Window nº 15
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Märchentraum
Am Weihnachtsbaum mit ihrem Märchenbuche
Das Mädchen sitzt - ringsum herrscht tiefe Ruh'.
Ein Lächeln spielt um ihre holden Züge,
Schlaftrunken fielen ihre Augen zu.
Sie träumte sich zurück in jene Stunden,
Da sie ein Kind, so heiter, froh und jung,
Und all die Bilder ihrer Kindertage
Sie weckten in ihr auf - Erinnerung.
Erinnerung an sonnige Gestalten,
Die einst so lieb ihr waren und vertraut,
Die sie in ihren schönsten Jugendträumen
Als ihre liebsten Freundinnen geschaut.
Und plötzlich schwebt zu ihr ganz sacht hernieder
Die Märchenfee mit ihrem Zauberstab -
Die Kerzen an dem Baume flackern heller,
Wie sie sich neigt zur Schlummernden herab.
Kennst Du mich noch? begann die Fee zu fragen -
Oft führt' ich Dich in's Land des Sonnenscheins,
Dort sangen Dir verständlich ihre Lieder
Die Vögel meines heil'gen Zauberhains.
Dort führt' ich Dich in mein hellglänzend Schlosse,
Von Edelsteinen funkelnd und Demant,
Wo von den Decken hängen Lichterkronen,
Wo Dir Dein Bild strahlt aus krystall'ner Wand.
Wo Alles, was Dein Herze nur begehret,
Sich Dir erfüllt, wenn Du es kaum gedacht,
Wo man nicht Thränen kennt, noch Sorg' und Schmerzen,
Wo Aug' und Herz in Glückessonne lacht.
Dahin will heut' ich Dich, Du Holde, führen,
Dornröschen harrt schon Dein in dem Palast,
Schneewittchen mit den sieben guten Zwergen
Lädt Dich in ihrem Zauberberg zu Gast.
Rotkäppchen spricht schon mit dem bösen Wolfe -
Laß eilen uns! sonst frißt er sie gar auf!
Und Aschenbrödel schlüpfte aus dem Saale,
Es folgt der Prinz ihr nach in schnellem Lauf.
Und willst Du mir noch weiter fröhlich folgen,
So führ' ich Dich zum tiefen, tiefen Wald,
Wo Hans und Gretel bei der Hexe weilen,
Die, ach, so garstig ist, so bös' und alt.
Laß' eilen uns! sonst flieht die Zauberstunde
Vorbei - und Du hast nichts geschaut,
Horch, horch! Da naht sich schon mein Schwanenwagen,
Ich hör's an seiner Silberglöckchen Laut.
Komm! Steige ein! - Da wacht' sie auf vom Schlummer,
Die Kerzen brannten nieder an dem Baum.
Das Märchenbuch entsank den schlanken Händen
,,Ach Märchenglück! Du bleibst ein holder Traum!"
Olga Arendt-Morgenstern |
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