Window nº 6
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Sankt Niklas und der Fischer
Ein Fischer, der hörig dem krizanen Stein,
Ruht abends bei Mondlicht am Strande;
Es spielten die Wellen mit glitzerndem Schein
Und huschten wie lockend zum Sande.
Da taucht aus dem schimmernden Wasser empor
Ein Weib, wie aus Düften gewoben:
,,Komm, Knabe, wir singen und spielen im Chor!" -
So spricht sie, die Arme erhoben.
Im grünlichen Haar eine Schilfkrone blinkt -
Nie hat er ein Weib so gesehen -
Ihr schimmernd Gewand in den Wogen versinkt -
Nun schaut er sie dicht vor sich stehen.
Das Mondlicht bespiegelt den herrlichen Leib,
Die Augen wie Sterne hell sprühen -
Zum Fischer jetzt neigt sich das liebliche Weib:
,,Du Kühler! - Dein Herzlein soll glühen!"
,,Flink spiele die Pfeife! - Ich singe dazu -
,,Dann tanzen wir hier auf den Wellen!
,,In meinem Palaste zu süßester Ruh
,,Sollst, Knabe, Du Dich mir gesellen!" -
Sein Pfeiflein aus Schilfrohr der Knabe ergriff
Und ließ es ganz sachte erklingen -
So fremd klang die Weise, so seltsam der Pfiff,
So lieblich der Wasserfrau Singen!
Doch wußte der Fischer wohl Altväter Mär
Von lockenden Nixen und Frauen -
Er dachte: ,,Für mich gibt es Hilfe nicht mehr!" -
Die Seele erfüllte ihm Grauen.
Schon greift nach dem Knaben die schimmernde Fei,
Umschlingt ihn mit eiskalten Armen -
Da ruft er, verzagend, den rettenden Schrei:
,,Sankt Niklas! O, tu Dich erbarmen!" -
Da klang durch die Stille ein gellender Ton,
Das Glöcklein der Niklaskapelle;
Es sanken die Arme, es schwankte die Kron',
Die Nixe verschwand in der Welle.
Der Fischer sprang totbleich zum Schlosse hinan:
,,Wer hat hier das Glöcklein gezogen? -
,,Der hat mich erlöset aus zaub'rischem Bann -
,,Ich läge nun tot in den Wogen!"
Doch alle erstaunten ob Kunde und Klang -
Hat niemand die Glocke gezogen -
Von selber bewegten sich Glöcklein und Strang -
Sankt Niklas ist Fischern gewogen!
Johanna Dirnböck-Schulz
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