugten sie in den Augen des Besitzers ohnehin nichts und bedeuteten deswegen auch keinen Verlust. Lea sah auf die Uhr. Es war 12:30 Uhr. Sie hatte noch eine halbe Stunde, bis Jochen ihren Anruf erwartete. Sie zog ihre Mütze tief ins Gesicht und entschied sich, zunächst über den Kirchplatz zu gehen, um sich das Foto in dem Kasten anzusehen. Gleich hinter dem Parkplatz des alten Kruges begegneten ihr zwei Touristen, die ihr freundlich zunickten. „Entschuldigen sie!“ sprach einer der beiden Herren sie ganz unerwartet an. „Können sie mir sagen, ob es hier noch eine weitere Pension gibt? Der alte Krug vermietet zur Zeit keine Zimmer.“ „Was?“, fragte Lea erschrocken. „Wieso vermieten die zur Zeit keine Zimmer?“ „Wegen Umbau!“, erklärte der freundliche Herr kurz und bündig. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wieso hatte Jochen ihr das nicht gesagt. Das hätte er doch wissen müssen. Hier wusste doch immer jeder alles. Sie sah den freundlichen Herren verstört an und schüttelte den Kopf. „Nein es gibt nur die eine Pension hier.“ Die beiden Touristen nickten ihr wieder lächelnd zu und gingen weiter. Lea atmete die kalte Winterluft tief ein und machte sich auf den Weg zur Kirche. Der Gedanke, dass sie nun doch auf dem Rosenhof übernachten musste, gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber ihr blieb keine Alternative. „In diesem Fall müsste Jochen mich bei dem Wetter ja auch nicht abholen“, dachte sie für sich. „Ich muss mein Auto dann ohnehin mitnehmen.“ Sie schüttelte frierend den Kopf. „Nein, es macht keinen Sinn, dass er die anstrengende Fahrt über den Eppesberg bis ins Dorf hinunter auf sich nimmt. Ich werde ihm sagen, dass ich zum Rosenhof komme.“ Auf dem Weg zur Kirche sah Lea immer wieder in die geschmückten, kleinen Stuben, die sich hinter den winzigen Butzenglasscheiben der Fachwerkhäuschen verbargen. Diese heimelige Gemütlichkeit, diese Ruhe und Geborgenheit, die sie über all die Jahr auch auf dem Rosenhof gefunden hatte, fehlten ihr sehr. Sie zog ihren Schal fester und sah zu dem Kreuz hinauf, das neben dem Portal zur Kirche stand. „Ob du Zeit hast, mir zu helfen, den einsamen Hund da oben auf dem Eppesberg einzufangen? Allein werde ich es wohl kaum schaffen.“ Sie lies sich noch einen Moment lang Zeit für ein kurzes Gebet. Dann lief sie weiter, um die Kirche herum, zum Aushängekasten. Und da sah sie ihn. Den Hund, dessen Geschichte sie nun seit zwei Wochen Abend für Abend per Telefon verfolgte. Auf einem Foto, dass der Größe eines DIN-A4-Blattes entsprach. Genau so hatte sie ihn sich vorgestellt. Wie er da saß, neben dieser altern Eiche. Groß und imposant. Sein Fell dicht und silbergrau. Seine Augen bernsteinfarben und leuchtend. Lea starrte auf das Foto. „Hoffentlich hat Jochen mir da nicht zu viel zugetraut!“, dachte sie und suchte in ihrer Tasche nach ihrem Handy, um ihn anzurufen. 
„Tierarztpraxis Hannes Petersen, Jochen Matthiesen am Apparat!“, sagte er eilig, und seine Stimme klang aufgeregt und atemlos. „Hallo Jochen, ich bin da! Ich stehe im Dorf vor dem Kasten an der Kirche.“ „Lea! Bin ich froh, dass du heil angekommen bist. – Wir haben ein riesen Problem. Ich kann in der nächsten Stunde hier noch nicht weg. Hannes hat genau um 13:00 Uhr noch eine OP eingeplant.“ Lea nickte. Ein nicht ganz perfekter Plan, wie es schien. Der alte Krug war wegen Umbau geschlossen, und Jochen stand noch im OP, obwohl sie eigentlich noch bei Tageslicht gemeinsam auf dem Eppesberg sein wollten. „Weißt du was, Jochen“, meinte Lea beruhigend, „Ich muss sowieso zu euch kommen. Der alte Krug hat zur Zeit geschlossen. – Ich geh mal davon aus, dass du das nicht gewusst hast, oder?“ „Ne, bestimmt nicht! Das ist mir völlig neu!“, antwortete Jochen überrascht. „Aber ich kann nicht gerade behaupten, dass es mich nicht freut.“ Lea schmunzelte. Er hatte sich nicht verändert. Und sie freute sich insgeheim sehr darauf, ihn wieder zu sehn. „Ja, dann bin ich so ca. in einer halben Stunde, na ja, bei diesem Wetter wohl eher in einer dreiviertel Stunde, bei euch.“ Sie steckte ihr Handy wieder in die Tasche und ging zurück zum Parkplatz. 

        ******    
Fortsetzung folgt!
Window nº 14
Nelly - Sweetvalentines mon amour

Kapitel 14

„Sag mal Rosalie, verstehst du eigentlich, warum die beiden sich das antun?“, fragte Jochen am Abend des dritten Advents. Rosalie lag mit Juli und Kater Mugli auf der Couch und sah sich alte Fotos an. „Wen meinst du, Jochen?“, fragte sie beiläufig. Jochen stand auf und setzte sich zu ihr auf den Rand des Sofas. „Wen mein ich wohl? Hannes und Lea natürlich!“ Rosalie sah Jochen nachdenklich an. Sie hatte sich diese Frage schon oft gestellt. Und sie hatte auch mit Lea schon oft darüber geredet. „Rosalie“, hatte Lea noch vor wenigen Tagen traurig am Telefon gesagt, „Ich bete jeden Abend zum Himmel, dass es aufhört. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh es tut und wie viel Leere es hinterlässt.“ Und nach jedem Gespräch hatte sie Rosalie darum gebeten, Jochen davon nichts zu erzählen. „Ich möchte es Hannes nicht schwerer machen, als es ohnehin für ihn ist“, hatte sie jedes Mal gesagt. „Und was du Jochen erzählt, wird auch Hannes erfahren. Sie sind Freunde.“ Rosalie wollte Jochen nicht anlügen müssen und versuchte, das Thema umzulenken. „Schau mal hier, Jochen!“, sagte sie lächelnd und zeigte auf eines der Fotos. „Unsere Juli, ein paar Wochen, nachdem du sie aus dem Labor befreit hast. Wie furchtbar ängstlich sie da noch aussieht!“ Jochen streichelte seiner kleinen Beagledamen über den Kopf. „Davon ist nichtmehr viel übrig, nicht wahr Juli?“ Rosalie lachte und blätterte weiter. „Sie mal hier, wie schick ihr seid, Lea und du, in eurer dunklen Uniform!“ Jochen nahm Rosalie das Album aus der Hand und starrte gedankenverloren auf das Foto. „Meine Güte, wie lang ist das her?“, fragte er, während Juli versuchte, den Platz auf seinem Schoß zu erobern. „Damals war dein Herrchen noch ein richtiger Aktivist und ließ sich durch nichts aufhalten. Und Lea war so zu sagen meine rechte Hand. Ohne sie gäbe es auch uns drei hier jetzt nicht.“ Er legte das Album zur Seite und nahm Rosalie liebevoll in den Arm. „Und dann, Juli, trat diese Frau in mein Leben“, flüsterte er, „Und zog ohne zu zögern die Notbremse!“ Rosalie befreite sich empört aus seiner Umarmung. „Oh nein, mein Lieber, ganz so lass ich das jetzt aber nicht stehen“, verteidigte sich vehement. „Es war ja wohl eher so, dass deine Herzrhythmusstörungen dich zu einer Vollbremsung gezwungen haben.“ Jochen lächelte. „Ja, schon gut“, sagte er beruhigend und strich ihr liebevoll mit dem Finger über die Nase. „Ich bin glücklich, so wie es ist. Ich würde mein Leben hier auf dem Rosenhof für nichts auf der Welt mehr eintauschen wollen.“ Es war bereits früh am Morgen, als Rosalie in Jochens Arm erwachte. Seit dem sie zusammen waren, gab es keine Geheimnisse zwischen ihnen. Rosalie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie Jochen nichts von ihrem fast täglichen Kontakt zu Lea erzählt hatte. Aber was hätte sie tun sollen? Lea war ihre beste Freundin und sie hatte es ihr nun einmal versprochen. Rosalie sah durch das kleine Fenster in den dunklen Himmel. Sie erinnerte sich daran, als Lea vor vielen Jahren mit ihrem Mann hier her ins Haus ihrer Schwiegermutter gezogen war. „Fast ein Jahr hat sie es in diesem Haus im Dorf ausgehalten!“, dachte Rosalie und musste schmunzeln. „Und als sie wegging, gab es im Dorf keinen einzigen Kettenhund mehr!“ Rosalie lachte leise für sich. „Eine Schwiegertochter wie Lea hatte den ehrenwerten Leuten gerade noch gefehlt. Aber sie hat sich nicht verbiegen lassen.“ Rosalie dachte an den Tag, als Lea mit Melodie, einer kleinen, blinden Kettenhündin auf den Hof kam, um sie von Hannes untersuchen zu lassen. Damals sahen die beiden sich zum ersten Mal.“ Was eine einzige Minute doch für einen Einfluss haben kann!“, strich es durch ihre Gedanken. „Sie gaben sich die Hand und ließen nie wieder von einander los!“ 
Bald war der vierte Advent. Seit langer Zeit wurde er auf dem Rosenhof traditionell gefeiert. Lea schmückte immer den Baum und bereitete die Stube drüben bei Hannes vor, und Rosalie war für das Essen zuständig. Jeder hatte für jeden ein kleines Geschenk. Am Abend gingen sie alle gemeinsam in den Stall, den Hannes und Jochen immer hergerichtet hatten, um auch mit den Pferden, dem Esel und den Ziegen zusammen sein zu können. Wie würde der vierte Advent in diesem Jahr aussehen? Der Gedanke an all die Veränderungen machte Rosalie traurig. „Schläfst du noch?“, fragte Jochen leise, obwohl er längst bemerkt hatte, dass sie seit einer ganzen Weile gedankenverloren vor sich hin träumte. Rosalie schüttelte den Kopf. „Ich bin schon eine Zeit lang wach!“, antwortete sie und schmiegte sich eng an ihn. Jochen drehte seinen Kopf zu ihr und sah sie nachdenklich an. „Was ist los?“, fragte Rosalie. „Worüber grübelst du nach?“ Jochen antwortete ihr nicht. „Hast du schlecht geträumt?“, lies Rosalie nicht locker. Er entzog sich ihrem Arm und stand auf. „Rosalie, hast du Lea schon von dem Hund auf dem Eppesberg erzählt?“ Rosalie sah Jochen verwirrt an. „Bitte, Rosalie, es geht jetzt nicht darum, was du mir erzählt hast und was ich weiß oder auch nicht weiß. Jetzt geht es um ein Leben. Also – Hast du ihr schon von ihm erzählt?“ Rosalie nickte. „Ja hab ich“, sagte sie beschämt. Jochen sah sie wartend an. „Was hast du ihr erzählt?“ „Also, um ehrlich zu sein“, antwortete sie zögerlich, „ich habe ihr jeden Tag von dem aktuellen Stand berichtet. Nur gestern nicht. Gestern haben wir nicht telefoniert.“ Jochen strahlte. „Sie kennt also den gesamten Ablauf!“, stellte er noch einmal zufrieden für sich fest. „Du bist ein Schatz, Rosalie!“, Rief er und griff eilig zum Telefon. „Rosalie!“, sagte er ohne lange Erklärung und hielt ihr den Hörer entgegen. „Sie muss kommen. Der Hund hat vermutlich eine Schussverletzung. Er blutet stark am Hinterlauf oder an der Pfote. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn es einer schafft, an ihn heranzukommen, dann Lea.“ Rosalie zog die Stirn in Falte und verstand in diesem Moment überhaupt nichts mehr. „Also Jochen, vielleicht erklärst du mir erst mal, was passiert ist! Ich rufe doch nicht um 5:30 Uhr bei Lea an und sage ihr, dass sie sofort kommen muss, ich aber eigentlich gar nicht weiß, warum.“ Sie schob das Telefon beiseite und schüttelte den Kopf. „Außerdem kannst du dir wohl auch denken, dass sie nicht kommen wird, egal, was passiert ist! Und mal ehrlich, Berlin liegt auch nicht gerade direkt ums Eck. Wie stellst du dir das vor?“ Jochen sah Rosalie eine Weile überlegend an. „Erinnerst du dich an das Foto, dass du mir gestern Abend von Lea gezeigt hast? Ich meine das mit den beiden befreiten Hunden.“ Rosalie nickte. „Lea und ich haben unsere eigene Sicherheit für das Leben dieser Hunde eingesetzt. Ihr wird nichts wichtiger sein als ein Leben, das ihre Hilfe braucht. Sie wird kommen!“ Rosalie stand kommentarlos auf und ging in die Küche. „Warum rufst du Lea nicht selbst an?“, rief sie nach einer Weile durch den Flur. Jochen zog die Augenbrauchen hoch und seufzte. Die Frage hatte er erwartet und er empfand sie sogar als durchaus berechtigt. Aber nachdem Hannes seinen Vorschlag, Lea anzurufen, am Tag zuvor entschlossen zurückgewiesen hatte, befürchtete er, dass er ihm eine Eigeninitiative übel nehmen würde. „Du kannst dir sicher vorstellen, wie Hannes mir das auslegen würde, wenn ich hinter seinem Rücken Lea bitte, hier her zu kommen“, rief Jochen in die Küche. „Ich kann ihn jetzt schon höre, wie der mir einen Vortrag über Vertrauensbruch hält.“ Rosalie kam mit zwei gefüllten Kaffeetassen zurück und setzte sich zu Jochen auf die Bettkante. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihn an. „Ich werde sie anrufen, vorausgesetzt du erzählst mir endlich mal, was gestern passiert ist. Aber ich werde sie nicht überreden. Wenn sie nicht kommen will, wirst du es akzeptieren müssen!“

******
Fortsetzung folgt!Window nº 1
Jimmy - Sweetvalentines dream come true- 

Wie sehen eigentlich Engel aus? Roman

Kapitel 1

" Wir kommen sofort!", rief Hannes verwirrt in den Hörer. >>Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind in einer halben Stunde bei Ihnen!"
Das Klingeln des Telefons hatte ihn abrupt aus dem Schlaf gerissen. Unausgeruht und durcheinander rieb er sich die Schläfen. Er musste beim Lesen eingeschlafen sein. Er saß im Sessel und hielt das Buch noch immer in der Hand. Erschrocken sah er hinüber zum Tisch. Er hatte die erste Kerze des Adventkranzes angezündet und sie war bis zur Hälfte herunter gebrannt. Aber er erinnerte sich nicht daran sie ausgepustet zu haben. Früher hatte Lea darauf geachtet, dachte er. Sie hatte ihn immer ermahnt, nicht bei Kerzenlicht einzuschlafen. Lea! Da war sie also wieder, die erschreckende Realität, dieses unerträgliche Bewusstsein, das ihn zerriss, ihn in tausend Stücke zerlegte und nichts von ihm übrig ließ, nichts als eine leere Hülle, die zu funktionieren hatte. Wann immer sie gebraucht wurde, ob bei Tag oder bei Nacht. 
Der Gong der alten Standuhr riss Hannes aus seinen Gedanken. Erschrocken sah er zur Uhr. Drei Uhr morgens. Eine halbe Stunde, hatte er dem Menke-Bauer gesagt. Er musste sich beeilen. Und er musste Jochen wecken. Allein würde er das Kalb nicht auf die Welt holen können. Vermutlich ein Kaiserschnitt. Seine Gedanken fuhren Achterbahn in seinem Kopf. Wie lange lag der Anruf zurück? Waren es fünf oder zehn Minuten? Er versuchte, sich zu konzentrieren. Aber in seinem Kopf war nur Leere. Nichts war wirklich, alles vernebelt. Wie gut, dachte er für sich, dass Jochen sich dafür entschieden hatte, die freie Stelle des Tierarzthelfers bei ihm anzunehmen. Was würde er zur Zeit nur ohne ihn machen. Hannes strich sich hastig mit den Händen durch die Haare, griff nach seinem Pullover und warf die Haustür hinter sich ins Schloss. Eilig lief er hinüber zum Rosenhof. >> Jochen, aufstehen, ich brauche deine Hilfe! << rief er schon auf halben Weg, während er sich nebenbei den dicken Norwegerpullover über den Kopf zog und sich den Wollschal um den Hals rollte. >> Jochen! Raus aus den Federn, beeil dich! << Laut und unnachgiebig klopfte er an die Dielentür. Im ersten Stock schob sich der Vorhang zur Seite. Rosalie stand am Fenster und zeigte zur Haustür, die sich fast zeitgleich mit einem durchdringenden Wimmern öffnete. >> Ich sollte die Scharniere mal ölen <<, bemerkte Jochen müde und rieb sich die Augen. >> Gute Idee, aber verschieb es bitte auf später! << antwortetet Hannes kurz und knapp. >> Wir müssen zu Menke Hof, die Suse hat es nun doch etwas eiliger, als erwartet. << Jochen nahm kommentarlos  seine Jacke vom Hacken und zog sich die Mütze tief ins Gesicht. >> Wie spät ist es? << fragte er, während er zwei Schritte hinter Hannes durch den tiefen Schnee zum Jeep stapfte. >> Gerade drei Uhr durch! << antwortete Hannes und öffnete das schwere Holztor zur Scheune. 
>> Sag mal Hannes, was genau heißt eigentlich, die Suse hat es nun doch etwas eiliger als erwartet? << Fragte Jochen, nachdem er noch einmal darüber nachgedacht hatte, was Hannes gesagt hatte. >> Der Menke Bauer rief vor ein paar Minuten an! << erklärte Hannes. >> Er war sehr aufgeregt und sagte die Suse will nicht mehr warten und braucht dringend Hilfe. << Jochen nickte und schob seine Hände tief in die Jackentasche. >> Warum sollte sie auch? << nuschelte er müde vor sich hin. >> Sie muss ja bei Minus vierzehn Grad ihren warmen Stall nicht verlassen. Warum sollte sie also auch Rücksicht nehmen? Vielleicht weil sie eine gutmütige Kuh ist? Und sie mich, Jochen Matthiesen, besonders mag? <<  Hannes sah Jochen aus den Augenwinkel an. Er hatte sich mittlerweile abgewöhnt, Jochens nächtliche Tiraden zu kommentieren. Er kannte sie bereits auswendig. Es würde nicht mehr lange dauern, und er würde fragen >> Hättest du nicht eine Kleintierpraxis eröffnen können, Hannes? In irgendeiner Kleinstadt? Dann würden deine Patienten zu vernünftigen Sprechzeiten in die Praxis kommen, und wir müssten nicht andauernd Mitten in der Nacht in irgendeinen Stall ausrücken. << Und natürlich übernahm Jochen auch fast immer die Antwort selbst. >>Nein, natürlich nicht<<, würde er sagen, >> Mein bester Freund Hannes musste sich hier, mitten in der nordhessischen Einöde zwischen unzähligen Kuhställen niederlassen. 
<< Während Jochen lamentierte und Hannes versuchte, nicht mehr hinzuhören, arbeitete sich der Jeep schwerfällig durch den Neuschnee der Nacht. Das Heizungsgebläse kam nur sehr schleppend gegen die Kälte an. Immer wieder fror die Windschutzscheibe während der Fahrt zu. Hannes konnte die Feldstrasse und der dicken Schneedecke kaum von den danebenliegenden Feldern unterscheiden. Soweit das Auge reichte, war alles eine einzige weiße Fläche und es schneite unaufhörlich weiter. >> Sag mal Hannes, findest du es nicht erstaunlich, dass Suse ihr Kalb so plötzlich auf die Welt bringen will?<< grübelte Jochen vor sich hin. >> Ich will dich ja nicht nerven, aber gestern Nachmittag war ich doch noch bei ihr. Es gab noch keinen einzigen Hinweis. Und an der Zeit ist es doch auch nicht. << Hannes dachte sichtlich angestrengt nach, während er nebenbei das sich bildende Eis von der Innenseite der Windschutzscheibe entfernte. 
Er versuchte sich, sich des Anrufs zu entsinnen, des genauen Wortlauts. Aber alles, was ihm einfiel, war immer wieder nur der eine Satz >> Ich brauche dringend Hilfe!<< Der Rest war verworren. >> Ich muss mich jetzt erst mal auf die Fahrt konzentrieren!<< umging er die Antwort, und Jochen gab sich damit zufrieden. Die Fahrt über den Eppesberg glich einem waghalsigen Abenteuer. Hannes dachte bereits mit Schrecken an die Rückfahrt. >> Wenn das so weiter schneit, sollten wir den Räumdienst abwarten, bevor wir den Rückweg antreten!<< schlug er vor und Jochen nickte schläfrig. Er hatte sich ohnehin auf eine lange Nacht eingestellt. 
Als sie die Bergkuppe überquert und die vorletzte Weggabelung zum Hof hinter sich gelassen hatten, zog Hannes sein Handy aus der Tasche und reichte es Jochen. >> Sieh mal nach, ob wir schon wieder Empfang haben. Wenn ja, dann ruf den Menke Bauer an und sag ihm, dass wir in fünf Minuten da sein werden, und dass wir bei diesem Wetter nicht schneller vorwärts kommen konnten. Er soll schon mal alles bereit legen, warmes Wasser und Tücher und so weiter. Er weiß schon Bescheid. << Jochen sah auf das Display. Auf dieser Seite des Eppesbergs war der Empfang normalerweise recht gut. Er wählte sie Nummer und wartete. Es meldete sich niemand. >> Scheinbar haben sich alle im Stall eingefunden!<< sagte er.>> Im Haus jedenfalls geht keiner ans Telefon. <<

                   **************
Fortsetzung folgt!
Advent 2014
[Re-start]       [ Go to window 25]

We would be glad to accept your support for Advientos project. Thank you!

Window nº 25

25 Der Weihnachtshund

Advientos Windows

Window nº 1
1-12-2014
1
Jimmy - Sweetvalentines dream come true-

Wie sehen eigentlich Engel aus? Roman

Kapitel 1

" Wir kommen sofort!", rief Hannes verwirrt in den Hörer. >>Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind in einer halben Stunde bei Ihnen!"
Das Klingeln des Telefons hatte ihn abrupt aus dem Schlaf gerissen. Unausgeruht und durcheinander rieb er sich die Schläfen. Er musste beim Lesen eingeschlafen sein. Er saß im Sessel und hielt das Buch noch immer in der Hand. Erschrocken sah er hinüber zum Tisch. Er hatte die erste Kerze des Adventkranzes angezündet und sie war bis zur Hälfte herunter gebrannt. Aber er erinnerte sich nicht daran sie ausgepustet zu haben. Früher hatte Lea darauf geachtet, dachte er. Sie hatte ihn immer ermahnt, nicht bei Kerzenlicht einzuschlafen. Lea! Da war sie also wieder, die erschreckende Realität, dieses unerträgliche Bewusstsein, das ihn zerriss, ihn in tausend Stücke zerlegte und nichts von ihm übrig ließ, nichts als eine leere Hülle, die zu funktionieren hatte. Wann immer sie gebraucht wurde, ob bei Tag oder bei Nacht.
Der Gong der alten Standuhr riss Hannes aus seinen Gedanken. Erschrocken sah er zur Uhr. Drei Uhr morgens. Eine halbe Stunde, hatte er dem Menke-Bauer gesagt. Er musste sich beeilen. Und er musste Jochen wecken. Allein würde er das Kalb nicht auf die Welt holen können. Vermutlich ein Kaiserschnitt. Seine Gedanken fuhren Achterbahn in seinem Kopf. Wie lange lag der Anruf zurück? Waren es fünf oder zehn Minuten? Er versuchte, sich zu konzentrieren. Aber in seinem Kopf war nur Leere. Nichts war wirklich, alles vernebelt. Wie gut, dachte er für sich, dass Jochen sich dafür entschieden hatte, die freie Stelle des Tierarzthelfers bei ihm anzunehmen. Was würde er zur Zeit nur ohne ihn machen. Hannes strich sich hastig mit den Händen durch die Haare, griff nach seinem Pullover und warf die Haustür hinter sich ins Schloss. Eilig lief er hinüber zum Rosenhof. >> Jochen, aufstehen, ich brauche deine Hilfe! << rief er schon auf halben Weg, während er sich nebenbei den dicken Norwegerpullover über den Kopf zog und sich den Wollschal um den Hals rollte. >> Jochen! Raus aus den Federn, beeil dich! << Laut und unnachgiebig klopfte er an die Dielentür. Im ersten Stock schob sich der Vorhang zur Seite. Rosalie stand am Fenster und zeigte zur Haustür, die sich fast zeitgleich mit einem durchdringenden Wimmern öffnete. >> Ich sollte die Scharniere mal ölen <<, bemerkte Jochen müde und rieb sich die Augen. >> Gute Idee, aber verschieb es bitte auf später! << antwortetet Hannes kurz und knapp. >> Wir müssen zu Menke Hof, die Suse hat es nun doch etwas eiliger, als erwartet. << Jochen nahm kommentarlos seine Jacke vom Hacken und zog sich die Mütze tief ins Gesicht. >> Wie spät ist es? << fragte er, während er zwei Schritte hinter Hannes durch den tiefen Schnee zum Jeep stapfte. >> Gerade drei Uhr durch! << antwortete Hannes und öffnete das schwere Holztor zur Scheune.
>> Sag mal Hannes, was genau heißt eigentlich, die Suse hat es nun doch etwas eiliger als erwartet? << Fragte Jochen, nachdem er noch einmal darüber nachgedacht hatte, was Hannes gesagt hatte. >> Der Menke Bauer rief vor ein paar Minuten an! << erklärte Hannes. >> Er war sehr aufgeregt und sagte die Suse will nicht mehr warten und braucht dringend Hilfe. << Jochen nickte und schob seine Hände tief in die Jackentasche. >> Warum sollte sie auch? << nuschelte er müde vor sich hin. >> Sie muss ja bei Minus vierzehn Grad ihren warmen Stall nicht verlassen. Warum sollte sie also auch Rücksicht nehmen? Vielleicht weil sie eine gutmütige Kuh ist? Und sie mich, Jochen Matthiesen, besonders mag? << Hannes sah Jochen aus den Augenwinkel an. Er hatte sich mittlerweile abgewöhnt, Jochens nächtliche Tiraden zu kommentieren. Er kannte sie bereits auswendig. Es würde nicht mehr lange dauern, und er würde fragen >> Hättest du nicht eine Kleintierpraxis eröffnen können, Hannes? In irgendeiner Kleinstadt? Dann würden deine Patienten zu vernünftigen Sprechzeiten in die Praxis kommen, und wir müssten nicht andauernd Mitten in der Nacht in irgendeinen Stall ausrücken. << Und natürlich übernahm Jochen auch fast immer die Antwort selbst. >>Nein, natürlich nicht<<, würde er sagen, >> Mein bester Freund Hannes musste sich hier, mitten in der nordhessischen Einöde zwischen unzähligen Kuhställen niederlassen.
<< Während Jochen lamentierte und Hannes versuchte, nicht mehr hinzuhören, arbeitete sich der Jeep schwerfällig durch den Neuschnee der Nacht. Das Heizungsgebläse kam nur sehr schleppend gegen die Kälte an. Immer wieder fror die Windschutzscheibe während der Fahrt zu. Hannes konnte die Feldstrasse und der dicken Schneedecke kaum von den danebenliegenden Feldern unterscheiden. Soweit das Auge reichte, war alles eine einzige weiße Fläche und es schneite unaufhörlich weiter. >> Sag mal Hannes, findest du es nicht erstaunlich, dass Suse ihr Kalb so plötzlich auf die Welt bringen will?<< grübelte Jochen vor sich hin. >> Ich will dich ja nicht nerven, aber gestern Nachmittag war ich doch noch bei ihr. Es gab noch keinen einzigen Hinweis. Und an der Zeit ist es doch auch nicht. << Hannes dachte sichtlich angestrengt nach, während er nebenbei das sich bildende Eis von der Innenseite der Windschutzscheibe entfernte.
Er versuchte sich, sich des Anrufs zu entsinnen, des genauen Wortlauts. Aber alles, was ihm einfiel, war immer wieder nur der eine Satz >> Ich brauche dringend Hilfe!<< Der Rest war verworren. >> Ich muss mich jetzt erst mal auf die Fahrt konzentrieren!<< umging er die Antwort, und Jochen gab sich damit zufrieden. Die Fahrt über den Eppesberg glich einem waghalsigen Abenteuer. Hannes dachte bereits mit Schrecken an die Rückfahrt. >> Wenn das so weiter schneit, sollten wir den Räumdienst abwarten, bevor wir den Rückweg antreten!<< schlug er vor und Jochen nickte schläfrig. Er hatte sich ohnehin auf eine lange Nacht eingestellt.
Als sie die Bergkuppe überquert und die vorletzte Weggabelung zum Hof hinter sich gelassen hatten, zog Hannes sein Handy aus der Tasche und reichte es Jochen. >> Sieh mal nach, ob wir schon wieder Empfang haben. Wenn ja, dann ruf den Menke Bauer an und sag ihm, dass wir in fünf Minuten da sein werden, und dass wir bei diesem Wetter nicht schneller vorwärts kommen konnten. Er soll schon mal alles bereit legen, warmes Wasser und Tücher und so weiter. Er weiß schon Bescheid. << Jochen sah auf das Display. Auf dieser Seite des Eppesbergs war der Empfang normalerweise recht gut. Er wählte sie Nummer und wartete. Es meldete sich niemand. >> Scheinbar haben sich alle im Stall eingefunden!<< sagte er.>> Im Haus jedenfalls geht keiner ans Telefon. <<

**************
Fortsetzung folgt!
Window nº 2
2-12-2014
2
Zwei Brüder, Sky & Easy ( Sweetvalentines Prince of Love und Sweetvalentines Take it Easy)

Kapitel 2

Der Jeep hatte es trotz der massiven Schneefälle hinauf zum Menke Hof geschafft. „ Wenn wir zurück sind werde ich die Schneeketten anlegen!“ sagte Hannes während er den Wagen unter das Scheunendach fuhr. Jochen nickte beiläufig. Er staunte über die Dunkelheit, die sowohl im Haus, als auch im Stall herrschte. „ Lass uns direkt zum Stall gehen“, meinte Hannes und nahm eilig seinen Koffer von der Rückbank. Auf dem gesamten Hof herrschte nächtliche Stille. Nur das aufgeregte bellen des Hundes war aus dem Wohnhaus zu hören. „ Merkwürdig! „ fiel es jetzt auch Hannes auf. „ Im Stall scheint alles ganz ruhig zu sein. Ob sich die Lage doch wieder entspannt hat? „ Jochen seufzte. Aber bevor er noch was sagen konnte, war plötzlich das gesamte Wohnhaus hell erleuchtet und der Hund kam aufgeregt bellend über den Hof gerannt. „ Arco ganz ruhig, wir sind es!“, rief Hannes ihm irritiert entgegen, aber Arco schien in seiner Rage niemanden erkennen zu wollen. Im ersten Stock öffnete Frau Menke beunruhigt das Fenster. Zeitgleich ertönte der Befehl „ Arco steh!“ über den Hof. Und während Arco blitzartig kurz vor dem Stall stehen blieb und sich damit zufrieden gab, die nächtlichen Besucher zu fixieren, rief Frau Menke aus dem Fenster: „ Karl, ist alles in Ordnung? Was ist denn nur los da unten?“ Karl Menke schaltete die Hoflaternen ein und kam im offenen Frotteemantel aus dem Haus. „ Doktor Petersen!“ rief er überrascht über den Hof. „ Was machen Sie denn hier oben, mitten in der Nacht bei diesem Wetter?“ Er wickelte sich fröstelnd in seinen Morgenmantel ein, verknotete den Gürtel und winkte Hannes und Jochen herüber zum Haus. „ Ist was mit ihrem Wagen? Brauchen Sie Hilfe?“, rief er ihnen quer über den Hof zu, da sowohl Hannes wie auch Jochen wie angewurzelt stehen geblieben waren. „ Ach was frage ich?“, hörten sie ihn sagen. „ Aus lauter Freude am Schneesturm sind Sie bestimmt nicht hier oben. Kommen Sie erst mal rein und wärmen Sie sich auf!“ Er winkte ihnen einladen zu und nachdem er Arco signalisiert hatte, dass er seinen Wachdienst beenden konnte, ging er voraus ins Haus. „ Sag mal Hannes, kannst du mir das jetzt bitte mal erklären?“ fragte Jochen und sah Hannes erwartungsvoll dabei an. Aber der stand nur ratlos da und schüttelte den Kopf. „ Kommen Sie“, rief der Menke Bauer noch einmal, „ trinken Sie erst mal einen heißen Kaffee. Ich rufe dann gleich den Joe an. Der schleppt den Jeep runter in die Werkstatt und nimmt sie beide auf dem Weg dorthin wieder mit zurück auf den Rosenhof.“ Hannes kräuselte die Stirn und sah entgeistert hinüber zum Haus. „ Lass uns erst mal hinein gehen“, sagte er hilflos. „ ich versteh das hier genauso wenig wie du!“ Als sie das Haus betraten kam auch Frau Menke, ebenfalls im Morgenmantel, die Treppe herunter. „ Moin Doktor Petersen!“ sagte sie betont, weil sie genau wie Hannes aus dem hohen Norden hierher ins hessische Bergland gezogen war. „ Was ist denn nur passiert?“, wollte auch sie sofort voller Sorge wissen und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, voraus in die Küche, wo ihr Mann bereits den Kessel mit Kaffeewasser aufgesetzt hatte. „ Entschuldigen Sie bitte“, erklärte Hannes die ihm unangenehme Situation, „ aber ich befürchte, hier liegt ein ziemliches Missverständnis vor!“ „ Was meinen Sie damit Herr Doktor?“, fragte Karl Menke verwundert und zog die Holzstühle unter dem Tisch hervor. Mit einer Handbewegung bot er ihnen an, Platz zu nehmen. Hannes rieb sich nachdenklich die Stirn und setzte sich an den Küchentisch. „ Herr Menke“ unterstützte Jochen seinen Freund, „wir haben kein Problem mit unserem Wagen!“ Verdutzt sah der Bauer ihn an. „ Was ist dann passiert?“, wollte er erstaunt wissen. Jochen atmete tief durch. „ Her Menke, haben Sie nicht gegen drei Uhr bei uns angerufen mit der Bitte, so schnell wie möglich zu kommen, weil die Suse unsere Hilfe braucht?“ Der Bauer sah Jochen mit offenem Mund an und schüttelte energisch den Kopf. „ nein, das habe ich nicht. Der Suse geht es bestens.“ Er sah seine Frau hilfesuchend an. Dann wandte er sich wieder an Jochen. „ Herr Matthiesen, Sie haben doch gestern selbst nach ihr gesehen.“ Jochen nickte. „ Ja, das habe ich und darum wunderte uns der Anruf auch sehr, aber…“ „ Also wenn Sie mich fragen“ unterbrach Herr Menke aufgeregt „ da hat sich jemand einen ziemlich schlechten Scherz mit Ihnen erlaubt. Das ist ja ungeheuerlich. Mitten in der Nacht, bei diesem Wetter!“ Frau Menke goss den Kaffee in große Pötte und schüttelte entsetzt den Kopf. „ Kommen Sie Herr Matthiesen“, sagte sie zu Jochen, der noch immer in der Küchentür stand. „ trinken Sie erst einmal einen heißen Schluck Kaffee.“ Jochen setzte sich und Frau Menke schob ihm einen dampfenden Pott zu. Hannes verfolgte die Diskussion nur noch am Rande. Er versuchte, sich noch einmal an das Telefongespräch zu erinnern. Aber so sehr er sich auch bemühte, er blieb benebelt und unklar. Da war immer wieder der eine Satz: „ Die Suse will nicht mehr länger warten und braucht dringend Ihre Hilfe“. Was ging hier vor? Er hatte doch mit ihm telefoniert. Zweifelsfrei hatte ihn das Klingeln des Telefons geweckt. Aber er war nicht aufgestanden, um das Gespräch entgegen zu nehmen. Wieso lag das Telefon griffbereit im Sessel? Er legte es abends doch immer auf das Schränkchen neben dem Kaminofen. Hannes dachte angestrengt nach. Er hatte stundenlang vor dem Kaminfeuer gesessen und an sie gedacht. Er wollte sie anrufen. Zum hundertsten Mal wollte er Lea anrufen. Aber er hatte es wieder nicht getan. Er hatte das Telefon neben sich in den Sessel gelegt und das Buch gelesen. Dabei musste er eingeschlafen sein und das Klingeln hatte ihn dann geweckt. Ja, er war sich sicher. So konfus er auch war, aber das wusste er genau. Er war von dem Klingeln des Telefons aufgewacht. Hannes hörte noch einen Augenblick dem Gespräch am Küchentisch zu. Die Menkes waren davon überzeugt, dass sich jemand einen üblen Streich erlaubt hatte. Er ließ es dabei bewenden und stand schließlich höflich auf, um sich zu verabschieden. „ Es tut mir sehr leid, dass wir Ihre Nachtruhe unterbrochen haben“, sagte er auf dem Weg zur Haustür. „ Ach was, Herr Dr. Petersen“, antwortete Frau Menke freundlich. „ Wir Nordfriesen müssen schließlich zusammenhalten, so fern ab der Heimat nicht wahr? Und außerdem müssen mein Mann und ich doch ohnehin gleich in den Stall.“ Auf dem Hof dreht Hannes sich noch einmal um und sagte: „ Und zögern Sie nicht uns anzurufen, wenn Suse uns wirklich braucht!“

*************
Fortsetzung folgt!
Window nº 3
3-12-2014
3
Lilly (Sweetvalentines Country Lady )

Kapitel 3

Im Schritttempo kroch der Jeep durch die frostige Nacht den Eppesberg wieder hinunter. Der Schneefall hatte nachgelassen. Aber der starke Wind jagte noch immer mit eisiger Kraft über die freien Felder und peitschte den Neuschnee wie Puderzucker kreuz und quer durch die Luft.
Hannes hielt das Lenkrad fest in seinen Händen. Die Scheibenwischer arbeiteten auf höchster Stufe. Die Windschutzscheibe fror von innen genauso schnell wieder zu, wie Jochen sie frei kratzen konnte.
Angespannt saßen sie nebeneinander und sprachen kein einziges Wort. Sie hatten die Bergkuppe längst hinter sich gelassen, als Jochen ganz unerwartet das bedrückende Schweigen brach.
„ Hannes, die Leute hier in dieser Gegend mögen ihre eigene Art haben und du weißt, dass ich nur selten ihrer Meinung bin. Aber das macht hier niemand. Sie sind alle froh, dass sie dich haben! Und sie schätzen dich. Keiner schickt dich zum Spaß durch dieses Wetter.“
Hannes dachte darüber nach und war eine einzige Sekunde abgelenkt. Genau in diesem Augenblick erfasste eine Böe den Jeep. Er geriet aus der Spur und Hannes versuchte instinktiv, gegenzusteuern. Aber er verlor die Gewalt über den Wagen. Das Heck brach aus und der Jeep drehte sich um seine eigene Achse. Unkontrolliert rutschte er mit der rechten hinteren Seite in eine Schneeverwehung. Hannes und Jochen saßen einen Moment lang ganz still da. Der Schreck war ihnen spürbar in die Glieder gefahren. Jochen atmete tief durch, um die innerliche Anspannung zu lösen. Dann wischte er sich mit der Hand über die Stirn. „ Prima, dass musste jetzt auch noch passieren!“, stammelte er leise vor sich hin. Er nahm das Handy aus der Tasche und prüfte den Empfang. „ Nichts!- das können wir vergessen.- Und was machen wir jetzt? Hier ist weit und breit kein Hof in der Nähe. Der nächste liegt mindestens acht Kilometer weit querfeldein.“
Hannes antwortete nicht. Er legte den Rückwärtsgang ein und versuchte, den Wagen wieder auf die Straße zu bringen. Aber die Räder drehten trotz Allradantrieb durch. Der Jeep bewegte sich keinen Zentimeter. Lediglich das aufheulende Geräusch der durchdrehenden Reifen war zu hören. Jochen sah Hannes verzweifelt an „ Wir müssen versuchen uns frei zu graben!“ sagte er. „ Wir haben keine Alternative.“Hannes ließ das Lenkrad los und drehte den Zündschlüssel herum. Der Motor verstummte. Er lehnte sich zurück und starrte gegen das Eis an der Windschutzscheibe.


*******

Fortsetzung folgt!
Window nº 4
4-12-2014
4
Emma- Sweetvalentines born to be alive

Kapitel 4

„Versuch es jetzt mal! „ rief Hannes, der seit einer halben Stunde kniehoch im Schnee stand und sich nach Kräften bemühte, mit einem Klappspaten die Räder des Jeeps freizuschaufeln. Mühsam kämpfte er gegen den eisigen Wind an, der unaufhaltsam über das freie Feld peitschte und immer wieder neue Schneeschübe heran trug. Seine Hände waren trotz der dicken Handschuhe steif gefroren und Bart und Augenbrauen waren mit einer dicken Schicht Raureif überzogen.
„ Was ist, soll ich dich nicht mal ablösen? „ hatte Jochen ihn zwischendurch immer wieder gefragt. Aber Hannes hatte jedes Mal entschlossen den Kopf geschüttelt. Er hatte das Bild nie vergessen, dass sich ihm im letzten Jahr kurz vor Weihnachten geboten hatte: wie Juli, Jochens kleine Hündin, die wie von Sinnen an der Schuppentüre gekratzt hatte und wie Jochen dort bewusstlos gelegen hatte, das Gesicht grau und fahl, mit angstvoll aufgerissenen Augen. „ Nein, Jochen denk an dein Herz“, hatte er ihn immer wieder erinnern müssen. „ Das ist zu anstrengend für dich. „
Hannes klopfte an die Scheibe. „ Wir müssen ihn wenigstens mit dem Heck auf den befestigten Boden kriegen. Das müsste reichen!“ Jochen startete den Motor und gab ganz langsam Gas. „ Los komm alter Junge, streng dich mal ein bisschen an!“ redete er dem Jeep gut zu. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Hannes atmete erleichtert durch. Aber nur einen halben Meter vor dem befestigten Untergrund rutschte er seitlich aus der mühselig gegrabenen Spur und sofort hatten sich alle vier Räder wieder tief in den Schnee gearbeitet.
Jochen stieg aus. „ Das hat keinen Sinn“, sagte er bestimmend.“ Wir müssen uns Stöcke und Äste besorgen und unter die Räder schieben, damit sie greifen können.“ Hannes sah sich entmutigt um. „ Und wo willst du die finden, wenn ich mal fragen darf?“ Jochen zeigte zu einem kleinen Waldstück hinüber. „ Das sind mindestens hundert Meter querfeldein durch den hohen Schnee. Und ob wir da unter der dicken Schneedecke irgendwelche Äste ausmachen werden, ist noch eine andere Frage“, gab Hannes erschöpft zu bedenken. "Hast du eine bessere Idee?“, fragte Jochen und marschierte mit dem Mut der Verzweiflung zielstrebig voraus. Der Weg über das freie Feld war mühsam. Schneeverwehungen hatten sich überall auf dem Feld meterhoch wie Bergketten aneinander gereiht. Und der heftige Sturm drückte mit seiner ganzen Kraft gegen ihre Körper. Schweigend stapften sie hintereinander her.

*******
Fortsetzung folgt!
Window nº 5
5-12-2014
5
Candy - Sweetvalentines Candy Girl

Kapitel 5

Hannes hing müde und erschöpft seinen Gedanken nach. Es war viel Zeit vergangen, seitdem er Lea gesagt hatte, dass er nicht mehr in einer Warteschleife leben möchte. Er hatte ihr erklärt, dass er nicht mehr warten wollte, auf morgen, aufs Wochenende, auf den Urlaub. Dass er das gemeinsame Leben nicht mehr durch auf wenige Wochen im Jahr beschränken möchte. Er hatte ihr gesagt, dass er sein Leben nicht länger im warten sein möchte, dass er nach all den Jahren endlich zusammen mit ihr im heute leben wolle, im Hier und Jetzt. Traurig ließ er den Blick zum Himmel wandern und betrachtete den zunehmenden Mond, dessen Licht im Schnee glitzernd reflektierte und der Nacht einen geheimnisvollen Schimmer gab. Und er wünschte sich, selbst hier draußen in dieser eisigen Nacht, in dieser verfahrenen Situation, nichts sehnlicher, als sie wieder zu sehen.
Jochens anfängliches Tempo hatte nachgelassen. Er lief mittlerweile ein paar Schritte hinter Hannes. „ Vielleicht sollte ich sie anrufen“, dachte er für sich, weil er Hannes gesenkten Blick sehr wohl deuten konnte und ihm der Kummer seines besten Freundes äußerst nahe ging. „ Vielleicht sollte ich ihr erzählen. Wie sehr er leidet, und wie sehr der Schmerz der Trennung ihn verändert hat.“ Jochen überlegte, wie viele Jahre die beiden eigentlich zusammen gewesen waren. Es mussten weit über zehn Jahre sein. „ Die müssen beide verrückt sein“, stellte er für sich fest. „ Nur weil der eine nicht hier und der andere nicht dort leben kann, lösen sie so eine Lebensliebe in ihre Bestandteile auf. Sie hätten alles so lassen sollen wie es war.“ Jochen hatte sich tief in seinen Gedanken verloren. Als Hannes auf einmal aufgeregt die Stille brach und erschrocken stehen blieb. „ Jochen halt mal einen Augenblick inne und schau mal da vorn! Siehst du die alte alleinstehende Eiche? Ganz rechts, knapp vor der Fichtenschonung? Wir laufen direkt darauf zu.“
Jochen hielt an und suchte den nahen Horizont nach einem alleinstehenden Baum ab. „Ja seh ich, was ist mit der…? „ Er brach seine Frage ab, da ihm augenblicklich die Worte im Hals stecken blieben. „ Ach, du lieber Himmel, Hannes!“ sagte er erschrocken und rieb sich den vom Sturm herangetragenen feinen Schnee aus seinen Augen. „ Das gibt’s doch nicht!“ Hannes schauderte es vor Kälte. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in die Ferne. „ Wie kommt der mitten in der Nacht bei diesem Wetter hierher?“ fragte er nachdenklich. „ Hier ist doch weit und breit kein Hof in der Nähe.“ Jochen zog die Schultern hoch. „ Findest du nicht, dass er sich eigenartig verhält?,“ fragte er und hielt sich die Hände schützend über die Augen. „ Er sitzt da wie eine Statue, mitten im Schneesturm.“

*********

Fortsetzung folgt!
Window nº 6
6-12-2014
6
Taro - Sweetvalentines Earth, Wind & Fire

Kapitel 6

Hannes nickte. „ Ja, mit dem Hund stimmt irgendetwas nicht. Komm wir gehen zu ihm. Vielleicht ist er verletzt. Möglicherweise steht er unter Schock.“ Entschlossen marschierte er in seine Richtung. Jochen folgte ihm eher zögerlichen Schrittes. „ Hannes!“ rief er ihm hinterher, und seine Stimme kam nur schwer gegen den ohrenbetäubenden Sturm an. „ Er könnte Angst vor dir haben. Wer weiß warum er alleine hier draußen ist. „ Hannes nickte und zeigte mit einer Handbewegung, dass er ihn verstanden hatte. Ein seltsames Gefühl begleitete Hannes auf dem Weg zur Eiche. Er hätte es nicht beschreiben können, aber er konnte es auch nicht leugnen. Je näher er dem Hund kam, desto deutlicher spürte es und desto weniger hätte er es in Worte fassen können. Der Hund beobachtete ihn. Er saß mit aufgestellten Ohren ganz ruhig im Schutz des mächtigen Baumstammes. Er registrierte aufmerksam jede seiner Bewegungen. Aber er zeigte keinerlei Reaktion. Weder in seiner Haltung, noch in seiner Mimik. Hannes ging langsam auf ihn zu. Wenige Meter vor ihm hockte er sich in den Schnee. „ Du siehst ja aus wie ein Wolf“, sagte er leise und bewunderte die imposante Erscheinung. „ Also, um ehrlich zu sein, du machst nicht gerade den Eindruck, als hättest du Angst vor mir. Ich befürchte eher, dass ich Angst vor dir haben könnte.“ Er zog die Schultern andeutungsweise an und nickte dem Hund lächelnd zu. „ Habe ich aber nicht, bilde es dir also erst gar nicht ein.“
Hannes kniete im Schnee und schob sich noch langsam ein paar Zentimeter voran. Der Hund schien auf den ersten Blick keine äußerlichen Verletzungen zu haben. Auch einen Schockzustand schloss Hannes ziemlich sicher aus. Er zeigte weder ein unruhiges hecheln, noch ein Zittern der Gliedmaßen. Ganz im Gegenteil - Er verblüffte eher durch demonstrative Ruhe.
„Ist ja schon ein Ding, dass wir uns hier draußen treffen, nicht wahr? Zu dieser Zeit, an diesem Ort!“, sagte Hannes und spürte etwas merkwürdig Beunruhigendes in sich. Er konnte das ungewöhnliche Verhalten des Hundes überhaupt nicht einschätzen. Wieso saß er da, majestätisch aufgerichtet wie eine Statue? Warum bewegte er sich nicht? Hannes hielt ihm seine Hand entgegen, um ihn neugierig zu machen. Er sprach mit ihm, lockte ihn, wartete und forderte ihn heraus. Aber der Hund verharrte unbeeindruckt in seiner Position. Lediglich seine Augen funkelten Bernsteinfarbig durch die graue Schneeluft und registrierten jede seiner Bewegungen. Hannes schätzte die Entfernung, die noch zwischen ihm und dem Hund lag, auf ungefähr fünf bis sechs Meter. Er musste sich ihm nähern, eine andere Möglichkeit hatte er nicht. „ Was hältst du davon, wenn du mit mir kommst?“ fragte er mit leicht zittriger Stimme und bewegte sich langsam noch einen halben Meter vorwärts. Jetzt wurde der Hund unruhig. Mit einem dumpfen Brummen gab er Hannes zu verstehen, dass er die von ihm geduldete Distanz überschritten hatte. Hannes kniete im Schnee und rührte sich nicht von der Stelle. „ Ist okay, ich bleib wo ich bin!“, redete er beruhigend auf ihn ein. „ Du brauchst keine Angst zu haben.“ Der Hund fixierte ihn, unnachgiebig und starr. Hannes wartete. Diese Nacht war so unwirklich, dass ihn nichts mehr überraschen konnte: In einem der schlimmsten Schneetreiben aller Zeiten, macht er sich auf den Weg zu einem der höchst gelegen Höfe Nordhessens, um letztendlich erfahren zu müssen, dass niemand ihn gerufen hat und kein Mensch ihn erwartet. Auf dem Rückweg bleibt der Jeep stecken, natürlich im Funkloch des Berges, so dass er nicht einmal einen Abschleppdienst rufen kann. Und jetzt hockt er mitten in der Nacht bei sibirischen Wetterverhältnissen in Einsamkeit des Winters vor einem Hund, der eher einer Erscheinung gleicht, als einem real existierenden Lebewesen.
Hannes schüttelte sich vor Kälte. „ Na was ist?“, fragte er nach einer Weile liebevoll. „ Hast du dich mittlerweile ein bisschen an mich gewöhnt?“ Der Hund starrte Hannes unaufhörlich an. „ Okay, mein schöner Wolf,!“, sagte er und versuchte sich von dem durchdringenden Blick des Tieres nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „ Zufälle gibt es nicht, hab ich Recht?“ Es wird seinen Grund haben warum wir uns getroffen haben.“ Er wickelte behutsam seinen Schal ab, ohne den Hund dabei aus den Augen zu lassen. „ Wenn du mich nah genug an dich heran lassen würdest, müsste es funktionieren.“ Er robbte sich auf den Knien langsam voran. „ du bist ein außergewöhnlich schöner Hund!“, redete er mit sanfter Stimme auf ihn ein und schob sich Stück für Stück langsam weiter in seine Richtung. „ Aus der Ferne sahst du aus wie ein Wolf.- Gut, dass wir hier keine Wölfe haben, was? Sonst wären wir vielleicht einfach an dir vorbeigelaufen.“ Der Hund wurde nervös. Mit angelegten Ohren und krauser Nase signalisierte er Hannes, dass er den Bogen nicht überspannen sollte.
„ Keine Angst, mein Guter, ich will dir helfen. Du kannst doch nicht allein hier draußen leben. Was denkst du wohl, warum der liebe Gott hierher geschickt hat? Bestimmt nicht, weil ich eine Schneewanderung machen sollte.“ Er nahm den Schal und versuchte mit seinen blaugefrorenen Händen so gut er konnte eine Schlaufe zu knoten, die er den Hund um den Hals legen wollte, und schob sich noch einmal wenige Zentimeter in seine Richtung. Dabei hatte Hannes den Bogen eindeutig überspannt. Wie vom Blitz getroffen sprang der Hund auf, drehte sich um und verschwand wie ein Pfeil im Dickicht des Fichtenwaldes. Hannes hockte im Schnee, ließ die Hände sinken und sah ihm resigniert nach. „ Komm Hannes, es nutzt nichts!“ rief Jochen, „ bevor die Sonne nicht aufgegangen ist, finden wir ihn ohnehin nicht wieder. „ Er stand in der Nähe eines abgerissenen Hochsitzes und zeigte auf einen Stapel eingeschneiter, alter Bretter. „ Die müssten reichen, um den Jeep wieder auf die Straße zu befördern. „ Hannes nickte und machte sich gemeinsam mit Jochen auf den Rückweg.

********
Fortsetzung folgt!
Window nº 7
7-12-2014
7
Sally - Sweetvalentines Black Sensation

Kapitel 7

Rosalie hatte frisches Brot gebacken und den Frühstückstisch bereits gedeckt, als Hannes und Jochen durchgefroren ins Haus kamen. „ Meine Güte, wie seht ihr den aus?“, fragte sie besorgt und begrüßte Jochen mit einer herzlichen Umarmung. „ Wir haben vergeblich versucht, einen Hund einzufangen!“, sagte er niedergeschlagen und ging zum Ofen um sich aufzuwärmen. Rosalie sah Hannes fragend an. „ Ist eine lange Geschichte, Rosalie! Lass sie dir von Jochen erzählen. Ich bin nur kurz mitgekommen um kurz nach Juli zu sehen. Soll ich ihr die letzte Injektion noch geben, oder ist sie wieder in Ordnung?“ Rosalie nickte. „ Ja, ich denke sie ist wieder in Ordnung. Sie hat die ganze Nacht durchgeschlafen. Du hattest recht. Sie hat sich lediglich den Magen verdorben, diese kleine Fressnase.“ „ Gut dann lass sie schlafen! Und wenn noch was ist, weißt du ja, wo du mich findest.“ Er drehte sich um und verließ die Diele. „ Aber willst du nicht erst mal frühstücken, bevor du….?“, rief Rosalie noch hinter ihm her, aber er hatte die Tür bereits von außen zugezogen.
Müde und erschöpft ging Hannes über den Hof und sah über die tief verschneiten, weiten Wiesen. „ was für eine Nacht!!!“, dachte er für sich und dankte Gott, dass er seine schützende Hand über sie gehalten hatte. Er schloss seine Haustüre auf, ging in die Stube und ließ sich erschöpft auf das kleine Sofa fallen. Er fühlte eine bleierne Müdigkeit und hoffte inständig, dass seine Patienten an diesem Montag ein Nachsehen mit ihm haben würden. Durch die kleinen Fenster fielen die ersten, morgendlichen Sonnenstrahlen. „ Na wenigstens schneit es nicht mehr“, dachte erleichtert. „ Aber die Schneeketten werde ich trotzdem anlegen, bevor ich wieder hochfahre. Ich muss ihn finden. Da geht kein Weg dran vorbei.“ Er legte seinen Kopf zurück auf die Lehne und ließ seinen Blick müde durch die vorweihnachtlich geschmückte Stube wandern. Rosalie hatte alles genauso hergerichtet, wie Lea es immer gemacht hatte. Auf dem alten Holztisch stand wie jedes Jahr zu Weihnachtszeit ein großer, selbst gebundener Adventskranz, auf den Fensterbrettern lagen Nüsse, Äpfel und Tannenzweige und vor den kleinen Fensterscheiben hingen wieder die selbstgebastelten Strohsterne. Alles sah genauso aus wie in den vergangenen Jahren. Aber nichts von all dem hatte noch wirklich Bedeutung für ihn.
Hannes dachte noch einmal an den Abend zuvor: Er hatte sich in den alten Ohrensesel gesetzt. Daran erinnerte er sich klar und deutlich. Er hatte stundenlang an Lea gedacht und sich ganz bewusst auf seine Sehnsucht eingelassen. Und er hatte die Widmung in dem Buch gelesen, das sie ihm im letzten Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. „(…) Nun soll das Christkind über dich wachen, Hannes und dir immer einen Engel an deine Seite stellen, wenn du seine Hilfe und aufrichtige Kraft am meisten brauchst(…) „
Er hatte diesen Satz unzählige Male gelesen. Immer wieder hatte er diese Worte in sich aufgenommen. „ Und dann muss ich eingeschlafen sein!“ stellte er für sich fest.

***********
Fortsetzung folgt!
Window nº 8
8-12-2014
8
Sweetvalentines Firewalker- Johnny und Sweetvalentines Enjoy your life - Joy

Kapitel 8

„ Und aufgewacht bin ich durch das Klingeln des Telefons. Das heißt also, wenn der Menke Bauer behauptet, er habe nicht angerufen, muss jemand anderes angerufen haben! Und die Nummer des nächtlichen Anrufers müsste gespeichert sein.“ Hannes stand auf und ging zum Telefon, das er noch in der Nacht auf das Schränkchen neben dem Ofen gelegt hatte. „ Aber vermutlich wird niemand, der sich einen derart miesen Scherz erlaubt, so dumm sein, seine Nummer freizugeben,“ dachte er und konnte nicht glauben, dass es in der Gegend überhaupt jemanden geben könnte, der auf so eine hinterhältige Idee kommen würde. Jochen hatte in gewisser Weise Recht. Die Bauern waren froh, dass es ihn gab. Und sie waren sich sehr wohl bewusst, dass sie so schnell keinen Nachfolger für ihn bekämen, wenn er die Gegend verlassen würde. Dementsprechend schätzten und respektierten sie ihn, auch wenn er oft anderer Meinung war wie sie. Sein Ansehen in dieser Region, die Achtung, die man ihm entgegen brachte, hatte er sich mühsam verdient. Und doch hatte er schon oft darüber nachgedacht zu gehen, weg von hier, irgendwohin. Unzählige Male hatte er sich überlegt, hier alles aufzugeben, um gemeinsam mit Lea in Berlin ein neues Leben anzufangen. Eine Kleintierpraxis in der Stadt hätte sein Leben um ein Vielfaches vereinfachen können. Aber es wäre niemals sein Leben geworden! Er gehörte hier her. Dies alles war seine Welt. Seine Pferde und seine Ziegen, seine Wiesen und seine Wälder. Und die vielen Ställe, in denen seine Patienten tagein, tagaus auf ihn warteten. Hannes nahm das Telefon und setzte sich wieder auf das kleine Sofa. Er rief noch einmal die zuletzt eingegangen Anrufe auf. „Das gibt’s doch nicht!“, sagte er überrascht und starrte verwundert auf das Display. Er schüttelte den Kopf, tippte die Taste „Rückgängig“ und begann noch einmal, die Tastenkombination einzugeben. „Das kann doch nicht wahr sein!“, dachte er. „Ich kann doch nicht… um Gottes Willen… das wäre nicht auszudenken.“ Er stand auf und setzte sich an den Tisch. „Wir fahren bei diesem Wetter mitten in der Nacht über den Eppesberg… und ich… oh nein, ich fasse es nicht!“ Er schüttelte den Kopf und stützte sich mit beiden Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Jochen reißt mir den Kopf ab, wenn ich ihm das erzähle.“ Genau in diesem Augenblick schob Jochen mit einem beiläufigen Klopfen die Stubentür auf. „Wann reiße ich dir den Kopf ab?“ fragte er, während er einen Korb mit frisch gebackenem Brot und selbst gemachten Käse auf den Tisch stellte. „Wie es aussieht, hatte Rosalie mal wieder recht. Du hast tatsächlich nichts gefrühstückt!“ Er holte Geschirr und Besteck aus dem Schrank und stellte es vor Hannes auf den Tisch. „Erzähl! Wann reiß ich dir den Kopf ab! Und iss nebenbei was. Die Sprechstunde fängt gleich an.“ Hannes sah Jochen nachdenklich an. Er konnte vor Müdigkeit kaum noch einen klaren Gedanken fassen. „Was ist denn passiert? Nun sag schon!“, wollte Jochen ungeduldig wissen. Hannes schob ihm das Telefon hin, stand auf und ging zum Fenster. „Ich habe die eingegangenen Anrufe der letzten Nacht überprüft.“ Jochen sah ihn erwartungsvoll an. „Sag bloß, du hast die Nummer. Hat sich also doch jemand einen miesen Scherz mit uns erlaubt? Hätt ich nicht gedacht.“ Er drückte gespannt die Tastenkombination und sah auf das Display. „Keine Anrufe? --- Nicht ein einziger Anruf? Das versteh ich jetzt nicht.“ Er sah Hannes aus schmalen Augen an. „Kannst du mir das erklären? Bei mir scheint gerade einer auf der Leitung zu stehen!“ Hannes stand schweigend am Fenster und sah hinaus.
Und Jochen fing an zu verstehen. Er legte das Telefon aus der Hand und ging energischen Schrittes zum Ofen. Wütend stopfte er altes Zeitungspapier hinein und legte ein paar Scheite Anmachholz nach. „Es ist kalt hier!“, Raunte er durch den Raum und schüttelte unwillig den Kopf. „Das kann ja wohl echt nicht wahr sein!“ Er zündete das Streichholz an und warf es aufgebracht in den Ofen. Sofort flammte das Feuer auf. „Oh Mann, Hannes! Du hast es geträumt, stimmt’s?“ Er atme tief durch, um sich wieder zu beruhigen. „Du hast es wirklich nur geträumt!“ Ich kann es nicht glauben. „Hannes zog die Schulter hoch und sagte mit fast stoischer Ruhe: „Ich weiß es nicht, Jochen. Ich kann mich einfach nicht erinnern. Ich bin gestern Abend in dem Sessel eingeschlafen, und als ich wach wurde, hatte ich das Telefon in der Hand und ich hätte schwören können, dass der Menke Bauer angerufen und mir gesagt hat, dass er dringend Hilfe braucht.“ Jochen legte noch einmal Holz nach und schloss die Ofenklappe. „Also wirklich Hannes, das ist echt filmreif. Wenn du das einem erzählst, das glaubt dir keiner.“ Jochen ging in der Stube auf und ab. „Ganz ehrlich Hannes, so geht das mit dir nicht weiter! Du drehst doch so langsam aber sicher durch. Du musst endlich wieder zur Ruhe kommen. Fahr irgendwo hin, mach Urlaub oder sonst irgendwas. Aber bring dein Leben wieder ins Lot!“ Hannes stand noch immer gelassen und ruhig am Fenster und sah hinaus. Er hatte Jochens Reaktion erwartet. Ihm war völlig klar, wie impulsiv er reagieren würde. Er verschränkte die Arme und beobachtete Juli, die aufgeregt wedelnd einer Fuchsspur durch den tiefen Schnee folgte. „Jochen!“, sagte er friedlich, „erinnerst du dich noch daran, was Lea damals gesagt hat, nachdem Juli dich im Schuppen gefunden hatte?“ Jochen nickte. Aber er verstand beim besten Willen nicht, was das damit zu tun haben könnte. „Ja, natürlich“, antwortete er und schien sich noch immer nicht sonderlich beruhigt zu haben. „Sie war der Meinung, dass unsere Geschichte nicht vom Zufall geschrieben worden war, sondern der liebe Gott seine Finger im Spiel hatte.“ Hannes nickte. „Jochen, ich kann dir nicht erklären, was heute Nacht passiert ist, ich verstehe es ja selbst nicht. Aber es gibt zwischen Himmel und Erde nun einmal mehr, als wir in der Lage sind zu verstehen. „Er sah Jochen einen Moment lang nachdenklich an. Dann sagte er leise: „Was wäre aus dem Hund auf dem Eppesberg geworden, wenn wir gar nichts von ihm gewusst hätten? Und wir hätten nichts von ihm gewusst, wenn wir nicht zum Menke - Hof gefahren wären.“ Jochen stellte sich neben Hannes ans Fenster. Schweigen sahen sie gemeinsam über die weißen Felder des Rosenhofes.

********
Fortsetzung folgt!
Window nº 9
9-12-2014
9
Marla - Sweetvalentines Night & Day

Kapitel 9

Es war ein heller und sonniger, aber extrem kalter Wintertag. Die Forstwege auf dem Eppesberg waren wegen der starken Schneefälle der letzten Woche für Fahrzeuge aller Art gesperrt worden, sodass das Wäldchen, in das sich der Hund in der Nacht zurückgezogen hatte, auch am Tage nur zu Fuß erreichbar war. Hannes und Jochen fanden bereits nach kurzer Suche ihre nachts im Schnee hinterlassene Fußspur und folgten ihr. „ Auf die Idee, ein Fernglas mitzunehmen, wäre ich wohl gar nicht gekommen“, sagte Jochen, während er es vorsichtig aus dem Rucksack nahm und noch einmal prüfte, ob er den Futterbeutel mit gekochtem Fleisch eingesteckt hatte. „ Ich bin mir auch nicht sicher, ob es uns wirklich weiterhelfen wird“, antwortete Hannes.“ Jens schlug vor, es mitzunehmen, als ich vorhin im Forsthaus anrief und ihm von dem Hund erzählte. Er meinte, es könne uns nützlich werden, wenn wir von den umliegenden Hochsitzen aus nach ihm suchen müssten.“
Da Hannes mit dem für die Region zuständigen Förster, Jens Thorwald, befreundet war, konnte er sich seiner Unterstützung sicher sein. „ Du kannst dir nur wünschen, dass der Hund ein festes Revier bezogen hat und nicht weiter umher gewandert ist“, hatte Jens gesagt. „ Die Jagdpächter in meiner Region werde ich umgehend darüber informieren, dass der Hund unter meinem Schutz steht und nicht abgeschossen werden darf. Sie werden sich an meine Anweisung halten.“ „ und was ist wenn er weiter gewandert ist? Was ist, wenn er durch die angrenzenden Reviere läuft?“, hatte Hannes erschrocken nachgefragt, da er die Jägerschaft dieser Gegend kannte und sich durchaus vorstellen konnte, dass sich jeder einzelne von ihnen mit dem Abschuss eines wildernden Hundes rühmen würde. Jens hatte ihm eindeutig zu verstehen gegeben, dass er da nicht viel machen könne. Aber Hannes wollte sich damit nicht zufrieden geben und hatte ihn eindringlich gebeten, es doch wenigstens zu versuchen. „ Ich werde die Forstverwaltungen in der Nachbarschaft per Fax benachrichtigen und darum bitten, dass sie ebenfalls entsprechende Mitteilungen an die Jagdpächter ausgeben“, hatte er schließlich zugestanden. „ Ob sie es aber machen, kann ich dir nicht versprechen. Du weißt selbst, wie die meisten meiner Kollegen hier sind.“
Hannes und Jochen waren ungefähr fünf Minuten ihrer nächtlichen Spur gefolgt, als sie die alte Eiche, die sich hinter den hohen Fichten versteckte, sehen konnten. Von dem Hund aber war bis zum Horizont nirgendwo ein Lebenszeichen zu erkennen. „ Er ist hier oben bisher noch niemandem aufgefallen, weder Jens, Waldarbeiter noch den Jagdpächtern“, sagte Hannes nachdenklich. Jochen nickte. „ Das muss nicht unweigerlich heißen, dass er..!“ „ Jochen! Sieh mal!“, unterbrach Hannes ihn aufgeregt und zeigte in die entgegengesetzte Richtung. „ Da hinten bewegt sich irgendwas!“
Jochen nahm das Fernglas und suchte eilig das Feld ab. „ Ja, zwei Rehe!“, antwortete er enttäuscht. „ In diese Richtung brauchen wir schon mal nicht mehr marschieren!“, schlussfolgerte er, da die beiden Tiere seelenruhig umher wanderten und sich keineswegs durch den Geruch des Hundes beunruhigt zeigten.“ Wir sollten uns sowieso erst mal auf das Wäldchen konzentrieren“, schlug Hannes vor und zog sich den dicken Wollschal weit ins Gesicht, da der eisige Ostwind seit der Nacht kaum nachgelassen hatte und noch immer über das freie Feld fegte. „ Wenn er wirklich noch hier oben ist, wird er sich vermutlich in den Schutz des Waldes zurückgezogen haben.“
Der Weg erwies sich noch mühsamer als in der Nacht. Der Schnee war mittlerweile durch die eisigen Temperaturen extrem verharscht, sodass das Laufen noch beschwerlicher geworden war. Jochen nahm immer wieder das Fernglas in die Hand und suchte die weiten Felder nach dem silbergrauen Hund ab. Aber nichts deutete auf dessen Anwesenheit hin.
„Mal ehrlich, Hannes, was denkst du wirklich? Wird er sich überhaupt noch hier oben aufhalten? Oder ist er längst über alle Berge?“, fragte Jochen, als sie die alte Eiche erreicht hatten. Hannes zog die Schultern hoch. „ Ich weiß es nicht. Aber ich habe so ein Gefühl, als würden wir ihn finden. Lass uns doch tatsächlich mal von da oben Ausschau halten!“, schlug er vor und zeigte auf einen nahe gelegenen Hochsitz. Jochen nickte und nahm den schweren Futterbeutel aus dem Rucksack.“ Das Gewicht muss ja nicht unbedingt mit da hoch!“, sagte er für sich und legte die Stofftasche neben der Eiche ab. „ Hörst du das?“. Fragte Hannes und meinte die dumpfen Schüsse, die aus der Ferne zu ihnen herüber schallten. „ Die Jäger frönen wieder ihrer Leidenschaft. Ich will gar nicht daran denken, dass unser Wolf durch fremde Reviere streifen könnte.“ Jochen blickte sorgenvoll in die Ferne. „ Wie kann ein Mensch nur Lust am töten haben?“ und sah noch einmal zu den Rehen hinüber, für die das weitentfernte Schussgeräusch offenbar noch keine Gefahr bedeutete. Hannes drehte sich zu Jochen um und sah ihn an. Er zog sich die Mütze tief ins Gesicht und sagte traurig: „ Lea hätte dir jetzt wohl geantwortet: Weil der Mensch keinen Respekt vor andrem Leben hat.“ Jochen nickte wortlos und klopfte ihm tröstend auf die Schulter. Dann stiegen sie gemeinsam auf den vereisten Hochsitz.“ Ich hätte nicht gedacht, dass man von hier oben so eine tolle Übersicht hat“, stellte Jochen fest, während er ohne Unterlass die Felder und den angrenzenden Waldrand mit dem Fernglas absuchte. „ Denkst du, dass es möglich ist, dass ein Hund hier draußen bei diesen Witterungsverhältnissen allein überleben kann?“, fragte er und legte den Feldstecher für einen Moment zur Seite. „ Ich meine, könnte es nicht sein, dass er sich vielleicht sogar von den Menschen zurückgezogen hat?“

**********
Fortsetzung folgt!
Window nº 10
10-12-2014
10
Lotte - Sweetvalentines Twinkling Star

Kapitel 10

Hannes sah nachdenklich über die Balustrade des Hochsitzes. „ Ja, möglich wäre es schon!“, sagte er zögerlich. „ Aber wenn er irgendwann einmal auf den Menschen sozialisiert worden war, wovon ich mal ausgehe, dann müsste er wirklich schreckliches erlebt haben, um sich tatsächlich ganz von den Menschen abzuwenden.“ Jochen schob den Kragen hoch und kroch noch tiefer in seine Jacke. „ Mal angenommen, es wäre so“, überlegte er, „ und mal angenommen, er hat irgendwo sein festes Revier, wovon ernährt er sich dann aber? Er sah nicht mager aus.“ „ Nein, ganz im Gegenteil“ antwortete Hannes und ließ nebenbei seinen Blick wieder über die Felder wandern. „ Er sah recht gut aus. Ich könnte mir vorstellen, dass er entweder ein guter Jäger ist oder sich seine Nahrung auf irgendeinem Hof sucht. Das würde zwar bedeuten, dass er täglich eine weite Strecke von hier aus zurücklegen müsste, aber naturgemäß wäre das ja…“ Schlagartig brach er seinen Satz ab und stand hektisch auf. „ Dahinten ist er, Jochen!“ Aufgeregt deutete Hannes in die Ferne. Das Erstaunen auf seinem Gesicht zeigte Jochen, dass auch er nicht wirklich an ein Wiedersehen geglaubt hatte.
„Schnell, wir müssen hier runter. Er läuft direkt in unsere Richtung.“ Hannes kletterte so schnell er konnte die eisglatte Stufenleiter hinunter. „ Kannst du ihn sehen?“, rief er Jochen zu, der noch immer oben stand und das Fernglas auf den herankommenden Hund richtete. „ Ja, da läuft er! Dahinten, Hannes, am Waldrand, er läuft direkt auf dich zu! – Pass auf, dass er sich nicht erschreckt!“ Der Hund lief geradewegs auf die alte Eiche zu, hinter deren Stamm Hannes regungslos verharrte. Als er Hannes erblickte, blieb er schlagartig stehen und bewegte sich keinen Zentimeter mehr weiter. Er begutachtete ihn aus der Ferne. Er hielt seine Nase in den kalten Wind und nahm seine Witterung auf. „ Wir kennen uns schon!“ rief Hannes ihm mit sanfter Stimme entgegen. „ Es gibt also keinen Grund zur Aufregung.“ Hannes bewegte sich langsam auf ihn zu. Die Augen des Hundes verfolgten ihn Schritt für Schritt. Hannes spürte wie sie ihn musterten und kontrollierten. Er griff nach dem Futterbeutel, den Jochen neben dem Stamm abgelegt hatte und holte ein Stück Fleisch heraus. „ Na mein Freund? Wie ist es? Hast du Hunger?“, fragte er über die Entfernung und hielt ihm das Fleisch entgegen. Der Hund legte seine Ohren an, zog den Schwanz tief unter den gekrümmten Rücken und ging ein paar Schritte rückwärts. Hin und wieder krauste er die Nase, um Hannes unmissverständlich klarzumachen, dass er sich notfalls zu wehren wüsste. Hannes wunderte sich über das Verhalten des Hundes. Ein so drohendes Angstverhalten hatte er letzte Nacht nicht gezeigt. „ Ist ja gut, mein Wolf. Warum bist du denn nur so misstrauisch? – Was haben dir die Menschen angetan?“ Hannes warf ihm das Fleisch hin. Aber der Hund würdigte es keines Blickes. Er leckte sich mit der Zunge immer wieder über die Nase, aber seine Augen fixierten ausschließlich Hannes. Er registrierte jede seiner Bewegungen. „ Du hast Hunger, stimmt’s ?“ Aber du hast auch Angst, in meiner Gegenwart zu fressen. Weil du dann unkonzentriert wärst, -Ja da hast du Recht.“ Hannes sah den Hund mitleidig an. Er nahm das restliche Fleisch aus dem beutel und legte es neben dem Stamm der Eiche. „ Ich werde gehen und du lässt es dir schmecken. Was meinst du? Ist das ein Angebot?“ Hannes drehte sich langsam um und ging zum Hochsitz.“ Denkst du wirklich, dass du das richtige machst?“ rief Jochen, der noch auf dem zugigen Hochsitz stand und bereits vor Kälte bibberte. „ Warum bleibst du nicht in seiner Nähe?“ Hannes stieg die Leiter empor und sah Jochen entschlossen an. „ Weil er Hunger und Angst hat! Schau ihn dir doch mal an, Jochen. Er misstraut allem und jedem. Es gibt niemanden, der für ihn sorgt und niemanden der ihn liebt. Er hat auf dieser Welt keinen einzigen kleinen Platz, der ihm gehört. Er hat nichts, gar nichts. Noch nicht einmal ein warmes Lager, auf dem er sich einmal aufwärmen könnte.“ Jochen nickte und sah Hannes irritiert an. Wieso ließ er sich zu so einem Gefühlsausbruch hinreißen? Ausgerechnet jetzt, in einer so entscheidenden Situation. Wo war sein Sachverstand geblieben? Wieso traf er eine so spontane Entscheidung? Hannes beobachtete den Hund, wie er langsam und immer wieder nervös in alle Richtungen umschauend an das Fleisch heranschlich, um es sich zu holen. „ Er muss langsam Vertrauen fassen“, sagte er. „ Er wird gleich wieder seines Weges ziehen und wir werden ihn gehen lassen müssen. Diesem Hund ein Halsband anzulegen, um ihn an einer Leine hier wegzuführen, ist undenkbar.“ Jochen sah Hannes fragend an und schüttelte insgeheim den Kopf. „Und was heißt das jetzt im Klartext? Willst du ihn etwa allein hier draußen in der Kälte lassen?“ Hannes nickte. „ Vorerst werden wir keine andere Wahl haben. Ich werde Jens fragen müssen, ob er mir erlaubt, einen wettergeschützten Holzunterstand hier aufzustellen. Wenn ja, werde ich täglich Stroh und Futter herbringen. So erreichen wir zumindest erst einmal, dass er hier bleibt und nicht in ein Nachbarrevier umzieht.“

***********
Fortsetzung folgt!
Window nº 11
11-12-2014
11
Sky - Sweetvalentines One & Only

Kapitel 11

Hannes war todmüde. Er lag auf dem Sofa und beobachtete die Schneeflocken vor dem Fenster. Seit über einer Woche fuhr nun jeden Tag zwischen der Früh- und Abendsprechstunde auf den Eppesberg, um den Wolf, wie er ihn mittlerweile liebevoll nannte, mit Futter und trockenem Stroh zu versorgen. Der Neuschnee der letzten Tage hatte weder die Fahrt auf den Eppesberg noch den Fußweg über das Feld einfacher gemacht, und mit jedem Tag, der verging, verlor Hannes ein Stückchen mehr von seiner Überzeugung, sich dem Hund auf diese Weise vertraut machen zu können. „ Warum betäubst du ihn denn nicht einfach?“, hatte Jens gefragt, als sie gemeinsam den unterstand aufgebaut hatten. „ Du könntest doch ein Schlafmittel ins Futter mischen und ihn dann ganz einfach mitnehmen.“ Aber das Risiko war Hannes bisher zu groß gewesen. „ Was ist, wenn das Mittel nicht sofort wirkt und er davon läuft?“, hatte er Jens geantwortet. „ Ein Schreck würde reichen und er wäre im Dickicht verschwunden. Und wenn er dann irgendwo versteckt einschläft und wir ihn nicht finden, wäre er verloren. Bei diesem Wetter hätte er keine Chance. Er würde definitiv erfrieren.“
Jochen hatte daraufhin vorgeschlagen, einen Käfig mit Falltür direkt neben der Eiche aufzustellen. An die tägliche Futterration war der Hund mittlerweile gewöhnt. Auch die Zeit, zu der er täglich erschien, war immer die gleiche. Manchmal kam es Hannes richtig gespenstisch vor, wenn er pünktliche um 14 Uhr wie aus dem Nichts auftauchte und ihn aus immer gleichbleibender Entfernung dabei beobachtete, wie er das Futter auslegte. Ein Käfig mit Falltür wäre eine realistische Chance, hatte Hannes sich gedacht. Der Hund würde die Box betreten, um an das gewohnte Futter zu gelangen, die Falltür würde den Käfig hinter ihm schließen, und sie könnten ihn mitsamt der Gitterbox mitnehmen. Hannes hatte dem Vorschlag zugestimmt. „ Auf einen Versuch muss ich es ankommen lassen!“, hatte er gesagt. „ Auf Dauer fehlt mir einfach die Zeit, den Wolf täglich auf dem Eppersberg zu versorgen.“ Gemeinsam mit Jochen hatte er also am zweiten Adventssonntag gegen Mittag einen Falltürkäfig neben der Eiche aufgebaut und mit Futter bestückt. Bis zum Nachmittag hatten sie dann bei minus acht Grad auf den nahegelegenen Hochsitz gewartet. Hannes hatte den Käfig auf keinen Fall unbeaufsichtigt lassen wollen, um den Hund nicht unnötig lange in dieser engen Gefangenschaft der unerträglichen Kälte auszusetzten. Sobald sich die Falltür hinter ihm geschlossen hätte, wollte er ihn umgehend zum Rosenhof bringen. Als Wolf eine Stunde später als sonst aufgetaucht war, hatte er den Käfig sofort entdeckt. Unruhig war er am Waldrand auf und ab gelaufen und hatte sich immer wieder irritiert hingesetzt, um sich nervös in alle Richtungen umzusehen. Er hatte eine endlose Geduld bewiesen. Über eine Stunde war er in einem weiten Kreis um die Box herumgeschlichen, hatte sich genähert und wieder entfernt. Dann war er plötzlich nicht mehr zu sehen gewesen. Genauso schnell, wie er jeden Tag wie aus dem Nichts auftauchte, war er an diesem Tag auch wieder verschwunden. Nach zwei weiteren ähnlich verlaufenden Tagen hatten sie frustriert die Gitterbox wieder abtransportiert, um den Hund die Bindung an diesen Ort nicht zu nehmen.
Hannes zog sich die Wolldecke von der Sofalehne, schloss die Augen und dachte an Lea. Ob sie gewusst hätte, was er tun sollte? Gemeinsam hatten sie einmal einen verwilderten Hund eingefangen. Eine ganze Nacht lang hatten sie auf einer Wiese unter freiem Himmel verbracht, bis der kleine Kerl endlich am Morgen aufgetaucht war. Es waren viele Jahre seit dem vergangen. Seit dieser sternenklaren Nacht, mitten im Hochsommer. Lea wohnte damals noch im Dorf. Er hatte sie in dieser Nacht ganz fest in seinen Armen gehalten und ihr gesagt, dass er Angst habe, sie irgendwann zu verlieren. Sie hatte gelacht und gesagt, dass man darüber nicht nachdenkt, wenn man sich gerade erst ineinander verliebt hat. Wenige Monate später hatte er einen Brief auf seinen Schreibtisch gefunden:
„ Hannes, wenn du einem anderen Herzen so nah kommst, dass du das Gefühl hast, eure Seelen würden einander berühren, dann darfst du dir sicher sein, dass ein Engel seine Finger im Spiel hat und du für immer mit diesem Menschen verbunden sein wirst.“
Hannes lächelte traurig und schickte seine Gedanken auf eine weite Reise.

*******
Fortsetzung folgt!
Window nº 12
12-12-2014
12
Jule - Sweetvalentines little Darling

Kapitel 12

Mit einem unguten Gefühl machten sich Hannes und Jochen auch am dritten Adventssonntag wieder auf den Weg zum Eppesberg. Zwei Tage lang war der Wolf nicht erschienen. Es gab nirgendwo auch nur die geringsten Anzeichen dafür, dass er sich noch in der Nähe aufhielt. Nirgendwo ließen sich Spuren im Neuschnee ausmachen, auch das Futter lag unangetastet da. „Ich habe einen Fehler gemacht!“, sagte Hannes, während er schweren Herzens gemeinsam mit Jochen über das Feld stapfte. „ Ich hätte ihm vielleicht doch ein Betäubungsmittel unter das Futter mischen sollen.“ Jochen schüttelte den Kopf. „ Nein Hannes. Auf keinen Fall. Das wäre viel zu riskant gewesen. Du kennst weder sein Gewicht noch seine Konstitution. Du hättest die Dosis schätzen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er trotz des Betäubungsmittels noch hätte flüchten können, wäre zu groß gewesen.“ Hannes wusste, dass Jochen recht hatte. Trotzdem machte er sich Vorwürfe, zu lange abgewartet und überhaupt die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Jens hatte ihm schon vor über einer Woche angeboten, das Betäubungsgewehr einzusetzen. Rigoros hatte er es abgelehnt. „Worauf willst du eigentlich noch warten?“, hatte Jens ihn gefragt. Er hatte ihm darauf keine Antwort gegeben. So lief er seit zwei Wochen bei sibirischer Kälte jeden Nachmittag über dieses eingeschneite Feld, mit dem Erfolg, dass der Hund seit zwei Tagen verschwunden war, und ihm dessen weiteres Schicksal vermutlich den Rest seines eigenen Lebens unbekannt bleiben würde. „ Weißt du, Jochen“, sagte Hannes bedrückt, als die alte Eiche bereits hinter dem Wäldchen sichtbar wurde. „ Ich hatte gehofft, dass wir ihn spätestens Weihnachten bei uns haben würden. Ich will gar nicht darüber nachdenken, dass er in der heiligen Nacht noch immer irgendwo einsam und allein durch die Kälte streift.“ Jochen nickte. „ Noch geben wir nicht auf!“, sagte er, um ihn zu trösten, glaubte aber insgeheim selbst nicht mehr dran den Hund jemals wiederzusehen.
„Nein du hast Recht!“, meinte Hannes ganz plötzlich voller Freude. „ Noch geben wir nicht auf!“ Jochen drehte sich verwundert zu ihm um. Der plötzliche Stimmungswandel seines Freundes überraschte ihn. Er strahlte über das ganze Gesicht. „ Schau mal Jochen, wer da ist!“, sagte er und zeigte in die Nähe der alten Eiche. „ Wolf ist wieder zuhause!“ Jochen traute seinen Augen nicht. Da saß dieser imposante Hund entgegen aller Erwartung nach zwei langen Tagen der Ungewissheit wieder unter der alten Eiche, genau an der Stelle, an der er in der Nacht saß, als sie ihn das erste Mal gesehen hatten.
„ Und sieh dir das an“, sagte Jochen erleichtert und lachte, „ Er beobachte dich schon wieder mit seinen Argusaugen.“ Sie nahmen das Futteraus dem Rucksack und liefen der alten Eiche entschlossen entgegen. „ Sieh mal, was wir dir mitgebracht haben!“, rief Jochen schon aus der Entfernung und warf ein Stück des Fleisches in seine Nähe. Aber wie gehabt beachtete er das Fleisch in ihrer Gegenwart nicht. Hannes zog das in einem Sack mitgebrachte Stroh in einem weiten Radius an dem Hund vorbei in den Unterstand. „ Sag mal, wo warst du denn nur zwei Tage lang?“, fragte er, so als würde er tatsächlich mit einer Antwort rechnen können. Und während er sich in dem Unterstand zu schaffen machte, spürte er wieder diese hellen bernsteinfarbenen Augen, die nicht von ihm abließen. „ Was hast du bloß erlebt, dass du so gar nichts mit uns zu tun haben willst“, fragte er leise und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, um möglichst unbemerkt den Strick mit der vorbereiteten Fangschlaufe aus dem Rucksack ziehen zu können. „ Jochen ich muss es noch einmal versuchen. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich habe schon viel zu lange gewartet. Er wird sein Verhalten nicht ändern! Nicht in absehbarer Zeit.“ Jochen nickte nervös. Endlich kam Hannes zur Besinnung. Es konnte nicht ewig so weiter gehen. Das Verhalten des Hundes war einfach nicht einzuordnen. Man konnte nicht sagen, ob er nun Angst hatte, oder ob er nie auf Menschen worden sozialisiert war, oder was auch immer sein merkwürdiges Verhalten ausmachte. Sicher war nur, dass er sich ihnen nicht freiwillig anschließen würde. „ Bist du davon gelaufen, weil sie dich bestraft haben für etwas, wofür du nichts konntest?“, fing Hannes an, mit dem Wolf zu reden. „ Oder bist du auf und davon, weil du kein Kettenleben führen wolltest? Wie auch immer sie hatten keinen Respekt vor deinen Gefühlen nicht wahr?“ Hannes robbte vorsichtig Zentimeter für Zentimeter in seine Richtung. „ Aber sag mal, fühlst du dich hier draußen nicht furchtbar einsam? Du hast hier doch keine Freunde. Und ehrlich gesagt, stelle ich mir ein Leben bei diesen Temperaturen auch nicht sehr gemütlich vor.“

*****
Fortsetzung folgt!
Window nº 13
13-12-2014
13
Basti-Sweetvalentines Ebony & Ivory

Kapitel 13

Jochen stand ein kleines Stückchen abseits und musste trotz der Anspannung ein wenig schmunzeln. Hannes hatte das Talent, sich stundenlang mit einem Hund oder einem Pferd oder einer Ziege unterhalten zu können, um sich auf diese Weise dem jeweiligen Tier vertraut zu machen. Es klappte auch immer hervorragend. Nur der Wolf wollte sich offensichtlich nicht auf ein > Gespräch< einlassen. Hannes griff in die Tasche und holte ein weiteres Stück Fleisch hervor. Er hielt es dem Hund mit seiner linken Hand entgegen. „ Schau mal, das habe ich dir heute mitgebracht. Willst du es nicht doch mal von mir nehmen? Immerhin haben wir uns zwei lange Tage nicht gesehen.“ Es lagen nur noch etwa vier Meter zwischen ihnen. Hannes hatte es geschafft, den gewohnten Radius zu überschreiten, ohne dass der Wolf ihm auswich. Er brachte sich vorsichtig in eine Position, aus der er dem Hund weiterhin mit der einen Hand das Futter entgegen halten konnte und ihm mit der anderen sicher die Schlaufe über den Kopf hätte ziehen können. Wolf hob die Nase, so als würde er sich von dem gutriechenden Fleisch überzeugen lassen wollen. Hannes saß hochkonzentriert und bis zum Äußersten angespannt im Schnee. Er hielt die Schlaufe fest in der rechten Hand. „ Immerhin bist du hierher zurückgekehrt. Also findest du uns doch gar nicht so über!“, redete er weiter auf den Hund ein, um dessen Aufmerksamkeit auf seine Stimme zu lenken. Er musste noch ein Stück näher an ihn heran. Aus dieser Entfernung wäre er treffsicher genug gewesen. Aber Wolf wurde bereits unruhig. Wie weit würde er ihn heranlassen? Nie zuvor hatte er diese Nähe akzeptiert. Hannes wusste, dass er die Toleranzgrenze des Hundes längst überschritten hatte.
„ Alles ist gut, Wolf. Wir können dich hier draußen nicht länger lassen. Vertrau mir! Es wird alles gut werden.“ Hannes nahm zum ersten Mal Blickkontakt zu ihm auf. Zum allerersten Mal erwiderte er den unablässigen und durchdringenden Blick des Hundes. Seine Augen schienen ihn zu durchbohren, aber er konzentrierte sich entschlossen auf das Fangtau, das fest in seiner rechten Hand lag und auf seinen Einsatz wartete. Er musste die noch zwischen ihm und dem Hund liegende Entfernung mit einem überraschenden, absolut sicheren Sprung überbrücken und gleichzeitig zielgenau die Schlaufe über den Kopf des Tieres werfen. Wenn er falsch ansetzte, hatte er seine Chance vertan. Ein zweites Mal würde er ihn nicht so nah an sich heranlassen. Es musste also klappen. Es durfte nicht schiefgehen.
Jochen hockte mucksmäuschenstill in einiger Entfernung im Schnee und beobachtete die Situation. Die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, obwohl der kalte Wind immer noch messerscharf über das Feld wehte. Jetzt kam es darauf an. Hannes durfte keinen Fehler machen. Der Hund schob sich sitzend wenige Zentimeter zurück. Hannes wartete. Ihre Augen ließen keine Sekunde voneinander ab. Wie zwei Gegner, die sich im Kampf gegenüberstehen und nur auf einen Fehler des anderen warten, saßen sie da. Aber Hammes wusste, dass er dieses Spiel nur verlieren konnte, wenn es sich zu sehr in die Länge zog. Er konzentrierte sich, spannte seine Muskeln an und warf sich mit einem einzigen, gezielten Satz dem Hund entgegen. Die Fangschlaufe fiel gekonnt über den Kopf des Hundes. Aber er wehrte sich mit einer unerwarteten Kraft. Er zog seinen Kopf mit einem kraftvollen Ruck zurück und stützte sich mit seinem gesamten Gewicht gegen Hannes. Der verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Der Hund sprang zur Seite und riss Hannes das Tauende aus der Hand. Er drehte sich um und verschwand mitsamt dem Fangtau um seinen Hals im dichten Unterholz des Waldes.
Hannes lag erschöpft im Schnee. Damit hatte er seine wahrscheinlich erste und letzte Chance vertan. Wieso nur hatte er das Tau losgelassen? Er hatte ihn doch schon fest in der Schlinge. Vorsichtig stand er auf. Sein Rücken schmerzte. Er war mit der Wucht von mindestens vierzig Kilo unsanft umgehauen worden und er hatte Mühe, sich wieder aufzurichten. „ Hannes, ist alles in Ordnung mit dir?“, rief Jochen und kam aufgeregt angelaufen. „ Was ist los?“, fragte er noch einmal besorgt, weil Hannes ihm nicht antwortete, sondern erschrocken auf den Boden starrte. „ Schau dir das mal an Jochen!“, sagte er leise. „ Darum saß er heute die ganze Zeit so bewegungslos da.“ Jochen entdeckte einen erschreckend großen Blutfleck im Schnee, genau an der Stelle, an der Wolf die ganze Zeit über gesessen hatte. Er folgte der Spur bis zum Wald. „ Er hat überall Blut verloren!“, rief er Hannes zu. „ Die Verletzung muss am Lauf oder an der Pfote sein. Das Blut ist nicht an der Schneeoberfläche. Es ist immer eingetreten in den Laufspuren.“ Hannes starrte noch immer geschockt auf den mit Blut durchtränkten Schnee. „ Darum war er vermutlich auch zwei Tage nicht hier“, grübelte er und schüttelte den Kopf. „ Darf alles nicht wahr sein.- und ich lass mir auch noch das Tauende aus der Hand reißen.“ Jochen sammelte den Jutesack und den Futterbeutel ein, holte Hannes‘ Handschuhe aus dem Unterstand, reichte sie Ihm wortlos und musterte noch einmal die Blutspur. „Hannes, wir brauchen jetzt eine Lösung. Er ist verletzt und wir haben noch nicht einmal die leiseste Ahnung, um was für eine Verletzung es sich handelt. Wir haben keine Zeit mehr, auf irgendwas zu warten“, sagte Jochen eindringlich. „Wenn es eine Schusswunde ist, muss es behandelt werden.“ Hannes zog resigniert die Schultern hoch. Und nachdem er sich vergewissert hatte, dass er der Spur des Hundes durch das unüberwindbare Dickicht des Waldes nicht folgen konnte, machten sie sich schweigend auf den Weg zur Straße. Erst als sie beim Jeep angekommen waren, hielt Jochen seinen Freund am Arm fest und sah inständig an. „Du musst sie jetzt anrufen. Wenn überhaupt irgendwer zu diesem Hund Zugang bekommt, dann nur sie.“ Hannes sah Jochen erschöpft an. Er stieg in den Wagen, steckte den Zündschlüssel ins Schloss und starrte auf das Lenkrad. „Hannes!“, versuchte Jochen noch einmal an dessen Vernunft zu appellieren, Während er noch immer an der geöffneten Fahrertüre stand. „Lea hat jahrelang mit ängstlichen Hunden gearbeitet und du weißt genauso gut wie ich, dass sie in einer ähnlichen Situation schon einmal einen Hund vor dem Abschuss bewahrte. Sie könnte es schaffen. Hannes! Der Hund ist verletzt. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren!“ Hannes startete den Motor und bat Jochen einzusteigen. Ohne ein einziges Wort fuhren sie zurück zum Rosenhof.

*******
Fortsetzung folgt!
Window nº 14
14-12-2014
14
Nelly - Sweetvalentines mon amour

Kapitel 14

„Sag mal Rosalie, verstehst du eigentlich, warum die beiden sich das antun?“, fragte Jochen am Abend des dritten Advents. Rosalie lag mit Juli und Kater Mugli auf der Couch und sah sich alte Fotos an. „Wen meinst du, Jochen?“, fragte sie beiläufig. Jochen stand auf und setzte sich zu ihr auf den Rand des Sofas. „Wen mein ich wohl? Hannes und Lea natürlich!“ Rosalie sah Jochen nachdenklich an. Sie hatte sich diese Frage schon oft gestellt. Und sie hatte auch mit Lea schon oft darüber geredet. „Rosalie“, hatte Lea noch vor wenigen Tagen traurig am Telefon gesagt, „Ich bete jeden Abend zum Himmel, dass es aufhört. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh es tut und wie viel Leere es hinterlässt.“ Und nach jedem Gespräch hatte sie Rosalie darum gebeten, Jochen davon nichts zu erzählen. „Ich möchte es Hannes nicht schwerer machen, als es ohnehin für ihn ist“, hatte sie jedes Mal gesagt. „Und was du Jochen erzählt, wird auch Hannes erfahren. Sie sind Freunde.“ Rosalie wollte Jochen nicht anlügen müssen und versuchte, das Thema umzulenken. „Schau mal hier, Jochen!“, sagte sie lächelnd und zeigte auf eines der Fotos. „Unsere Juli, ein paar Wochen, nachdem du sie aus dem Labor befreit hast. Wie furchtbar ängstlich sie da noch aussieht!“ Jochen streichelte seiner kleinen Beagledamen über den Kopf. „Davon ist nichtmehr viel übrig, nicht wahr Juli?“ Rosalie lachte und blätterte weiter. „Sie mal hier, wie schick ihr seid, Lea und du, in eurer dunklen Uniform!“ Jochen nahm Rosalie das Album aus der Hand und starrte gedankenverloren auf das Foto. „Meine Güte, wie lang ist das her?“, fragte er, während Juli versuchte, den Platz auf seinem Schoß zu erobern. „Damals war dein Herrchen noch ein richtiger Aktivist und ließ sich durch nichts aufhalten. Und Lea war so zu sagen meine rechte Hand. Ohne sie gäbe es auch uns drei hier jetzt nicht.“ Er legte das Album zur Seite und nahm Rosalie liebevoll in den Arm. „Und dann, Juli, trat diese Frau in mein Leben“, flüsterte er, „Und zog ohne zu zögern die Notbremse!“ Rosalie befreite sich empört aus seiner Umarmung. „Oh nein, mein Lieber, ganz so lass ich das jetzt aber nicht stehen“, verteidigte sich vehement. „Es war ja wohl eher so, dass deine Herzrhythmusstörungen dich zu einer Vollbremsung gezwungen haben.“ Jochen lächelte. „Ja, schon gut“, sagte er beruhigend und strich ihr liebevoll mit dem Finger über die Nase. „Ich bin glücklich, so wie es ist. Ich würde mein Leben hier auf dem Rosenhof für nichts auf der Welt mehr eintauschen wollen.“ Es war bereits früh am Morgen, als Rosalie in Jochens Arm erwachte. Seit dem sie zusammen waren, gab es keine Geheimnisse zwischen ihnen. Rosalie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie Jochen nichts von ihrem fast täglichen Kontakt zu Lea erzählt hatte. Aber was hätte sie tun sollen? Lea war ihre beste Freundin und sie hatte es ihr nun einmal versprochen. Rosalie sah durch das kleine Fenster in den dunklen Himmel. Sie erinnerte sich daran, als Lea vor vielen Jahren mit ihrem Mann hier her ins Haus ihrer Schwiegermutter gezogen war. „Fast ein Jahr hat sie es in diesem Haus im Dorf ausgehalten!“, dachte Rosalie und musste schmunzeln. „Und als sie wegging, gab es im Dorf keinen einzigen Kettenhund mehr!“ Rosalie lachte leise für sich. „Eine Schwiegertochter wie Lea hatte den ehrenwerten Leuten gerade noch gefehlt. Aber sie hat sich nicht verbiegen lassen.“ Rosalie dachte an den Tag, als Lea mit Melodie, einer kleinen, blinden Kettenhündin auf den Hof kam, um sie von Hannes untersuchen zu lassen. Damals sahen die beiden sich zum ersten Mal.“ Was eine einzige Minute doch für einen Einfluss haben kann!“, strich es durch ihre Gedanken. „Sie gaben sich die Hand und ließen nie wieder von einander los!“
Bald war der vierte Advent. Seit langer Zeit wurde er auf dem Rosenhof traditionell gefeiert. Lea schmückte immer den Baum und bereitete die Stube drüben bei Hannes vor, und Rosalie war für das Essen zuständig. Jeder hatte für jeden ein kleines Geschenk. Am Abend gingen sie alle gemeinsam in den Stall, den Hannes und Jochen immer hergerichtet hatten, um auch mit den Pferden, dem Esel und den Ziegen zusammen sein zu können. Wie würde der vierte Advent in diesem Jahr aussehen? Der Gedanke an all die Veränderungen machte Rosalie traurig. „Schläfst du noch?“, fragte Jochen leise, obwohl er längst bemerkt hatte, dass sie seit einer ganzen Weile gedankenverloren vor sich hin träumte. Rosalie schüttelte den Kopf. „Ich bin schon eine Zeit lang wach!“, antwortete sie und schmiegte sich eng an ihn. Jochen drehte seinen Kopf zu ihr und sah sie nachdenklich an. „Was ist los?“, fragte Rosalie. „Worüber grübelst du nach?“ Jochen antwortete ihr nicht. „Hast du schlecht geträumt?“, lies Rosalie nicht locker. Er entzog sich ihrem Arm und stand auf. „Rosalie, hast du Lea schon von dem Hund auf dem Eppesberg erzählt?“ Rosalie sah Jochen verwirrt an. „Bitte, Rosalie, es geht jetzt nicht darum, was du mir erzählt hast und was ich weiß oder auch nicht weiß. Jetzt geht es um ein Leben. Also – Hast du ihr schon von ihm erzählt?“ Rosalie nickte. „Ja hab ich“, sagte sie beschämt. Jochen sah sie wartend an. „Was hast du ihr erzählt?“ „Also, um ehrlich zu sein“, antwortete sie zögerlich, „ich habe ihr jeden Tag von dem aktuellen Stand berichtet. Nur gestern nicht. Gestern haben wir nicht telefoniert.“ Jochen strahlte. „Sie kennt also den gesamten Ablauf!“, stellte er noch einmal zufrieden für sich fest. „Du bist ein Schatz, Rosalie!“, Rief er und griff eilig zum Telefon. „Rosalie!“, sagte er ohne lange Erklärung und hielt ihr den Hörer entgegen. „Sie muss kommen. Der Hund hat vermutlich eine Schussverletzung. Er blutet stark am Hinterlauf oder an der Pfote. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn es einer schafft, an ihn heranzukommen, dann Lea.“ Rosalie zog die Stirn in Falte und verstand in diesem Moment überhaupt nichts mehr. „Also Jochen, vielleicht erklärst du mir erst mal, was passiert ist! Ich rufe doch nicht um 5:30 Uhr bei Lea an und sage ihr, dass sie sofort kommen muss, ich aber eigentlich gar nicht weiß, warum.“ Sie schob das Telefon beiseite und schüttelte den Kopf. „Außerdem kannst du dir wohl auch denken, dass sie nicht kommen wird, egal, was passiert ist! Und mal ehrlich, Berlin liegt auch nicht gerade direkt ums Eck. Wie stellst du dir das vor?“ Jochen sah Rosalie eine Weile überlegend an. „Erinnerst du dich an das Foto, dass du mir gestern Abend von Lea gezeigt hast? Ich meine das mit den beiden befreiten Hunden.“ Rosalie nickte. „Lea und ich haben unsere eigene Sicherheit für das Leben dieser Hunde eingesetzt. Ihr wird nichts wichtiger sein als ein Leben, das ihre Hilfe braucht. Sie wird kommen!“ Rosalie stand kommentarlos auf und ging in die Küche. „Warum rufst du Lea nicht selbst an?“, rief sie nach einer Weile durch den Flur. Jochen zog die Augenbrauchen hoch und seufzte. Die Frage hatte er erwartet und er empfand sie sogar als durchaus berechtigt. Aber nachdem Hannes seinen Vorschlag, Lea anzurufen, am Tag zuvor entschlossen zurückgewiesen hatte, befürchtete er, dass er ihm eine Eigeninitiative übel nehmen würde. „Du kannst dir sicher vorstellen, wie Hannes mir das auslegen würde, wenn ich hinter seinem Rücken Lea bitte, hier her zu kommen“, rief Jochen in die Küche. „Ich kann ihn jetzt schon höre, wie der mir einen Vortrag über Vertrauensbruch hält.“ Rosalie kam mit zwei gefüllten Kaffeetassen zurück und setzte sich zu Jochen auf die Bettkante. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihn an. „Ich werde sie anrufen, vorausgesetzt du erzählst mir endlich mal, was gestern passiert ist. Aber ich werde sie nicht überreden. Wenn sie nicht kommen will, wirst du es akzeptieren müssen!“

******
Fortsetzung folgt!
Window nº 15
15-12-2014
15
Dusty - Sweetvalentines Promise in Gold

Kapitel 15

Lea hatte sich für den Rest des Jahres Urlaub genommen. Sie stand vor ihrer Haustür, hielt ihren Autoschlüssel und zwei gepackte Reisetaschen in der Hand und wollte sich gerade auf den Weg in ihre knapp 500 km entfernte Heimatstadt begeben, als das Klingeln ihres Handys dumpf aus einer der beiden Taschen zu hören war. Sie sah auf die Uhr und schüttelte entschlossen den Kopf. Sie hätte längst auf der Autobahn sein sollen. Das Gespräch konnte sie auf keinen Fall noch annehmen. Es vergingen ungefähr 10 Sekunden, bis sie ihre Entscheidung über Bord warf und ihr Handy eilig aus einer der Reisetaschen zog. „Ja? Hallo!“, schaffte sie es gerade noch rechtzeitig, den Anruf entgegen zu nehmen. „Hallo, Lea, ich bin‘s, Rosalie.“ „Rosalie! Du wolltest dich doch erst heute Abend melden!“ „Ja, das stimmt schon. Aber…!“ „Rosalie, was ist passiert? Ist was mit Hannes? Sag schon, was ist los mit ihm?“ „Nein, nein, Lea. Mit Hannes ist alles in Ordnung! Ich rufe dich schon so früh an, weil… also… damit du… naja, wie soll ich sagen, es geht um den Hund vom Eppesberg. Er ist vermutlich angeschossen worden. Genaueres weiß Jochen nicht. Nur so viel, dass er gestern stark blutete, und dass er so schnell als möglich Hilfe braucht.“ Lea stellte auch die zweite Reisetasche ab und sortierte noch einmal kurz, was da wirr ihre längst auf Abreise programmierten Gedanken durcheinander brachte. „Der Hund ist angeschossen worden?“, fragte sie noch einmal entsetzt nach. „Aber Jens hatte ihn doch unter Schutz gestellt.“ „Ja, das stimmt. Aber er war zwei Tage nicht zur Futterstelle gekommen. Vielleicht hatte er Jens‘ Revier verlassen. Und ganz sicher ist es auch nicht, ob es eine Schussverletzung ist. Jedenfalls hat er eine Wunde, durch die er viel Blut verloren hat, und die versorgt werden muss.“ Lea nickte für sich. „Was wollt ihr jetzt machen? Was sagt Hannes? Was hat er vor?“ Sie hatte die letzte Frage noch nicht ausgesprochen, da war die Verbindung plötzlich unterbrochen. Lea schloss die Haustür wieder auf, schob die Reisetaschen in den Flur und ging zurück ins Wohnzimmer, um Rosalie vom Festnetz auf zurückzurufen, aber gerade in dem Moment, als sie die Nummer wählen wollte, klingelte das Handy erneut. „Hallo, Rosalie, ich wollte gerade zurückrufen. - Also erzählt mal! Was will Hannes jetzt tun?“
Rosalie fiel es schwer auf den Punkt zu kommen. Sie redete um den eigentlichen Grund ihres Anrufes herum. Sie erzählte von den Bemühungen des Vortages und von den Ereignissen der vergangenen Tage. Lea wollte nicht drängeln und hörte zu. Sie hangelte einen Arm nach dem anderen aus ihrer dicken Jacke, während sie das Handy abwechselnd mit der rechten und der linken Hand ans Ohr hielt. „ Rosalie entschuldige bitte!“, unterbrach sie ihre Freundin nach einiger Zeit geduldigen Zuhörens, „aber ich war sozusagen bereits auf dem Weg zur Autobahn. Ich bin gegen 13 Uhr in Nordrhein-Westfalen verabredet und ich …!“ „ Soll das heißen du stehst neben einem gepackten Koffer und bist quasi abreise fertig?“, fiel Rosalie ihr ins Wort. Lea atmete tief durch. Sie wusste zwar das die Uhren auf dem Rosenhof langsamer ticken als in Berlin, und sie schätzte Rosalies endlose Geduld in der Regel auch sehr, aber in diesem Moment machte sich eine gewisse Ungeduld bemerkbar. „Ja sozusagen, Rosalie, eher neben zwei Reisetaschen. Aber wäre es möglich wenn ich dich heute Abend zurückrufe?“ Dann hätte ich mehr Zeit und mehr Ruhe!“, schlug Lea vorsichtig vor, um Rosalie nicht zu verletzen. „ Nein, Lea, das ist nicht möglich!“Rosalies Stimme klang plötzlich entschlossen und energisch. Es wäre nämlich zu spät. Bitte, Lea nimm deine Taschen und komm her. Du kennst dich mit Angsthunden aus. Du hast gelernt, mit ihnen umzugehen. Wenn einer es schafft, diesen Hund da oben auf dem Eppesberg endlich einzufangen, dann du!“ Lea setzte sich entgeistert in den Sessel und versuchte zu verstehen, was Rosalie da gerade von ihr verlangte. „ Ich soll was? Ich soll auf den Rosenhof kommen? Rosalie, dir geht es wohl nicht mehr gut!“ Sie schüttelte entschieden den Kopf und stand schlagartig wieder auf. Unruhig wanderte sie durchs Wohnzimmer. „ Rosalie, bist du noch ganz bei Trost?“, fragte sie nach einer Weile des Nachdenkens. Rosalie gab ihr keine Antwort. „ Bist du noch da“, fragte Lea nach, da sie befürchtete, dass die Verbindung wieder einmal unterbrochen worden war. „ Ja ist sie“, antwortete Jochen, der das Gespräch überraschend übernommen hatte und Lea damit vollends aus dem Konzept brachte. „ Jochen, was soll das? Ihr beide wisst doch genau, was Hannes und ich für eine Zeit durchmachen. Ich kann nicht auf den Rosenhof kommen. Es würde alles wieder von vorne beginnen.“ „ Lea, ich habe Rosalie gebeten, dich anzurufen weil ich Hannes nicht hintergehen wollte, und weil ich keine Lust auf seine Vorträge hatte. Aber während sie mit dir sprach, wurde mir auf einmal bewusst, dass ich damit unseren Weg verlassen hatte.“

********
Fortsetzung folgt!
Window nº 16
16-12-2014
16
Jessy - Sweetvalentines Indigo Girl

Kapitel 16

Leas Blick streifte ungewollt auf das Foto auf der Kommode am Fenster, das sie und Jochen, Arm in Arm, mit zwei befreiten Hunden zeigte. „ Lea, erinnerst du dich daran, dass wir uns einmal versprochen haben, immer auf unseren Weg zu bleiben, egal, was kommt?“ Lea schloss die Augen und nickte wortlos. „ Es geht um ein leben Lea. Um ein Geschöpf Gottes, das du retten kannst.“ Lea atmete tief durch. „ Jochen, wieso meinst du, dass ich eine größere Chance hätte an den Hund heran zu kommen? Mehr als ihr getan habt, kann ich auch nicht tun. Was glaubst du denn?“ „ Lea, niemand von uns kennt sich mit den Verhaltensweisen ängstlicher Hunde besser aus als du. Du hast mit ihnen gearbeitet, jahrelang. Denk mal an Mütze, der damals wochenlang durch die Felder gestreift ist und sich von niemand einfangen ließ. Zu dir ist er gekommen. Bitte, Lea, du musst es wenigstens versuchen.“ Lea rieb sich mit der linken Hand langsam die Schläfen und seufzte. „ Ach Jochen, Mütze war ein Zwergschnauzer. Und es war Sommer. Ich habe damals nächtelang auf dieser Wiese geschlafen, bis ich ihn hatte, und das ist mir auch nur gelungen, weil er nur eine halbe Portion war. Das kannst du doch gar nicht vergleichen.“
Gib ihm eine Chance, Lea, bevor Hannes heute Nachmittag Jens darum bittet, mit dem Betäubungsgewehr auszurücken.“ „ Hat er das etwa vor?“, fragte Lea bestürzt. „ Gesagt hat er es nicht, und er hat es an sich auch abgelehnt. Aber da war der Hund auch nicht verletzt. Hannes ist Tierarzt. Irgendwas muss er tun. Und was bleibt ihm noch übrig?“ „ Halt ihn davon zurück, Jochen. Das Risiko wäre…“ „ Heißt das, du kommst?“, fragte Jochen so hastig und mit so viel Hoffnung in der Stimme, dass Lea ihren Satz nicht zu Ende sprach. „ Weißt du eigentlich, Jochen, in was für eine Situation du mich gerade bringst?“, fragte sie. „ Ich war sozusagen schon auf dem Weg zu meiner Familie. In ein paar Tagen ist Weihnachten.“ „ Lea, manchmal passen die Dinge einfach zusammen. Besser kann es gar nicht laufen. Du hast Urlaub und deine Abreise ohnehin vorbereitet, und deine Taschen sind bereits gepackt. Du brauchst sich also nur noch ins Auto zu setzen und herkommen.“
Lea schüttelte verzweifelt den Kopf. Unzählige, unsortierte Überlegungen kreisten sekundenschnell durch ihre Gedanken. Ihr Blick streife wieder die Fotos auf der Kommode. Sie sah Juli, die kleine Beaglehündin, die sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion quer durch die Republik zum Rosenhof gefahren hatte. Daneben das Foto von Rosalie. Sie stand vor dem Schuppen, auf der Suche nach Maya, der Ziege, die immerzu verschwand. Und ganz vorn Hannes mit Flora, seiner geliebten, wunderschönen Stute. Lea spürte, wie sehr sie den Rosenhof vermisste. Aber ein Wiedersehen würde die noch immer nicht vernarbten Wunden nur wieder aufreißen. Alles würde von vorne anfangen. Nein! Sie würde nicht zurückfahren. Auf keinen Fall. Hannes würde es nicht noch einmal durchstehen und sie auch nicht. Sie würde zu ihrer Familie fahren und versuchen, wederüber das Gespräch mit Jochen noch über den Hund, den sie schließlich überhaupt nicht kannte, nachzudenken. – Aber würde sie das tatsächlich können? Würde sie ein Leben vergessen können, das ihre Hilfe gebraucht hätte? – Ach was, sie könnte doch ohnehin nichts tun. Der Gedanke, dass sie an den Hund herankäme, war doch irrwitzig. Sie schüttelte wieder entschlossen den Kopf. Und ihre Augen klebten plötzlich unbeabsichtigt auf einer der Zeitschriften, die sie bereits auf den Stapel zum entsorgen gelegt hatte: „ Wer zu handeln versäumt, ist noch keineswegs frei von Schuld“. Siegfried Lenz mit seinen Sprüchen, hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt. Natürlich ist man nicht frei von Schuld nur weil man wegsieht, rechtfertigte sie sich. Aber es gibt im Leben eben immer wieder Situationen, in denen man das Eine gegen das Andere abwägen muss. Sie starrte auf die Zeilen und konnte sich nicht gegen die frage wehren, die sich ihr unweigerlich aufdrängte. Gibt es denn wirklich etwas, was wichtiger wäre, als ein Leben, das Hilfe brauchte? Selbst wenn die Chance, diesem Leben tatsächlich helfen zu können, nur winzig klein ist. Die Antwort war eindeutig. Nein, es gibt nichts, was wichtiger wäre. Nichts, was bedeutsamer sein könnte. Lea nickte für sich. Sie musste es versuchen. Sie musste sich treu bleiben. Sie durfte den Weg nicht verlassen und die Aufgabe, die auf sie wartete, nicht ablehnen. „ Lea? Was ist? Wirst du kommen?“, fragte Jochen noch einmal voller Hoffnung. „ Entschuldige, Jochen, aber ich brauche einen Augenblick zum Nachdenken. Ja, - ja, ich werde kommen. Kannst du mich im Dorf abholen? Ich werde dich anrufen, wenn ich beim alten Krug angekommen bin. Es wird so ungefähr 13 Uhr werden. Ich werde mir da ein Zimmer nehmen und mein Auto auf dem Parkplatz hinter dem Haus abstellen.“ „ Du willst nicht zu uns auf den Rosenhof kommen?“, rief Rosalie enttäuscht in den Hörer. Aber Jochen wollte Lea keine Gelegenheit lassen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. „ Geht in Ordnung!“, sagte er umgehend. „ Ich warte ab 13 Uhr auf deinen Anruf.“
*******
Fortsetzung folgt!
Window nº 17
17-12-2014
17
Sina - Sweetvalentines dark chocolate

Kapitel 17

Der Winter hatte den hochgelegen, kleinen Ort fest im Griff. Nur die Dorfstraße, die durch den unteren Teil des Ortes verlief und hinter dem Ortsausgangschild über den Eppesberg zur Tierklink auf den Rosenhof führte, war geräumt worden. Die bergauf verlaufenden, kleineren Nebenstraßen waren wegen der starken Schneefälle nicht mehr befahrbar. Lea fuhr langsam durchs Dorf. Niemand war unterwegs. Selbst der Platz vor dem kleinen Supermarkt, auf dem sonst täglich die Neuigkeiten aus der Nachbarschaft ausgetauscht wurden, war menschenleer. Lea parkte ihren Wagen auf dem Grundstück der ortsansässigen Pension. Erschöpft von der Fahrt, aber auch erleichtert, bei diesen Wetterverhältnissen hier oben angekommen zu sein, stieg sie aus und sah sich um. Ihr Blick wanderte an den Fassaden der kleinen Fachwerkhäuser entlang, die sich schief und krumm wie ein Kunstwerk um den Kirchplatz herum aneinanderreihten. „ Dieses Dörfchen kann so idyllisch sein“, dachte sie und bewunderte die große, geschmückte Tanne, die inmitten der kleinen Häuschen in den Himmel ragte. Lea sah hinüber zur Kirche. Rosalie hatte ihr erzählt, dass Hannes ein Foto des Hundes in den Aushängekasten der Kirche gehängt hatte. Die Leute kamen am Sonntag aus den umliegenden kleinen Dörfern hierher, da es weit und breit das einzige Gotteshaus dieser Gegend war. „ Es könnte doch sein, dass er, traumatisiert von irgendeinem Erlebnis, entlaufen ist“, hatte Hannes anfangs gesagt.“ Vielleicht erkennt ihn ja jemand, und wir finden auf diese Weise den Besitzer.“ Lea zweifelte daran, dass überhaupt jemand das Foto beachtete und diesen Hund eines Blickes würdigte. Hunde waren in dieser Gegend dazu da, die Höfe zu bewachen, und wenn sie dieser Aufgabe nicht nachkamen und auch noch davon liefen, taugten sie in den Augen des Besitzers ohnehin nichts und bedeuteten deswegen auch keinen Verlust. Lea sah auf die Uhr. Es war 12:30 Uhr. Sie hatte noch eine halbe Stunde, bis Jochen ihren Anruf erwartete. Sie zog ihre Mütze tief ins Gesicht und entschied sich, zunächst über den Kirchplatz zu gehen, um sich das Foto in dem Kasten anzusehen. Gleich hinter dem Parkplatz des alten Kruges begegneten ihr zwei Touristen, die ihr freundlich zunickten. „Entschuldigen sie!“ sprach einer der beiden Herren sie ganz unerwartet an. „Können sie mir sagen, ob es hier noch eine weitere Pension gibt? Der alte Krug vermietet zur Zeit keine Zimmer.“ „Was?“, fragte Lea erschrocken. „Wieso vermieten die zur Zeit keine Zimmer?“ „Wegen Umbau!“, erklärte der freundliche Herr kurz und bündig. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wieso hatte Jochen ihr das nicht gesagt. Das hätte er doch wissen müssen. Hier wusste doch immer jeder alles. Sie sah den freundlichen Herren verstört an und schüttelte den Kopf. „Nein es gibt nur die eine Pension hier.“ Die beiden Touristen nickten ihr wieder lächelnd zu und gingen weiter. Lea atmete die kalte Winterluft tief ein und machte sich auf den Weg zur Kirche. Der Gedanke, dass sie nun doch auf dem Rosenhof übernachten musste, gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber ihr blieb keine Alternative. „In diesem Fall müsste Jochen mich bei dem Wetter ja auch nicht abholen“, dachte sie für sich. „Ich muss mein Auto dann ohnehin mitnehmen.“ Sie schüttelte frierend den Kopf. „Nein, es macht keinen Sinn, dass er die anstrengende Fahrt über den Eppesberg bis ins Dorf hinunter auf sich nimmt. Ich werde ihm sagen, dass ich zum Rosenhof komme.“ Auf dem Weg zur Kirche sah Lea immer wieder in die geschmückten, kleinen Stuben, die sich hinter den winzigen Butzenglasscheiben der Fachwerkhäuschen verbargen. Diese heimelige Gemütlichkeit, diese Ruhe und Geborgenheit, die sie über all die Jahr auch auf dem Rosenhof gefunden hatte, fehlten ihr sehr. Sie zog ihren Schal fester und sah zu dem Kreuz hinauf, das neben dem Portal zur Kirche stand. „Ob du Zeit hast, mir zu helfen, den einsamen Hund da oben auf dem Eppesberg einzufangen? Allein werde ich es wohl kaum schaffen.“ Sie lies sich noch einen Moment lang Zeit für ein kurzes Gebet. Dann lief sie weiter, um die Kirche herum, zum Aushängekasten. Und da sah sie ihn. Den Hund, dessen Geschichte sie nun seit zwei Wochen Abend für Abend per Telefon verfolgte. Auf einem Foto, dass der Größe eines DIN-A4-Blattes entsprach. Genau so hatte sie ihn sich vorgestellt. Wie er da saß, neben dieser altern Eiche. Groß und imposant. Sein Fell dicht und silbergrau. Seine Augen bernsteinfarben und leuchtend. Lea starrte auf das Foto. „Hoffentlich hat Jochen mir da nicht zu viel zugetraut!“, dachte sie und suchte in ihrer Tasche nach ihrem Handy, um ihn anzurufen.
„Tierarztpraxis Hannes Petersen, Jochen Matthiesen am Apparat!“, sagte er eilig, und seine Stimme klang aufgeregt und atemlos. „Hallo Jochen, ich bin da! Ich stehe im Dorf vor dem Kasten an der Kirche.“ „Lea! Bin ich froh, dass du heil angekommen bist. – Wir haben ein riesen Problem. Ich kann in der nächsten Stunde hier noch nicht weg. Hannes hat genau um 13:00 Uhr noch eine OP eingeplant.“ Lea nickte. Ein nicht ganz perfekter Plan, wie es schien. Der alte Krug war wegen Umbau geschlossen, und Jochen stand noch im OP, obwohl sie eigentlich noch bei Tageslicht gemeinsam auf dem Eppesberg sein wollten. „Weißt du was, Jochen“, meinte Lea beruhigend, „Ich muss sowieso zu euch kommen. Der alte Krug hat zur Zeit geschlossen. – Ich geh mal davon aus, dass du das nicht gewusst hast, oder?“ „Ne, bestimmt nicht! Das ist mir völlig neu!“, antwortete Jochen überrascht. „Aber ich kann nicht gerade behaupten, dass es mich nicht freut.“ Lea schmunzelte. Er hatte sich nicht verändert. Und sie freute sich insgeheim sehr darauf, ihn wieder zu sehn. „Ja, dann bin ich so ca. in einer halben Stunde, na ja, bei diesem Wetter wohl eher in einer dreiviertel Stunde, bei euch.“ Sie steckte ihr Handy wieder in die Tasche und ging zurück zum Parkplatz.

******
Fortsetzung folgt!
Window nº 18
18-12-2014
18
Sunny - Sweetvalentines Indian Spirit

Kapitel 18

Die einzige Verbindung zwischen dem Dorf und dem Rosenhof war eine schmale Straße, die vom Dorf zunächst wieder hinunter ins Tal führte, um sich dann in zahlreichen Kurven über die Bergkuppe des Eppesberges zu schlängeln. Lea hatte alle Hände voll zu tun, um den alten Kombi auf der eingefahrenen, spiegelglatten Schneedecke in der Spur zu halten. Sie versuchte, sich auf das Fahren zu konzentrieren, ertappte sich aber immer wieder dabei, nicht wirklich bei der Sache zu sein, da sie das Foto des Hundes noch immer vor sich sah. „Er sieht wieder aus wie ein Wolf!“, dachte sie und blickte dem Ausgang ihrer Aufgabe eher skeptisch entgegen. „Was soll das bringen?“, hatte ihre Mutter sie am Morgen gefragt, als sie ihr erklärt hatte, warum sie erst ein oder zwei Tage später kommen würde. „Glaubst du wirklich, so ein verwilderter Hund kommt auf dich zugelaufen, als hätte er ausgerechnet auf dich gewartet?“ Lea nickte für sich. „Wahrscheinlich hat sie recht“, dachte sie und hielt das Lenkrad fest in ihren Händen.
Die ohnehin nur einspurige Straße schien ihr mit jedem Meter, den der Kombi sich vorwärts schleppte, durch die vom Räumdienst seitlich aufgetürmten Schneemassen noch schmaler zu werden, und sie hoffte inständig, hier oben keinen Gegenverkehr zu haben. Angespannt saß sie hinter dem Lenkrad und versuchte, jedes Rutschen durch ein Gegenlenken aufzufangen. Ihr standen die Schweißperlen auf der Stirn, und sie spürte plötzlich ein entsetzliches Pochen in ihrem Kopf. „Kopfschmerzen! Die haben mir jetzt gerade noch gefehlt!“, Sagte sie leise und hatte im gleichen Augenblick das Gefühl, dass sich neben dem Auto auf dem eingeschneiten Feld etwas bewegt hatte. „Bitte jetzt nicht auch noch ein Reh, das mir gleich vor den Wagen läuft!“, dachte sie, traute sich aber nicht, ihren Blick von der Straße zu lassen. Sie schaltete einen Gang herunter und versuchte zu bremsen. Der Wagen reagierte nur schwerfällig. Er glitt wie ein Schlitten noch mehrere Meter langsam seitwärts weiter, bis er mit dem vorderen rechten Kotflügel von den aufgeschütteten Schneemassen am Rand der schmalen Straße mit einem leichten Ruck gestoppt wurde. Lea wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und sah sich um. Sie seufzte erschöpft. Weit und breit war nichts zu sehen, was sich neben dem Wagen hätte bewegt haben können. Sie fühlte sich müde von der langen Fahrt und führte ihre Sinnestäuschung auf das massive Pochen in ihrem Kopf zurück. „Ich muss wirklich absolut verrückt sein!“, dachte sie und schüttelte den Kopf. „Was mach ich hier nur? Das Ganze ist doch eine völlig irrsinnige Aktion.“ Sie stieg aus und ging um den Wagen herum. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass dieser keinen erwähnenswerten Schaden abbekommen hatte, öffnete sie die Heckklappe der Ladefläche, um die Thermoskanne mit dem Kaffee aus einer der Taschen zu nehmen. Aber noch ehe sie die Ladeklappe wieder losgelassen hatte, hörte sie hinter sich leise Schritte im verharschten Schnee. Sie blieb ganz ruhig stehen, die Hand noch immer an der geöffneten Ladeklappe. Sie spürte, dass sich etwas auf sie zu bewegte. Zögernd ließ sie die Klappe los und drehte sich langsam um. „Das gibt’s doch nicht!“, flüsterte sie fassungslos.

********
Fortsetzung folgt!
Window nº 19
19-12-2014
19
Majlo - Sweetvalentines Nightshadow

Kapitel 19

„Das ist er! Das ist der Hund von dem Foto!“ Lea hielt den Atem an und traute ihren Augen nicht, als der Hund jetzt langsam aber unbeirrbar direkt auf sie zu kam. Er hinkte, seinen rechten Hinterlauf setzte er nicht auf. Dem Blick der bernsteinfarbenen Augen fest auf ihr Gesicht geheftet, näherte er sich ihr – Schritt für Schritt, Zentimeter für Zentimeter. Wie hypnotisiert sah Lea dem Hund entgegen, der auf geheimnisvolle Weise ihren Blick eingefangen und festgehalten hatte. Sie stand da und wartete. Er sah genauso aus wie auf dem Foto. Stolz und groß, mit funkelnden Augen und silbergrauem, dichten Fell. Wenige Meter hinter ihrem Wagen blieb er stehn. „Du siehst ja wirklich aus wie ein Wolf!“, stammelte sie leise mit bebender Stimme und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Sie musste sich fangen, Ihre Fassung wieder gewinnen. Unsicherheit war jetzt genau das, was sie nicht brauchen konnte. Aber die Situation hatte sie überrannt. Sie musste nachdenken. Sie wusste überhaupt nicht was sie tun sollte. Sie drehte sich wieder zur Ladefläche ihres alten Kombis und kramte hektisch in der Tasche nach ihrem Handy. „Ich muss Jochen anrufen. OP hin oder her. Er muss sofort kommen.“ Sie sah auf das Display und stellte fest, dass sie ausgerechnet im Funkloch des Eppesberges angehalten hatte. Lea spürte, wie die Augen des Hundes jede ihrer Bewegungen registrierten. Unzählige Überlegungen fegten durch ihren Kopf: Wieso kam er ihr so nah? Und wieso lief er überhaupt hier her zur Straße? Er hatte sich doch bis jetzt nur im Dickicht des Waldes aufgehalten. Seine Verletzung schien nicht mehr zu bluten. Im Schnee jedenfalls war keine Spur zu sehen. Oder hatte sie nur nicht darauf geachtet? Aber eine Verletzung musste er offensichtlich haben. Er humpelte stark. Lea schob die vielen Fragen in ihrem Kopf beiseite. Sie musste sich konzentrieren. Nervös suchte sie in einer ihrer Taschen nach einem mit Käse belegtem Brot, „Oh man, Lea“, ermahnte sie sich selbst, „Was ist nur mit dir los? Mach endlich was!“ Sie drehte sich zu ihm um und hockte sich ohne seine Anwesenheit zu beachten, in den Schnee. Aufmerksam und völlig gelassen saß er da und musterte sie. „Weißt du eigentlich, dass ich nur deinetwegen aus Berlin hier her gekommen bin?“, fragte sie und bemühte sich, entspannt zu wirklich, was ihr allerdings nicht wirklich gelang. „Du sollst ein ziemlich verrückter Hund sein, einer, der selbst nicht so genau weiß, ob er nun Angst hat oder nicht.“ Sie sah ihn an und bemerkte, wie er ihr aufmerksam zuhörte. Seine Ohren bewegten sich vor und zurück, und nichts deutete auf ein nur annähernd ängstliches oder gar aggressives Verhalten hin. „Naja, jedenfalls sagt man, du würdest niemand in deine Nähe lassen!“ Sie schätzte die Entfernung, die zwischen ihnen lag, auf nicht mehr als 3 Meter und meinte lächelnd: „Stimmt wohl auch nicht so ganz, was?“ Sie packte das Brot aus und hielt es ihm hin.“ Na komm, hol dir ein Stück!“, sagte sie sanft und spürte, dass ihre Stimme noch immer ein wenig flatterte. Der Hund hob seine Nase, zeigte aber kein wirkliches Interesse. „Na gut, wenn du nicht möchtest, wirst du satt sein.“ Lea stand langsam auf. Sie legte das Brot auf die Kante der Ladefläche und setzte sich daneben. Der Hund verfolgte genau, was sie tat. Wenn sie ihn ansah, legte er die Ohren leicht zurück, und seine buschige Rute bewegte sich freundlich im Schnee hin und her. Lea begutachtete das Fangtau, das er um seinen Hals trug. Wie nah würde er sie an sich heran lassen? Wie würde er reagieren, wenn sie einfach auf ihn zugehen würde? Würde er fliehen oder in die Offensive gehen? Sie schob die Reisetaschen hinter sich vorsorglich zur Seite. Wieso stellte sie sich diese Fragen überhaupt? Bisher hatte er sich doch zugänglich und freundlich gezeigt. Sie dachte an Rosalies Erzählungen und an Jochen, der verzweifelt um ihre Hilfe gebeten hatte. Sie durfte sich jetzt nicht von dieser Geschichte beeinflussen lassen. Nur der eigene Eindruck zählte. Und dieser Hund zeigte ihr gegenüber bisher ein völlig normal sozialisiertes und freundliches Verhalten. Ob sie das nun verstehen konnte oder nicht. Sie stand auf und ging langsam auf den Hund zu. „Komm her, mein schöner Wolf!“, sagte sie, als sie unmittelbar neben ihm stand. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht allein hier bleiben willst, oder?“ Sie hockte sich zu ihm hinunter und griff ganz ruhig nach dem Ende des um seinen Hals hängenden Taus. Der Hund mit den bernsteinfarbenen Augen leistete keinerlei Widerstand. Er stand auf und ließ sich bereitwillig zum Auto führen. Sie half ihm auf die Ladefläche und begutachtete die Verletzung an seinem Hinterlauf. Ein Teil des Felles und der Haut fehlte. „Das sieht ja schlimm aus!“, meinte sie leise für sich, und die Vorstellung, welchen Schmerz er ausgehalten haben musste, ließ sie erschaudern. Lea sah ihn an und lächelte. „Jetzt brauchst du nur noch einen Namen, mein schöner Wolf. Wie wär‘s mit Yukon? Würde ausgezeichnet zu dir passen“, sagte sie und strich ihm liebevoll eine ganze Weile mit der Hand über den Rücken. Dann schloss sie vorsichtig die Heckklappe und starrte vor sich in den Schnee. „Was haben die mir denn nur für eine Geschichte erzählt?“, fragte sie sich und schüttelte verwirrt den Kopf. Sie warf noch einmal einen Blick durch die Heckscheibe auf die Ladefläche. Yukon saß seelenruhig da. Sein Blick wanderte über die weiten Felder, an deren Horizont sich eine alte Eiche hinter einem kleinen Fichtenwäldchen versteckte.

*****
Fortsetzung foglt!
Window nº 20
20-12-2014
20
Sky - Sweetvalentines Milk & Honey

Kapitel 20

„Lea! Da bist du ja endlich!“, rief Jochen aufgeregt, als er aus dem Haus kam und den Kombi neben dem Holzschuppen entdeckte. Er lief ihr erleichtert entgegen und umarmte sie. „Wo warst du denn nur so lange? Wir waren so in Sorge um dich.“ „Entschuldige, Jochen“, sagte sie und zeigte hinüber zu ihrem Wage. „Aber du wirst nicht glauben, was ich für eine Überraschung mitgebracht habe.“ „Meine Güte, Lea!“, sagte Jochen aufgeregt, ohne ihr zugehört zu haben. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen?“ Er strahlte über sein ganzes Gesicht. „Rosalie ist noch im Stall bei den Ziegen. Sei nicht böse. Aber ich musste ihr versprechen, dass ich ihr sofort Bescheid sage, wenn du da bist. Warte eine Sekunde, ja, Lea? Ich bin sofort zurück!“, rief er ruhelos, während er bereits davoneilte und hinter dem Haus verschwand. Lea ging zum Auto zurück und sah durch die Heckscheibe. Yukon war auf der Fahrt tatsächlich eingeschlafen. Und er schlief noch immer tief und fest. Sie öffnete die Ladeklappe und legte ihm eine Decke über. Er ließ es sich gern gefallen. „Schlaf dich aus, mein Schöner!“, flüsterte sie und ließ die Heckklappe leise ins Schloss fallen. Sie lief ein paar Schritte über den Hof. Ungewollt erinnerte sie sich an den Tag, an dem sie den Rosenhof verlassen hatte. Es war im Frühjahr. Die Rapsfelder hatten bereits geblüht und die ganze Umgebung in einen unverwechselbaren Duft getaucht. Rosalie hatte damals weinend am Tor gestanden. „Du kommst doch wieder, nicht wahr?“, hatte sie Lea zum Abschied gefragt, und sie hatte genickt um es Rosalie nicht noch schwerer zu machen. Lea drehte sich um und sah hinüber zu dem idyllischen kleinen Fachwerkhäuschen am Rande des Rosenhofes. Es war viele Jahre lang ihr Zuhause gewesen. Sie spürte, wie die Wehmut schwer auf ihr lastete. Was würde Hannes wohl sagen, wenn sie plötzlich vor ihm stünde? Sie müsste ihm umgehend erklären, dass sie gar nicht vorgehabt hatte, hier her zu kommen, dass sie im alten Krug hatte übernachten wollen, dass der aber gerade umgebaut würde. Sie würde ihm sagen, dass sie… „Lea?“ unterbrach plötzlich seine vertraute Stimme ihre Überlegungen. „Lea! Bist du wirklich hier, oder träume ich schon wieder?“, fragte er leise. Lea hielt den Atem an. Ihre Hände fingen an zu zittern, und der Boden schien sich unter ihren Füßen aufzulösen. Sie drehte sich langsam zu ihm um. Und sie hatte das Gefühl, die Zeit würde für einen Moment lang still stehen. Alle Gedanken waren wie ausgelöscht. Nichts von dem, was sie hatte sagen wollen, war noch gegenwärtig. Alle Erklärungen lösten sich auf in einem Wirbel aus Schwindel und Herzklopfen. Zögerlich ging sie auf ihn zu. Nach Monaten der Sehnsucht standen sie sich wieder gegenüber. Sie sahen sich an und reichten sich die Hände. Wortlos und auffallend lange. Genau wie damals, als sie sich zum ersten Mal hier auf dem Rosenhof begegnet waren. „Wie heißen sie?“, fragte Hannes, genau, wie der es damals gefragt hatte, und wie damals sah Lea ihn an und lächelte. „Lea, - Lea Bennrig!“, Antwortete sie und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. „Jetzt müsste eigentlich Rosalie mit dem Kräutertee kommen oder?“, Fragte er und wischte ihr liebevoll die Tränen von der Wange. Lea nickte. Auch sie konnte sich noch gut an jede Einzelheit ihrer allerersten Begegnung erinnern. „Wieso bist du hier?“, fragte er sie, nachdem sie sich einen Moment lang schweigend gegenüber gestanden hatten. „Ich dachte, du könntest vielleicht Hilfe brauchen!“, Schaffte sie es endlich, den ersten Satz heraus zu bringen. Hannes sah sie fragend an. „Jochen hat mich angerufen!“, erklärte sie. „Er hat mir von dem Hund auf dem Eppesberg erzählt, und dass er verschwunden ist und…!“ „Du bist also seinetwegen gekommen?“, unterbrach er sie und konnte die Enttäuschung in seiner Stimme nicht verbergen. „Du wirst ihn nicht kriegen. Er ist anders. Ich kann es nicht beschreiben. Aber er hat kein normales Angstverhalten. Er hat überhaupt kein normales Verhalten. Er ist absolut nicht einschätzbar.“ Hannes stand vor ihr und sah sie mit seinen himmelblauen Augen an. Seine blonden Haare waren zerzaust, und unter dem weißen Kittel lugte wie immer eine seiner abgetragenen Jeans hervor. Lea hätte ihn in diesem Moment am liebsten ganz fest umarmt und ihn nie wieder losgelassen. Stattdessen bemühte sie sich, beim Thema zu bleiben. „Hannes, ich würde dir gerne etwas zeigen!“, sagte sie nervös, da ihr das Herz bis zum Hals schlug, und deutete auf ihren alten Kombi, der hinter dem Holzschuppen stand. „Ich bin über den Eppesberg gekommen und… Naja, wie soll ich dir das jetzt in einem Satz erklären? Er saß da, als hätte er auf mich gewartet.“ Hannes zog die Stirn in Falten. „Wer saß da, als hätte er auf dich gewartet?“, fragte er. Genau in diesem Moment kamen Jochen und Rosalie über den Hof gelaufen. „Lea, wie hab ich dich vermisst!“, rief Rosalie mit Freudentränen in den Augen und drückte sie so fest, dass ihr fast die Luft ausblieb. „Lea! Wer saß da, als hätte er auf dich gewartet?“, fragte Hannes noch einmal, unbeeindruckt von Rosalies Begrüßungszeremonie. „Du willst mir doch jetzt nicht sagen… Nein. Das willst du nicht!“ Er zögerte einen Augenblick und musterte ihr Gesicht. „Du willst es doch sagen! Ja? --- Nein! Das ist ja ganz unmöglich.“
Jochen und Rosalie sahen sich schweigend an. Lea zog die Schultern hoch und zeigte hinüber zu ihrem Wagen. „Er liegt auf meiner Ladefläche und schläft!“ Hannes fuhr sich mit den Händen durch die ohnehin schon zerzausten Haare und schüttelte verwirrt den Kopf. „Das ist unmöglich, Lea. Das ist völlig unmöglich. Das kann nicht sein.“ „Doch Hannes! Es ist so. Yukon liegt auf meiner Ladefläche, und er hat eine ziemlich schlimme Verletzung an seinem Hinterlauf. Wenn du willst, bring ich ihn in die Praxis, damit du sie dir ansehen kannst.“ Hannes sah Lea ungläubig an. „Sag mal, Lea, reden wir hier überhaupt von dem selben Hund? Der Hund, den ich meine, den kann man sich nicht mal eben in der Praxis ansehen, und der heißt auch nicht Yukon. Der heißt einfach nur Wolf, weil er nämlich aussieht wie einer, und weil er niemanden in seine Nähe lässt.“ Lea musste lachen. „Er heißt einfach nur Wolf, ja?“ „Ja, er heißt einfach nur Wolf!“, wiederholte er und fügte in einem Atemzug schmunzelnd hinzu. „Und ich habe dich wahnsinnig vermisst.“ Er nahm sie in den Arm und hielt sie einen Moment lang ganz fest. Dann drehte er sich um und ging zur Praxis. „Jochen!“, rief er entschlossen, „komm! Lea bringt Yukon hinein.“ Auf dem Weg zur Praxis drehte er sich noch einmal zu Lea um. „Wie lange bleibst du?“, fragte er. Und sie antwortete: „Nur bis morgen früh.“
***
Fortsetzung folgt!
Window nº 21
21-12-2014
21
Timmy- Sweetvalentines black baron

Kapitel 21

Yukons Rute klopfte zaghaft auf die Ladefläche, als Lea die Heckklappe öffnete. Seine Ohre waren wieder leicht zurückgelegt, und er signalisierte ihr nichts als Freundlichkeit. „Na, mein Freund, kommst du mit hinein?“, fragte Lea und hielt ihm ihre Hand entgegen. Er leckte schüchtern ihre Finger. „Was bist denn du für ein zärtlicher Riese?“, sagte sie und streichelte ihm liebevoll über den Kopf. Er genoss die Streicheleinheit sichtlich und drückte sich sanft in Leas Hand. „Du bist mir wirklich ein Rätsel!“, meinte sie und klopft sich auffordernd ans Bein. „Komm, ich helfe dir. Springen wirst du wohl mit dem Bein nicht so gut können.“ Sie hatte es noch nicht ausgesprochen, da stand Yukon schon neben dem Wagen. „Du kannst es also doch!“, sagte sie betont. „Na, dann kann die Verletzung auch nicht ganz so schlimm sein. „Sie lächelte und klopfte ihm zärtlich die Schulter. Dann nahm sie das herunterhängende Ende des Fangtaus und führte ihn hinüber zur Praxis. Yukon lief neben Lea her, als wären sie schon vom ersten Tag seines Lebens an ein eingespieltes Team. Er sah zu ihr hoch, orientierte sich an ihr und an ihrem Tempo und machte genau das, was Lea von ihm erwartete. Es war, als würde er ihre Gedanken lesen können. Lea durchzog ein merkwürdiges Gefühl. Sie hätte es niemanden erklären könne. Nicht einmal sich selbst. Aber dieser Hund war wirklich anders. Auch seine Augen hatten eine andere, eine besondere Ausstrahlung, so intensiv, so durchdringend und leuchtend. Und sein silbergraues Fell fühlte sich auffallend dicht und weich an, und obwohl es doch von niemandem gepflegt worden war, war es sauber und glänzend. Lea öffnete die Eingangstür zur Praxis. „Darf ich vorstellen? Yukon – Wolf vom Eppesberg.“ Hannes stand da wie festgewachsen. „ Er ist es wirklich!“, sagte er und starrte Lea fassungslos an. Jochen verhielt sich ganz still und beobachtete eine Situation, von der er nicht glauben konnte, dass sie sich wirklich ereignete. Seit über zwei Wochen waren sie nun tagein, tagaus auf den Eppesberg gefahren, um genau diesen Hund einzufangen. Und was immer sie auch versucht hatten, er hatte sich nicht darauf eingelassen. Er hatte sie noch nicht einmal in seine unmittelbare Nähe gelassen. Und jetzt stand er seelenruhig neben Lea und schau vertrauensvoll zu ihr auf. Hannes atmete tief durch und konzentrierte seinen Blick auf den Hinterlauf des Hundes. „Denkst du, er wird mich da ran lassen?“, fragte er Lea unsicher. „Warum denn nicht?“, antwortete sie und klopfte Yukon liebevoll die Schulter. „Er ist doch ein ganz lieber Kerl!“ Hannes nickte skeptisch und ging langsam um den Tisch herum. „Gut, dann werde ich es versuchen,“ sagte er und bat Lea das Fangtau sicherheitshalber fest in der Hand zu behalten. Aber noch ehe er den ersten Blick auf die Wunde werfen konnte, zog Yukon bereits die Nase in Falten und drohte ihm unmissverständlich, nicht einen Schritt näher zu kommen. Hannes blieb sofort stehen. „Soll das heißen, die Geschichte geht weiter?“, seufzte er. Lea sah Yukon für einen Augenblick erschrocken an. Aber sie verteidigte sein Verhalten umgehend mit einer plausiblen Erklärung. „Das gibt es doch oft!“, sagte sie. „Das ist überhaupt nichts Außergewöhnliches! Er hat wahrscheinlich mit Männern schlechte Erfahrungen gemacht, so dass er mit ihnen einfach nichts mehr zu tun haben möchte. Ihr hättet vielleicht Rosalie mal mit auf den Eppesberg nehmen sollen. Sein Verhältnis zu Frauen scheint ja offensichtlich besser zu sein.“ Hannes sah sie schweigend an. Er hatte Yukon auf dem Eppesberg erlebt. Er war sich 100% sicher, dass dieser Hund bisher kein gewöhnliches Verhalten gezeigt hatte. Er war kein ängstlicher Hund. Und er war auch kein ängstlich-aggressiver Hund. Viel zu Stolz und erhaben hatte er in der ersten Nacht neben dem Stamm der alten Eiche gesessen. Hoch erhobenen Kopfes hatte er darauf gewartet, dass er sich ihm näherte. Nicht ein einziges Mal hatte er in dieser Nacht seinen Blick abgewendet. Hannes beobachtete Yukon, wie der seinen Kopf an Leas Bein drückte. Und er erinnerte sich an das zweite Zusammentreffen auf dem Eppesberg. An diesem Tag hatte Yukon ein Angstverhalten wie aus dem Lehrbuch gezeigt. Geduckte Haltung, die Ohren angelegt, den Schwanz bis tief unter den Rücken gezogen. „Und gestern?“, dachte er für sich und sah ihn aus schmalen Augen an, „Gestern hast du mich dann wieder stolz und erhobenen Hauptes empfangen.“ In seinem Kopf reihten sich viele verschiedene unerklärliche Gedankengänge aneinander. Es kam ihm plötzlich vor, als hätte dieser Hund ihn die ganze Zeit über zu einem Spiel herausgefordert. Und er hatte sich auf dieses Spiel eingelassen. Gegen jede Vernunft hatte er sich auf Yukons Spielregeln eingelassen. Hannes warf noch einmal einen Blick auf seine Verletzung. Im Schnee war ein großer tiefroter Blutfleck zu sehen gewesen, und Yukon hatte eine Blutspur bis zum Dickicht des Waldes hinterlassen. Die Wunde an seinem Bein konnte nicht so stark geblutet haben. „Hannes!“, riss Jochen ihn aus seinen Gedanken. „Was machen wir denn jetzt? Du musst ihn doch behandeln. Wir wissen ja nicht einmal, was er für eine Verletzung hat.“ Hannes setzte sich grübelnd auf die Schreibtischkante. „Eine Schussverletzung ist es definitiv nicht. Das kann ich auch von hier sicher ausschließen. Es sieht eher nach einem massiven Abriss der Haut aus. Vielleicht war er in eine Falle geraten.

********
Fortsetzung folgt!
Window nº 22
22-12-2014
22
Merle - Sweetvalentines Midnight blue und Amy- Sweetvalentines with Amy in love

Kapitel 22

Aber wenn er mich nicht näher an sich heran lässt, werde ich das wohl kaum genauer feststellen können. „Lea spürte, wie eine bleierne Müdigkeit über sie hereinbrach. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. In ihrem Kopf fing es wieder an, entsetzlich zu pochen, und vor ihren Augen bewegten sich in regelmäßigen Abständen weiße und schwarze Schatten hin und her. Yukon stand neben ihr und leckte ihre Hand, beinahe so, als hätte er gespürt, dass sie am Ende ihrer Kraft war. Sie sah zu ihm herunter und lächelte. „Darf ich mir deine Wunde denn mal ansehen?“, fragte sie und hockte sich zu ihm. Langsam strich sich mit ihrer Hand über seine Hüfte bis hinunter zum Lauf und hob das buschige, dichte Fell über der Wunde vorsichtig an, so dass die gesamte Wundfläche sichtbar war. „Die Wunde sieht eigentlich ziemlich sauber aus!“, sagte Lea. „Die Haare sind zwar rund herum blutverklebt, aber Schmutz ist kaum zu sehen.“ „Wie groß ist die Wundfläche insgesamt?“, fragte Hannes. Und Lea schätzte sie auf ca. 3 Quadratzentimeter. Hannes nickte, während er mit verschränkten Armen noch immer nachdenklich auf der Schreibtischkante saß. „Der Schnee hat die Wunde wahrscheinlich sauber gehalten. Aber die blutverklebten Haare sind auch ein ziemlich guter Nährboden für Bakterien. Gereinigt werden sollte sie auf jeden Fall. Mehr kann man ohnehin nichtmehr machen. Die Wunde ist zu alt. Sie muss von allein heilen. Außerdem sehe ich da auch keine Hautfetzen mehr, die ich noch zusammennähen könnte, oder?“ Lea schüttelte den Kopf. „Nein, die Wundränder sind rund herum glatt, fast wie abgeschnitten!“ Hannes nickte. „Lea, sieh mal, ob er sich von dir die hintere Pfote anheben lässt. Mich würde interessieren, ob er an den Zehen noch eine Verletzung hat.“
Yukon sah Lea vertrauensvoll an und ließ es geschehen. Sie entdeckte tatsächlich eine tiefe Schnittwunde, die sich durch den Ballen der rechten Pfote zog und zwei der Zehen durchschnitt. „ Es sieht sogar so aus, als hätte er sich die Spitzen von den beiden Zehenballen abgeschnitten.“ Jochen zog die Stirn in Falten und sah Hannes fragend an. „ Das Blut!“, erklärte Hannes seine Vorahnung. „ Da war zu viel Blut im Schnee. Es konnte nicht allein von der Verletzung am Bein sein. Die sit zu alt, als dass sie gestern noch so stark hätte bluten können.“ Jochen zog die Augenbrauen hoch und seufzte. „ Prima, dann haben wir jetzt wenigstens eine >Fast-Diagnose<. Ich frage mich nur, wie er sich das alles zugezogen hat. Und vor allem, wer es jetzt behandeln soll?“ Hannes zog eine Schublade auf und nahm einen schwarzen Nylonmaulkorb heraus. „ Lea, ich befürchte, du wirst die Wundreinigung und den Pfotenverband machen müssen“, sagte er.Lea nickte und streichelte Yukon liebevoll über den Kopf. „ Den Maulkorb brauchen wir nicht. Er wird mir nichts tun, da bin ich sicher.“ Hannes schüttelte entschieden den Kopf und wollte gerade vehement Einspruch erheben, als sich die Eingangstür einen Spalt breit leise öffnete. „ Ich muss ihn mir einfach ansehen“, sagte Rosalie und steckte ihren Kopf in das Behandlungszimmer. „ Schließlich gibt es seit Zwei Wochen auf dem Rosenhof kein anderes Thema mehr. „ Sie schob die Tür auf und betrat den Raum. Yukon stand angespannt da und starrte sie an. Und Rosalie freute sich, ihn endlich kennen zu lernen. Sie bewunderte sein Aussehen und war fasziniert von seiner imposanten Erscheinung. Dass er ihretwegen nervös und unruhig geworden war, spürte sie in aller Begeisterung nicht. „ Rosalie!“,sagte Hannes. „ Würdest du bitte mal ganz vorsichtig versuchen, dich Yukon zu nähern?“ Rosalie sah Hannes fragend an. „ Ja, gern, wenn es möglich ist“, sagte sie überrascht. Sie hockte sich hin und bewegte sich dem Hund langsam und freundlich entgegen. Yukon sprang drohend zurück. Er drängte sich in die hinterste Ecke des Behandlungszimmers und zog seine Nase in tiefe Falten. Das Fangtau hatte er Lea mit einem Ruck aus der Hand gerissen. Rosalie wich erschrocken zurück. Und Hannes sah Lea nachdrücklich an und nickte ihr wortlos zu. Yukon schien offensichtlich nicht nur ein Problem mit Männern zu haben. Das hatte er ihr soeben anschaulich bewiesen. Lea drehte sich um und versuchte Yukon zu beruhigen. Wieso nur verhielt er sich ihr gegenüber nicht genauso abweisend? Warum vertraute er gerade ihr?
Sie dachte an ihre Mutter.“ Glaubst du wirklich, so ein verwilderter Hund kommt auf dich zugelaufen, als hätte er ausgerechnet auf dich gewartet?“, hatte sie noch am Morgen gefragt. Lea nickte für sich und nahm sich fest vor, ihr diese Frage in den nächsten Tagen mit einem eindeutigen >Ja< zu beantworten.
******
Fortsetzung folgt!
Window nº 23
23-12-2014
23
Sam - Sweetvalentines Braveheart

Kapitel 23

Lea war in den großen Ohrenbackensessel, der vor dem Kamin stand, eingeschlafen. Hannes hatte ihn vor vielen Jahren von seinem Freund, dem alten Förster, Erich Bergen, geschenkt bekommen. Er sollte ihn in Ehren halten, so hatte der alte Mann ihn kurz vor seinem Tod gebeten. „ Aber wenn Lea bei dir ist, mein Junge“, hatte er seinerzeit gesagt, „ dann gehört er ihr.“Er hatte sie damals ganz fest an sich gedrückt und ihr liebevoll zugezwinkert. Und Lea hatte gelacht. Hannes legte noch ein Stück Holz nach und zündete die ersten drei Kerzen des Adventskranzes an. In ein paar Tagen war der vierte Advent, dachte er und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie bleiben würde. Wieso nur hatte er sie vor diese Entscheidung gestellt? Wieso hatte er gesagt, dass er nicht mehr auf morgen, aufs Wochenende, auf den Urlaub warten wolle, um zu leben. Lea würde niemals vor einer Verantwortung davonlaufen. Sie konnte ihr Leben in Berlin nicht zurücklassen. Warum war ihm das erst so spät klar geworden?
Er schenkte sich ein Glas Wein ein und sah sie an. Eingekuschelt in ihre Decke saß sie da. Und Yukon lag zu ihren Füßen. Wahrlich ein Bild des Friedens. Ein Bild der Liebe und Geborgenheit. Ja, das war es, was er empfand bei ihren Anblick. Nichts hatte er sich in den vergangenen Monaten sehnlicher gewünscht. Sie war wieder hier – bei ihm. Alles war gut, endlich wieder gut und so sollte es auch bleiben. Er würde sie nicht mehr gehen lassen, um keinen Preis der Welt. Die leuchtenden Augen des Hundes blinzelten in diesem Augenblick zu ihm, gerade so als ob sie ihm zustimmten. „ Wenn du wüsstest, Yukon, wie vertraut mir dieses Bild ist!“, dachte er und setzte sich leise auf die breite Lehne des alten Ohrenbackensessels. Yukon schien es nicht zu stören. Er hatte den Kopf müde auf seine Pfote gelegt, nachdem er lange erfolglos versucht hatte, dass Halsband, das Lea ihm umgelegt hatte, wieder loszuwerden. „ Nur für den Fall, dass du wieder davon läufst!“, hatte sie gesagt, nachdem sie ihn am Nachmittag in der Praxis versorgt hatte. Hannes stellte sein Glas auf den kleinen Tisch neben dem Sessel ab, auf dem auch das Buch noch immer aufgeschlagen lag, das er in der Nacht, in der er zum Menke-Hof gefahren war, gelesen hatte.

*******
Fortsetzung folgt!
Window nº 24
24-12-2014
24
Luna & Shadow die Eltern der Sweeties

Kapitel 24

Die Zeilen ihrer handgeschriebenen Widmung darin, waren deutlich in seinem Kopf.
„(…) Nun soll das Christkind über dich wachen, Hannes und dir immer einen Engel an deine Seite stellen, wenn du seine Hilfe und seine aufrichtige Kraft am meisten brauchst. (…)“
Mit einem sehnsüchtigen Lächeln auf dem Gesicht sah er Lea an. Dieser Tag hatte viel von ihr verlangt. Er zog die Decke bis nah an ihren Hals und streichelte mit seinen Fingern zärtlich über ihre Wange. „ Weißt du, Lea?“, flüsterte er, „ ich glaube, das Schwierige im Leben ist, dass man die Wunden mit sich herumträgt, dass man versucht, neue Gefühle darüber zu legen, ein neues Konzept darüber zu stülpen. Und dass sich der Schmerz aufeinanderschichtet – und dass man eine wirkliche Liebe nie ganz los wird.“ Yukon hob den Kopf und sah Hannes an. Seine bernsteinfarbenen Augen glänzten im Licht der Kerzen. Sie hatten auf einmal einen ganz anderen Ausdruck. Sie strahlten so etwas wie Hoffnung und Zuversicht aus. Wieder waren sie sich auf eine ganz eigene Art, ganz nah und eng miteinander verbunden. Hannes spürte wieder dieses seltsame Gefühl, dieses merkwürdige, nicht greifbare Empfinden, das er nicht beschreiben, nicht in Worte hätte fassen können. Genau wie in jener Nacht auf dem Eppesberg, als er ihn das erste Mal gesehen hatte. Ein Frösteln durchzog seinen Körper. Und dieses nicht Definierbare in ihm wurde stärker und intensiver. Er erlebte es wie in den Blick in eine andere Welt. Wie ein Geschenk des Himmels, das das Greifbare seines Alltages sprengte und sein Herz öffnete, um eine andere, unsichtbare Wirklichkeit wahrzunehmen. Eine unüberschaubare Zahl an Bildern aus längst vergangen Zeiten zog an ihm vorbei. Da war Lea mit der kleinen Melodie. Er hielt sie beide im Arm. An Leas Wangen liefen Tränen. Er tröstete sie. Sie war noch so jung gewesen und er hatte sich unsterblich in sie verliebt. Dann am Tag ihres Abschieds, lag da ihr Brief auf seinen Schreibtisch, den er schon tausend Mal gelesen hatte und immer noch aufbewahrte. Wie dumm er doch war sie gehen zu lassen.
„ Hannes, wenn du einem anderen Herzen so nah kommst, dass du das Gefühl hast, eure Seelen würden einander berühren, dann darfst du dir sicher sein, dass ein Engel seine Finger im Spiel hat, und du für immer mit dieser Seele verbunden sein wirst.“
Hannes sah Yukon gedankenverloren an. „ Woher kommst du, mein Freund?“, fragte er ihn und mochte nicht glauben, was er sich da einredete. Yukon legte die Ohren an, und seine Rute klopfte auf den Holzfußboden. Lea öffnete die Augen und schob die Decke ein wenig zur Seite. „ Ich wollte dich nicht aufwecken. Entschuldige!“ Er sah sie einen Augenblick lang nachdenklich an. Dann fragte er leise: „ Lea, wie sehen eigentlich Engel aus?“ Verwundert und mit einem leichten schmunzeln auf den Lippen, entgegnete sie ihm: „ Du, willst wissen wie Engel aussehen?“ Hannes nickte wortlos. Lea kroch wieder tief unter ihre Decke „ Ach Hannes, das kann man nicht pauschal sagen. Engel sind Boten Gottes. Sie sind für uns Menschen normalerweise überhaupt nicht sichtbar, deshalb weiß niemand genau wie sie aussehen. Ich glaube aber, dass Engel gerade in der Form, in unserem Leben erscheinen, in der wir sie am wenigsten als Engel wahrnehmen würden.“ Sie hielt inne. Hannes beugte sich über sie und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht, beendete sie ihre Gedanken. „ Vielleicht sehen Engel auch aus, wie große Hunde, mit silbergrauem Fell und wunderschönen bernsteinfarbenen Augen?“ Ihre Hände tasteten sich zueinander. Sie hielten sich fest. Sehnsüchtig, glücklich und schweigend. Bis Yukon, die Stille für einen kurzen Augenblick durchbrach, indem er sich, von seinem Schlafplatz an ihren Füssen erhob und sich sitzend, zärtlich an Lea drückte. Freundlich, schwanzwedelnd, mit einem durchdringend leuchtenden Blick, legte er sanft und zustimmend, seinen Kopf auf Hannes und Leas verschlungen Hände. Yukon, der himmlische Bote, der wie aus dem Nichts in ihr Leben trat und sie wieder vereinte. Eine lautlose Zärtlichkeit umgab sie jetzt. Sie erlebten einen jener kostbaren Momente, in denen sie still werden konnten, und sie etwas Leises erfüllte, etwas Behutsames, etwas, das nie zerbrechen und ihnen nie wieder verloren gehen würde.
*E*N*D*E*


Frohe Weihnachten wünschen die Sweetvalentine Aussies
Window nº 25
25-12-2014
25
Der Weihnachtshund


We would be glad to accept your support for Advientos project. Thank you!

Do you want a PDF copy of your Advientos, just to print in DIN A4 format? Ask to the creator of this Advientos
Advientos PDF
Advientos PDF
pdf
Advientos PDF DIN-A4
ref. 14036-2008
"Sweetvalentines3"
Contact the creator of this advents to send you a copy in PDF format!

Note: Those windows of the Advientos whose messages containing HTML code, videos or games may not be reproduced in the PDF copy satisfactorily

Advertisement
Deutsch - English - Español - Français - Italiano       | About Advientos |
  © Advientos 2007-2024 Advientos